Werwolfsgeheul. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847650645
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erkannt zu haben, wie unsere Familie agierte. Wenige Stunden später war das Wohnzimmer zu einem Festsaal geworden. Die Lichter wechselten sich in regelmäßigen Abständen ab und waren die einzige Lichtquelle im Raum. Lediglich die Kerzen, die auf der Torte schimmerten, versuchten gegen das Licht aus der Steckdose anzukommen und legten ihren flackernden Schein auf die beiden silbernen Tabletts. Eigentlich hätte der Zuckerguss zu einer neunzehn geformt werden müssen, doch nun kennzeichnete eine Lüge die Schokoladenbombe. Irgendwann in der Zeit meiner Gefangenschaft musste sie achtzehn geworden sein. Oder aber siebzehn, bevor ich zu den Maguire gekommen war. Niemand wusste es genau, aber hier spielte es auch keine wirkliche Rolle. Auf dieser Torte und in der Schule wurde sie für siebzehn gehalten, beziehungsweise wurde siebzehn. Die Musik hatte mittlerweile einen erträglichen Pegel, wenn man mal davon absah, dass er für Menschen gerade richtig und für Vampir bereits die Schallgrenze von Gut und Böse war.

      Neben der Torte und den Tabletts türmten sich die Geschenke, die nur darauf warteten geöffnet zu werden. Im Schein der Kerzen und der mechanischen Lichter nahmen sie den Part des Geheimnisvollen ein, denn auch ich wusste nicht, was sich in jedem von den bunten Päckchen befand. Draußen hatte sich bereits die Dämmerung eingefunden und wir warteten gespannt auf das Geburtstagskind und ihre Begleitung. In diesem Moment blieb uns noch genügend Zeit um uns auf Marie und Flora vorzubereiten. Josy kam gerade den Flur entlang und trug ein großes Tablett mit Gläsern und Weinkaraffe.

      Der Duft war so umwerfend, dass ich an mich halten musste, sie nicht anzugreifen. Auch die Vorfreude endlich den blutigen Schleier abzulegen, tat sein übriges dazu bei. Ich fühlte die Glut in meinen Augenhöhlen und lechzte nach Nahrung. Josy war viel zu langsam für meinen Geschmack. Der Körper zitterte vor Verlangen und wollte mir nicht mehr gehörchen. Ich brauchte es! Jetzt sofort! Ohne es zu wollen sprang ich nach vorn und gierte die Glaskaraffe an. Hastig griff ich nach dem Tablett und versenkte meine scharfen Krallen darin. Josy taumelte, da sie nicht damit gerechnet hatte und fluchte: ››Scheiße! Pass doch auf!‹‹

      Wie ein Tier, was seine Beute bereits ausgemacht hatte, fixierte ich das Glas mit der wertvollen Fracht. Sie schwappte hin und her. Der Speichel rann wie ein Wasserfall meine Kehle hinunter und ich keuchte und leckte mir genussvoll die Lippen.

      ››Wie lange, sagtest du, hatte sie kein Blut getrunken?‹‹, hörte ich Li aus dem Hintergrund sagen.

      ››Eindeutig zu lange!‹‹, knurrte Alex.

      ››Also das hätte jetzt auch Marie sein können‹‹, sagte Celest sehr traurig und rüttelte mich damit wach.

      Ruckartig ließ ich das Tablett frei und starrte in Josys schüttelndes Gesicht. Voller Vorwurf schaute sie mich an und ich wollte am liebsten im Boden versinken. Ich senkte mein Haupt und führte die zitternde Hand zum Mund.

      ››Oh mein Gott … das … es … tut mir leid.‹‹ Und das war die Wahrheit. Es war mit mir durchgegangen. Wer weiß was passiert wäre, wenn Marie und Flora eher nach Hause gekommen wären. Nicht auszudenken!

      Plötzlich war es unerträglich still geworden und Alexander trat an meine Seite. Er schnappte sich ein Glas und befüllte es. Kurz darauf hielt er es mir hin und brummte: ››Ich will hoffen, dass dir das eine Lehre war!‹‹ Gerade als ich nach dem Glas greifen wollte, zog er es noch einmal zurück und seine Augen formten sich zu schlitzen. ››Das erste Mal, als die Packer unsere Möbel gebracht haben, war ich schon sauer. Das zweite Mal, als gestern ein Motorradfahrer an uns vorbeifuhr und du ihm fast aus dem offenen Fenster nachgesprungen wärst, das war schon eine Nummer zu hoch. Aber das hier übertrumpft alles! Wir leben hier gut, du brauchst nicht austesten wie lange du in Abstinenz leben kannst. Ich hoffe, du siehst ein, dass das wirklich naiv war!‹‹

      ››Ja‹‹, war das Einzige, was ich aufbringen konnte. Ich traute mich nicht ihm in die Augen zu sehen, so sehr schämte ich mich. Ja, er hatte recht und wahrscheinlich würde er mich noch viel mehr tadeln, wenn er wüsste warum ich diese Dummheit begangen hatte.

      Dieser Vorwurf sollte jedoch der Einzige bleiben. Niemand trat erneut an mich heran. Sie ließen die Tat im Raume stehen und das kam mir schlimmer vor, als wenn man mit mir darüber gesprochen hätte. Jeder trank sein Glas und es hielt eine ungewohnte Stille in das Wohnzimmer ein, die ich verfluchte.

      Nach und nach blinzelte ich durch die Runde und betrachtete die Festagskleidung, in die sich jeder von uns geworfen hatte. Zwar fanden die Männer es unangebracht einen Anzug zu tragen, aber ihre eleganten Hemden passten perfekt zu den schwarzen Stoffhosen. Josy tanzte mal wieder etwas aus der Reihe und trug ein tiefrotes Abendkleid, was ihre rötlichen Strähnen richtig gut zur Geltung kommen ließ. Celest trug ein schlichtes, schwarzes Cocktailkleid, genauso wie ich. Allerdings unterlag ich einem gewissen Zwang meine Hände mit passenden Stoffhandschuhen zu schützen. Alexander hatte ich beim umziehen intensiv fixiert, da er mir immer noch ein neues Abendkleid schuldete und ich mir nun dieses von Josy hatte borgen müssen.

      Elest war da doch sehr konservativ, sie hatte sich für eine gewöhnliche Jeans und eine Bluse entschieden.

      Unsere Katzenaugen verbargen wir unter dunklen Sonnenbrillen. Dieses Gefühl stieß mir sauer auf, denn bei dieser Tageszeit war es mehr als unangebracht.

      Geistesabwesend schwenkte ich das Glas und versank in der Leere meines Verstandes. Noch immer konnte ich das eben erlebte nicht vergessen oder unterdrücken. Ich schämte mich nicht nur, ich war wütend auf mich selbst. Unzählige Fragen kamen mir in den Sinn: War Carlos es wirklich wert? War er es wert, dass ich mich derart aufgab? Vernebelte mich die Rache gar den Verstand?

      Ich wusste es nicht und vielleicht wollte ich es auch nicht wissen. Die Zukunft würde meinen Entschluss prägen. Nach diesem Erlebnis haderte ich nämlich schwer mit mir.

      Nachdem jeder sein Gefäß wieder auf das Tablett gestellt hatte, brachte Josy es zurück in die Küche.

      Mein Kopf war noch immer demütig gesenkt und tastete den Boden ab. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte; wie ich den Vorhang des Schweigens durchdringen sollte. Doch dann umfassten mich starke Arme und schenkten mir ein Wohlgefühl. Ruhig passte ich meinen Herzschlag dem seinen an. Sanft küsste er mein Haar.

      ››Lass es gut sein.‹‹

      Die Worte waren wie Balsam für mich. Schnell verbreitete er sich in all den Winkeln meines Körpers und sorgten für Ruhe. Er gab mir wieder einen Grund zur Freude.

      In diesem Moment hörten wir den bekannten Motor von Floras Wagen und schreckten auf. Stocksteif positionierten wir uns neben dem Tisch. Li drückte auf eine Fernbedienung und stellte die Musik und die Beleuchtung aus, um den Überraschungseffekt nicht zu zerstören.

      Die Dunkelheit brach über uns herein. Lediglich die kleinen Kerzen wiegten sich im Luftzug, der durch den Raum wanderte.

      ››Oh, ich bin so aufgeregt!‹‹, kicherte Josy neben mir und konnte gar nicht stillstehen. Sie wackelte hin und her und war extrem gespannt auf Floras Reaktion.

      Ich hörte wie sie den Schlüssel ins Schloss steckte und leise auf Marie einredete, als sie den Flur entlang schritten: ››Irgendwie ist es so still hier.‹‹

      ››Ja, sonst hört man immer so viel Geballer und Spielgeräusche‹‹, wehrte Marie ab.

      Gray grinste zu Marc herüber und fand diese Aussage natürlich optimal. Verlegen kratzte sich dieser am Kopf und begann seine Wangen schmollend auf zu blasen. Auf der einen Seite tat er mir schon etwas leid. Immer wurde auf ihm rumgetrampelt, aber in gewisser Weise hatte er es auch verdient.

      ››Aber die Autos sind alle da‹‹, gab Flora von sich und ich lauschte ihrer verlockenden Stimme. Auch ich war angespannt wie die Sehne eines Bogens. Nie hatte ich eine Überraschungsparty für jemanden veranstaltet und hoffte, dass sie total aus dem Häuschen sein würde.

      ››Lass mal im Wohnzimmer nachschauen, da müsste doch eigentlich jemand zu finden sein.‹‹ Marie war eine perfekte Schauspielerin. Sie verriet sich in keinster Weise. Selbst ihre Stimme war so unauffällig, dass niemand darauf schließen konnte, das sie Bescheid wusste. Gekonnt führte sie Flora an der Nase herum. Es war wirklich eine sehr