Werwolfsgeheul. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847650645
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      Blitzschnell befreite ich mich mit einem gekonnten Griff von meinem Gurt. Die Frau wusste gar nicht wie ihr geschah, als sie plötzlich den Kopfhörer in Händen hielt und verdutzt einen leeren Platz anstarrte. Wie ein Blitz war ich aufgestanden und hatte mich im Gang postiert. Die Wut drückte sich in undurchsichtigem Dampf aus meinen Nasenlöchern und das Feuer brach über meine Augen herein wie ein Urknall. In Zeitlupe drehte die arme Frau den Kopf und verstand nicht was ihr gerade bevorstand. In ihren Augen musste ich wie ein fleischgewordener Albtraum wirken. Das Gewitter, das sich über meinem Kopf imaginär entfaltete, forderte meine Nackenhaare auf sich zu sträuben. Ich war innerlich so geladen, dass der Druck einfach irgendwo hinaus musste.

      ››Ist es zu viel verlangt, einfach diesen beschissenen Film zu schauen?‹‹, fragte ich hysterisch und legte ein Knurren nach, was jedes Wiederwort im Keim erstickte. Die Flugbegleitung hätte mir richtig leid tut können, wenn ich nicht gerade außer Kontrollen geraten wäre. Sie stand wie angewurzelt da und zitterte. Aus ihrem offen stehendem Mund kam nichts heraus, sie suchte nach Worten, die sie sich sowieso nicht trauen würde auszusprechen. Im Gegensatz zu mir musste sie Fassung bewahren. Für liebe, nette Worte und gutes Aussehen wurde sie schließlich bezahlt.

      ››Jetzt übertreiben sie mal nicht. Die Frau tut nur ihren Job!‹‹ Der Mann eine Reihe vor mir stand auf und wollte die Dame verteidigen. Es war eine reine Kurzschlussreaktion, der ich mich unterwarf und damit endgültig komplett unbeliebt machte. Die ganze Zeit hatte ich ungewollt den Unterhaltungen um mich herum gelauscht; sie regelrecht abgefangen, wie falsch zugestellte Post. Etliche Dinge, die niemanden interessierten oder etwas angingen! Allesamt platzen aus mir heraus, wie aus einer unzensierten Schlagzeile.

      ››Willst du mich auf den Arm nehmen? … Sag doch der Flugbegleitung mal, was du zu deinem Freund neben dir gesagt hast! ´Die hat ja einen geilen Arsch, die würde ich gerne mal …´ Gehört das etwa zur ihrer normalen Arbeit, mal ganz davon abgesehen, dass sie dich sowieso nicht einmal mit ihrem Hintern anschauen würde, so wie du aussiehst?‹‹ Wie eine Furie schaute ich durch die Reihen von Köpfen, die natürlich allesamt auf mich gerichtet waren und zeigte auf zwei Frauen: ››Und du solltest es lieber bleiben lassen und deiner Sitznachbarin und angeblich besten Freundin deine Beschwerden erzählen. Als du zur Toilette gegangen bist, hat sie nämlich erst einmal gewaltig über dich hergezogen.‹‹ Ich hatte kein Interesse der Szene zu folgen. Ich sah lediglich wie die eine Freundin die andere wütend fixierte.

      Wie mit dem Wagon einer Achterbahn fuhr ich über Kufen und Gefühle wie nichts Gutes. Die Sucht ließ mich Dinge sagen, die ich gar nicht wollte. Ich wurde zu etwas Scheußlichem. Ich konnte der Droge jedoch nicht entkommen. Ich musste sie ausschwitzen, um sie loszuwerden.

      ››Ach und du da, ich bin keine Verrückte. So welche wie ich werden jährlich zur Miss World gekürt!‹‹

      Ich konnte gar nicht mehr auf hören und die Gesichter wurden immer fragwürdiger. Irgendwann hatte ich alle mit ihren Problemen, Beschwerden und dummen Kommentaren beworfen und sackte glücklich und mit einem breitem Lächeln zurück in meinem Sitz. Die pochenden Schläfen rieb ich mir genussvoll und glaubte endlich es hinter mich gebracht zu haben.

      ››Ach so, sie hätte ich beinahe vergessen‹‹, sagte ich wieder total ruhig und drehte mich zu der verängstigten Flugbegleitung, ››ich habe keinen Hunger, aber danke der Nachfrage.‹‹ Der Durst jedoch wirkte sich natürlich anders auf mich aus und stellte meine eben noch so euphorisch darlegte Aussage in Frage. Bis in die letzten Gefilde meines rebellierenden Magens suchte er sich seinen Weg und knurrte laut und deutlich. In genau diesem Augenblick musste ich wie ein Model wirken, dass zwar Hunger, aber einfach nur total fanatisch auf ihre Figur achtete. Wahrscheinlich hätte ich in dieser Sekunde Scham oder Peinlichkeit empfinden sollen, doch da war rein gar nichts. Leer. Der Akku war leer und musste aufgeladen werden, denn er hatte gerade all seine Kraft verbraucht.

      Ich setzte meinen Kopfhörer wieder auf und überging sämtliche verdutzte Blicke. Nach wenigen Minuten begann ich sogar langsam Gefallen an dem eben noch so ödem Film zu bekommen. Die Explosion hatte mir doch tatsächlich geholfen. Der Dampf, den ich abgelassen hatte, plagte mich nur noch teilweise und war einer Verträglichkeit geglichen, derer ich nie für möglich erachtet hätte.

      Später wurde mir bewusst, dass ich vielleicht schon viel eher hätte, wie eine Furie reagieren sollen. Die Blicke waren anfangs zwar sehr negativ und bei vielen war das Herz kurz zum Stillstand gekommen, aber danach war wirklich Ruhe eingekehrt. Niemand wagte mehr etwas über mich zu flüstern oder gar, mich auch nur eine Sekunde anzusehen!

      Wenn man aber einmal meine ganzen Eskapaden in dieser Zeit zusammenfasste, kam man schnell zu dem Punkt, dass ich genau die Person war, die man auf keinen Fall neben sich im Flugzeug sitzen haben möchte!

      Der Sumpf der Stadt 1

      Endlich! Ein fester Boden unter den Füßen und kein weiterer Zwischenstopp sollte mich mehr plagen. Die Euphorie überflutete mich, denn ich war verdammt stolz. Alle Passagiere von den drei Flügen waren unversehrt und erfreuten sich – soweit ich das beurteilen konnte – bester Gesundheit. Mein Magen war da eher anderer Meinung. Nach dem Stopp in Shanghai glaubte ich ihn dort vergessen zu haben. Er war taub und so leer, dass die Vermutung nahe lag, dass ich ihn getötet hatte. Vielleicht war er es aber auch nur einfach leid geworden, ständig mit Knurrattacken aufzuwarten.

      Nun war ich mal wieder in Hong Kong. Die Stadt war mir annähernd bekannt und vertraut, daher war sie meine erste Wahl gewesen, obwohl ich nicht gerade die besten Erinnerung an sich hegte.

      Irgendwie war es seltsam gewesen die Türen des Flughafens zu benutzen, denn beim letzten Mal hatte ich keine Zeit gefunden mir alles genau anzusehen. Die elektrische Eingangstür schloss sich gerade hinter mir und ich blickte in den Himmel. Am heutigen Tag schien die Sonne und es war nicht mehr annähernd so ungewöhnlich eine Sonnenbrille zum Schutz zu tragen. Lediglich der Smog zog sich wie eine zähe, dickflüssige Wand um den Flughafen und versperrte die Sicht auf die Außenwelt. Viele Menschen trugen einen Mundschutz da sie kaum richtig durchatmen konnten und auch mir fiel es erschöpfend schwer mich an diese Luft zu gewöhnen. Sie war abstoßend und vermischte sich zusätzlich mit dem standhaften Geruch der Wölfe. Auch wenn dies nicht unbedingt hieß, dass mir in den nächsten Minuten einer begegnen würde, musste ich Vorsicht walten lassen. Durch ihre Allgegenwärtigkeit war es schwer einen wahren Werwolf zu erkennen.

      Die Tür schob sich erneut mit einem Zischen auf und unzählige Passanten zwängten sich hindurch. Sie quetschten sich an mir vorbei. Wie etwas sehr kostbares drückte ich die frisch erworbene Zeitung an meine Brust und schützte sie vor der Ungeschicklichkeit der Leute. Wie ein Sandwisch pressten sie mich zusammen.

      Kurz nach meiner Landung war ich schnell in einem kleinen Zeitschriftenladen verschwunden und hatte mich um eine Zeitung bemüht. In den letzten Monaten war mir klar geworden, wie wichtig diese wenigen Seiten aus dünnem Papier wirklich waren. In ihnen fand man Artikel, die mehr über Vampire und Werwölfe verrieten, als es dem Anschein gab. Immer vorausgesetzt man wusste wonach man suchte.

      Noch etwas war mir bewusst: In dieser überfüllten Großstadt wollte ich nicht lange verharren! So suchte ich nach einer Fahrgelegenheit. Nicht weit von mir stand eine ganze Reihe von Taxen am Straßenrand und wartete bereits auf ihre Kundschaft.

      Ich suchte mir ein Auto aus, stieg in das Taxi ein und gab dem Fahrer die Adresse des alten Lagergebäudes in Form eines kleinen Zettels. Brummig musterte er mich schief und fuhr los.

      Ein tiefer Seufzer drückte sich durch meine Kehle, als ich die Menschen auf den Gehwegen musterte. Es waren so viele. Wenn man sie so sah, schien alles normal zu sein. Sie gingen zur Arbeit, einkaufen oder trafen Freunde. Niemand glaubte wirklich zu wissen in welchem Revier sie lebten und vor allem, welcher vermeidlichen Gefahr sie ausgesetzt waren. Vor nicht all zu langer Zeit war ich auch einer von ihnen gewesen. Heute schien mir diese Seite makaber und fremd.

      Der Verkehr in einer Stadt wie Hong Kong war schleppend und nagte an meiner Ungeduld. Straße für Straße kamen wir nur sehr langsam vorwärts. Auch wenn sich der Flughafen nicht im Zentrum befand, herrschte hier hektisches