„Aber das tust du nicht. Du baust Raketen. Erzähl mir davon!“
„Ja, natürlich. Ich komme also in die Fabrik, und dort liegen dann die Baupläne für den Tag. Gemäß der Zeichnungen fertige ich die Raketen, und das ist keine einfache Sache, und sehr oft kommt es dazu, dass ich erkenne, nein, das passt so nicht und dann gehe ich in das Büro des Chefdesigners und spreche ein ernstes Wort mit ihm. Und wenn er schließlich seinen Fehler einsieht, manchmal erst nach endlosen Diskussionen, und wenn ich schließlich seine Entschuldigung akzeptiert habe, nimmt der Designer die Änderungen vor, die ich ihm vorgebe, und am Ende ist das Design, man kann es kaum bestreiten, mehr von mir als von ihm geprägt, aber ich gebe nichts darum, auf eine Nennung meines Namens verzichte ich, der Schatten soll mich schlucken, das Rampenlicht ist nicht mein Ding.“
Felicitas seufzte, nickte zufrieden und schloss die Augen. „Das machst du gut, Daddy“, flüsterte sie und schwebte auf einer Wolke Richtung Schlaf.
„Ich schufte schwer. Ich komme ins Schwitzen, ich schraube und ich hämmere, und im Ganzen ist das eine sehr körperliche Geschichte, die schmalen Gestalten mit den Zahnstocherarmen können zu Hause bleiben, sollen die doch Kuchen backen oder Romane schreiben, aber das Metier des Raketenbaus ist sicher nichts für sie, das verlangt nämlich einen kräftigen, robusten Körper.“
Entschwebend Richtung erstem Traum, seufzte Felicitas: „Ja, du bist stark, ganz stark ...“
„Mir macht keiner was vor! Und hätte ich meinen Verstand nicht, könnte ich vielleicht ´ne Rakete zeichnen, mehr aber auch nicht! Denn ohne Verstand wäre ich so aufgeschmissen wie Sandy Spacelight ohne rosa Schleife auf ihrem Astronautenhelm. Tja, und so verdient dein Dad sein Geld ...“
„Ja, so verdienst du dein Geld ...“ Die Worte waren der letzte Rest ihres Bewusstseins, der Traum hatte schon begonnen.
Ich schlich aus dem Zimmer, löschte das Licht.
Das Ergebnis zählt, nicht der Weg dahin. Meine Tochter schlief, Mission erfolgreich erfüllt.
Noch Fragen?
Nachts im Bett brachte meine Frau den Flirt mit Frau Sebastol zur Sprache. Wir hatten das Licht gelöscht, und ich war schon fast so weit, in meinem ersten Traum die Heldenrolle einzunehmen, da funkte sie dazwischen. Ich hatte gehofft, dieses Mal ohne eine ihrer Predigten davonzukommen, aber schließlich war das Leben ein steter Weg den Hang hinauf, es gab keine Gemütlichkeit. Warum sollte mir dann meine Frau das Leben erleichtern?
„Manchmal frage ich mich“, sagte sie und fuhr große Geschütze auf, „warum du mir das antust. Ich meine, was siehst du eigentlich in mir? Oft glaube ich, du siehst nichts anderes als die Institution in mir, die Ehe an sich, und die ist ja gerade mal so sexy wie verwelkte Blumen auf einem Grabstein, so viel ist sicher.“
„Sternenstaub ...“ Das Wort kam mir über die Lippen, ehe es meine Gedanken gekreuzt hatte, und ich war selber überrascht.
„Sternenstaub? Es muss um 2039 gewesen sein, dass du mich das letzte Mal so genannt hast ...“
„Im Sandkasten?“ fragte ich und ging munter auf ihre Übertreibung ein. 2039 war ich gerade mal 3 Jahre alt gewesen, und Agatha hatte ihr erstes Lebensjahr hinter sich gebracht. „Also, soweit ich mich erinnere, lief ich damals einem Mädchen namens Jennifer Sonderplass hinterher, die Nachricht deiner Existenz war noch nicht bis zu mir vorgedrungen ...“
„Ja, du warst damals schon ein Schürzenjäger, diese Jennifer war sicher eine von vielen, ein Mädchen genügte nicht, das ist das Sammelbildchensyndrom, hat man erst einmal einen Flatballspieler ins Album geklebt, will man alle haben, so sind die Jungs, sie sammeln Flatballspieler, sie sammeln Mädchen, und wenn die Jungs zu Männern werden, ändert sich das nicht ...“
Ich schwieg. Das schien mir die beste Methode, einem Donnerwetter zu entkommen und vielleicht rechtzeitig in den Schlaf flüchten zu können. Und, wie so oft, zauberte meine Frau eine Überraschung aus dem Ärmel und wurde auf einmal sanftmütig: „Dein Atem verrät mir zumindest, dass es dir zu Herzen geht, da ist so ein Rhythmus darin, so eine Aufregung, ich merke, dass ich dich noch erreiche, und das ist immerhin, wie sagt man? Eine Basis? Das ist eine Basis. Du liebst mich noch, oder?“
Ich schätze, diese Frage stellen Frauen immer dann, wenn man keine Antwort darauf parat hat. Das Schweigen, jedes Drucksen und Zögern, können sie dann gegen einen auslegen, was ihnen eine Übermacht und letztendlich den Sieg verschafft. Aber ich hatte diese Frage zu oft gehört, zu oft mechanisch reagiert, als dass ich mich jetzt von ihr in die Flucht hätte schlagen lassen.
„Ja, natürlich!“
Ich hörte, wie meine Frau lächelte. Sie machte das geräuschvoll, seufzte friedvoll dabei. Dann fragte sie: „Was hat es denn mit dieser Einladung auf sich? Du kommst mir doch sonst nicht mit so einem gesellschaftlichen Kram!“
„Schadet uns vielleicht nicht, dann kommen wir mal wieder raus und unter Leute. Chory oder Mr. Lonesome ist eigentlich ´n Spinner, glaube ich. Könnte aber lustig werden, gerade deswegen ...“
“Du bist auch ein Spinner“, seufzte Agatha und griff nach meinem Dick, so unvermittelt und so fest, dass mir der Atem stockte. Sie schob die Vorhaut zurück und bewegte ihn auf und ab, im Rhythmus eines Alten am Krückstock.
„Schneller!“ flüsterte ich.
Jetzt saß der Alte immerhin im Rollstuhl.
„Schneller!“
Endlich hatte er Platz in der Kommandozentrale einer Rakete genommen, die in Lichtgeschwindigkeit durch das All düste.
Ich sah Agathas Schattenriss an der Decke über mir und schloss die Augen, um anderen Bildern die Möglichkeit zu geben, in mein Bewusstsein zu dringen. Verflossene Liebschaften, nie angefasste und umso mehr in den Olymp meiner männlichen Tagträume gehobene Weibsbilder zogen vor meinem geistigen Auge dahin, ihre schweißglänzenden Körper tanzten ein Ballett, ihre Brüste und Hintern schaukelten in einem Rhythmus, der mich gen Abgrund trieb ...
Agatha bewegte sich geschmeidig wie eine Katze und begann tatsächlich zu schnurren. Sie fuhr die Zunge aus, leckte über meinen Bauchnabel, über meine Brustwarzen und saugte an ihnen ...
Bei aller Liebe, bei aller Anstrengung, die ein Mann unternehmen kann, um die stählerne Beschaffenheit seines Wesens unter Beweis zu stellen, bei aller Mühe und dem Schweißregen, der sich aus den Poren meiner Frau über mich ergoss, meine Männlichkeit lag brach.
Ich machte mir nichts daraus. Schließlich geschah das nicht zum ersten Mal. Und schließlich hatte ich noch meine Träume.
Ich steckte einen Finger in das glitschige Geschlecht meiner Frau und tat meine Pflicht.
Nicht einmal fünf Minuten später war ich eingeschlafen und ging durch die Wüste. Mit festem Schritt und einem Plan.
Kapitel 2
Absturz
Seit geraumer Zeit widmete ich mich der Wissenschaft luziden Träumens. Stompy, ein Arbeitskollege, der inzwischen nicht mehr unter den Wachenden weilte, hatte mich darauf gebracht. Er war fast so etwas wie ein Freund gewesen, obwohl wir über die Dinge des alltäglichen Lebens niemals auch nur ein Wort verloren hatten.
Ich weiß nicht, warum er gerade mich angesprochen hatte. Wahrscheinlich hatte er in mir den Tagträumer erkannt, den, der selbst mit weit geöffneten Augen gegen Bäume läuft.
Eines Tages, beim Mittagessen in der Kantine, war er, durch Schicksals Fügung oder eigenes Zutun, auf dem Platz mir gegenüber gelandet. Ich nehme an, dass sich das Schicksal in diesem Fall herausgehalten hat. Ich schätze, er hatte mich anvisiert wie der Jäger den Bären, den es zu erlegen gilt. Mit dem Unterschied, dass der Bär reichlich wenig von des Jägers Hatz hat, die ihm das Leben nimmt. Ich hingegen erhielt ein neues, ein zusätzliches Leben.
Ich merkte seine Blicke auf meinem Gesicht, fand sie unangenehm, sagte aber nichts. Ein anderer hätte einen Kommentar vom Stapel gelassen