Katerdämmerung. Petra Zeichner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra Zeichner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016758
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      „Keine Angst“, beruhigte ihn Leo.

      „Lotte tut dir bestimmt nichts.“

      „Komm mal her“, sagte sie, kraulte Robins Kopf, schaute sie in seine Ohren und nickte.

      „Hab ich es mir doch gedacht. Du bist nicht herrenlos. Du hast Tätowierungen in deinen Ohren. Dann muss unsere Studentinnenkatze noch etwas alleine bleiben, nicht wahr? Schade nur, dass ihr das so gar nicht gut tut. Wenn ich an das Blut denke …“ Damit verließ sie die Küche.

      Robin spitzte die Ohren und schaute Leo auffordernd an.

      „Die Studentin, das muss die Frau sein, von der ich dir erzählt habe. Die Katzenfutter in die Mülltonnen geworfen hat. Ihr muss die andere Katze hier im Haus gehören. Wie Lotte gesagt hat, hat sie geblutet. Das heißt, es muss etwas Schlimmes passiert sein“, schlussfolgerte Leo ungewohnt sachlich.

      Robin nickte. Ob es mit ihrem Fall zu tun hatte, konnte er nicht abschätzen. Aber dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging, das war sicher.

      „Wollen wir die Katze fragen, was geschehen ist?“, fragte er eifrig und war schon im Begriff, zur Katzenklappe zu laufen. Robin hielt ihn zurück.

      „Das ist zwar eine gute Idee, aber vorher müssen wir etwas anderes erledigen.“

      „Was denn?“

      „Es gibt nicht nur die Katze hier, um die wir uns kümmern müssen. Zuerst müssen wir dafür sorgen, dass uns und vor allen Dingen dir nichts passiert, während wir ermitteln.“

      „Was meinst du denn damit?“

      Lotte kam wieder in die Küche. Sie trug einen dünnen Mantel.

      „So, ihr zwei. Ich muss meinen routinemäßigen Weg zum Arzt antreten. Wenn man alt wird, da zwickt und zwackt es hier und dort. Ihr wisst ja, wie ihr rauskommt.“

      Die Wohnungstür fiel ins Schloss und die beiden Kater waren alleine.

      „Was meinst du damit? Dass uns und vor allen Dingen mir nichts passiert“, wiederholte Leo seine Frage von vorhin.

      „Wie oft hast du schon gekämpft?“, fragte Robin.

      „Gekämpft?“ Leo blickte ihn verständnislos an. „Gegen wen denn?“

      „Eben“, sagte Robin. Sein Maul vom Miauen trocken. Er schlabberte Wasser aus Leos Napf.

      „Meinst du, es ist gefährlich, herauszufinden, woran das Kätzchen gestorben ist?“ Leo schluckte.

      Robin leckte sich das Maul.

      „Gefahr droht uns Katern und Katzen immer“, brummte er unheilvoll.

      „Gefahr von großen, schwarz-weißen Katern oder Gefahr von großen, grauen Katern, aber manchmal auch Gefahr von gutmütig aussehenden, weißen Perserkatzen und bei dir“ – dabei blickte er Leo von den Ohrenspitzen bis zu den Krallen an – „bei dir auch Gefahr von kleinen, schwarz-weißen Katern und kleinen, grauen Katern und kleinen, gutmütig aussehenden Perserkatzen.“

      „Schon gut“, maulte Leo. „Ich kann nichts dafür, dass ich erst ein Jahr alt bin. Lotte sagt immer, mach dir nichts draus, jeder hat mal klein angefangen.“

      „Siehst du, das meine ich. Menschen haben leicht reden, sie müssen sich nicht tagaus tagein verteidigen. Aber mach dir keine Sorgen: Ich zeige dir alles, was du brauchst. Heute fangen wir an.“

      „Das sind jedoch nur die alltäglichen Gefahren, vor denen wir Kater uns wappnen müssen“, setzte er hinzu.

      „Was denn, noch mehr?“

      „Überleg mal, wer würde ein kleines Kätzchen töten?“

      Leos Ohren rückten dichter zusammen, so sehr runzelte er seine rot-weiß gestreifte Stirn während des Nachdenkens.

      „Große, schwarze Kater?“

      „Sei nicht dumm“, schalt Robin. Schließlich ging es um Leben und Tod, Dummheit könnte tödlich sein. „Wir töten zwar manchmal unsere eigenen Kinder, aber hier geht es doch um ein Kätzchen, das schon tot zur Welt gekommen ist oder gleich nach der Geburt gestorben ist.“

      Robin erzählte von dem Zeitungsartikel, den Johanna vorgelesen hatte. Dass Flora in dem Tierheim noch eine weitere Frühgeburt gehabt hatte und dass die Welpen mit größter Not überlebt hatten.

      Robin verstummte. Auch Leo miaute kein Wort. Reglos saßen sie sich in der Küche gegenüber. Draußen zwitscherte eine Amsel. Robin ignorierte sie. Stattdessen miaute er leise:

      „Wer könnte dafür sorgen, dass so etwas passiert? Nur Menschen. Wir Kater können so etwas nicht.“

      Er schielte verstohlen zur Balkontür. Offenbar hatte Leo den gleichen Gedanken. Er lief ins Wohnzimmer und kontrollierte seine Katzenklappe. Sie öffnete sich, sobald er davor stand. Vorsichtig streckte er seinen Kopf hindurch.

      „Du kannst mir folgen“, sagte er zu Robin gewandt. „Hier auf dem Balkon ist niemand.“

      „Wohin?“

      „Bei dir sind wir sicherer. Hier sind die Jungen, die mir Angst machen, wenn ich alleine bin.“

      „So machen wir es. Die leere Wohnung in meinem Haus ist ab jetzt unser Treffpunkt.“

      Kein Mensch wusste davon und das musste auch so bleiben.

      Diesmal hatte es Leo geschafft. Durch den Einstieg im Garten war er zu Robin in den Aufzug gesprungen, bevor sich die Tür geschlossen hatte. Zwar war es eng gewesen und Robin hatte ihm fauchend ins Ohr gebissen, aber Leo hatte sich zu einer Kugel gemacht und Robin hatte ihn brummend neben sich geduldet.

      Robin begann die Lagebesprechung. Er hatte sich unterhalb des Erkerfensters neben die Balkontür gesetzt.

      „Mich jagt der Mankowski und dich jagen die Jungen. Was können wir tun?“

      „Wir könnten dem Alten jeden Tag vor die Wohnungstür pinkeln“, schlug Leo vor.

      „Hm“, entgegnete Robin.

      „Wir könnten mit dem Aufzug in seine Wohnung fahren und seine Vorräte wegfressen.“

      „Hm.“

      „Was denn?“, fragte Leo ungeduldig.

      „Wenn hier etwas passiert, und es ist klar, dass es Katzen waren, dann weiß er sofort, dass ich damit zu tun habe. Dann wird es für mich noch schlimmer hier.“

      „Mäuse!“, rief Robin plötzlich triumphierend.

      Leo, der eine Amsel auf dem Fenstersims beobachtete, schreckte auf.

      „Was ist mit Mäusen?“

      „Wir setzen ihm Mäuse in die Wohnung und die fressen ihm die Vorräte weg. Das machen wir so lange, bis er auszieht, weil es ihm hier nicht mehr gefällt.“

      Leo schwieg und blickte wieder zum Fenster hinaus. Er sprang auf das Fensterbrett und presste seine Nase gegen die Scheibe. Die Amsel zeterte, schlug mit den Flügeln und flog davon.

      „Was willst du da oben?“, fragte Robin irritiert. „Du kannst doch sowieso nicht raus.“

      „Ja, aber es ist wichtig, dass ich die Lage überblicke, ich wollte nur schauen, ob sich jemand anschleicht.“

      „Was hat das mit den Mäusen und dem Mankowski zu tun?“

      Leo sprang von dem Fensterbrett, setzte sich auf sein Hinterteil und senkte den Kopf.

      „Alsooo …“

      „Ja?“

      „Weißt du, ich …“ Leo leckte sich verlegen mit der Zunge das Maul.

      „Na los, so schlimm kann es nicht sein. Raus damit, was es auch ist“, ermunterte ihn Robin.

      Leo holte hörbar Luft. Dann