Frikadellen für Marrakesch. Hanna Jakobi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hanna Jakobi
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752941326
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zu schlucken.

      »Ja klar. Mach das. Wie wäre es nächsten Donnerstag? Freitag muss ich arbeiten und das ganze Wochenende danach auch. Fragen wir die anderen!«

      Sie fand das ja ein bisschen aufdringlich. Mit den feinen Nuancen des Zwischenmenschlichen hatte er es nicht.

      Sie dachte nach. Donnerstag klang nicht schlecht. Mittwoch war Redaktionsschluss. Wenn sie den ausnahmsweise einhielt, hätte sie den ganzen Tag danach frei. Warum also nicht Donnerstag?

      Sigi und Brigid schielten auffällig unauffällig von der Tanzfläche zu ihnen herüber. Sigi hatte dabei ein dämliches Grinsen im Gesicht. Susan hob kurz den Kopf, als sie seinen Blick auf sich gerichtet spürte. Sie hatte mit Steve die Köpfe über den Handys zusammengesteckt, um ihre Kontaktdaten auszutauschen. Es war klar zu erkennen, was Sigi dachte. Jeder hätte es gesehen. Susan verdrehte die Augen und schüttelte ihren Kopf in Sigis Richtung.

      Nach dem Manhattan, den sie in einem Zug in sich hineingeschüttet hatte, kaum dass die Bedienung ihn vor sie hingestellt hatte, war sie selbst für das versprochene Tänzchen mit Ralf bereit. Wieder: Eins – zwei – tapp. Irgendein Discofox. Egal – der Manhattan hatte es in sich gehabt und Susan vertrug keinen Alkohol. Die erhoffte Wirkung war deutlich überschritten. Die Einsicht kam nur etwas spät.

      Kurz nach Mitternacht brachte Sigi die Drei nach Hause.

      Brigid und ihr Freund Holger würden am Donnerstag mit auf Tour kommen. Sigi hatte verschwörerische Blicke ausgesandt und Brigid den Ellenbogen in die Seite gerammt, als sie für den Ausflug zusagte. Sie verstand als einzige Susans Plan. Ralf musste ab Montag für den nächsten Monat zurück nach Fes und hatte keine Zeit, so gerne er mitgekommen wäre.

      Steve hatte ihr aufgeregt die Hand gedrückt, nochmals an ihren Ausflug erinnert und dabei mindestens fünf Mal mit dem Kopf vor und zurück gewippt. Susan war sich danach nicht sicher gewesen, ob sie sich auf die Tour freuen oder doch noch eine Ausrede erfinden sollte.

      Vor dem Tor des schmalen Riads, in dem sie wohnte, stieg Sigi sofort aus dem Wagen. Susan umarmte Brigid zum Abschied und küsste Ralf auf beide Wangen. Er begann selig zu strahlen. Bevor sie die hintere Türe des Wagens öffnete, sah sie sich nach allen Seiten um. Sie konnte nicht anders.

      Sigi wartete am Tor auf sie und lächelte ihr brüderlich entgegen. Sie kramte den Schlüsselbund aus ihrer Tasche und öffnete den obersten Riegel. Sofort begann Hasan hinter der schweren Holztüre zu bellen. Sie rief ihn, damit er verstand, dass sie es war, die nach Hause kam.

      »Kommst du kurz mit zum Haus?« Sigi nickte mit verbissenem Gesicht. Susan hatte ihm die beiden Zweitschlüssel gegeben und er kannte den Türcode. Er konnte das Tor von außen wieder verriegeln.

      »Klar bring ich dich rein!« Er lächelte ihr ritterlich zu, legte seinen Arm um ihre Schulter. Susan wusste um die Angst, die Sigi vor Hasan hatte. Obwohl der Hund ihn längst kannte und in Ruhe ließ. Seine Angst gegen die ihre, alleine über den dunklen Hof gehen zu müssen. Das rechnete sie ihm hoch an. Man konnte von Sigi denken, was man wollte, aber wenn man ihn brauchte, war er da. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass er jemals vor einem Freundschaftsdienst gekniffen hätte.

      Zwei Schlösser und einen Riegel später waren sie im Hof. Hasan stand schwanzwedelnd direkt hinter dem Einlass. Sigi wurde augenblicklich zum Zinnsoldaten, als der Hund ihn überglücklich begrüßte. Der Anblick von Hasans Gebiss würde ihn immer erstarren lassen. Zu dritt überquerten sie im Halbdunkel den Hof. Hastig drückte Susan auf den untersten Knopf neben dem bunt gemalten Namensschild von Yasid und Dilay. Eine einzelne, nackte Glühlampe flammte auf.

      »Such Hasan – such alles ab!«

      Mit einer ausladenden Handbewegung schickte Susan den Hund durch den Hof. Mit der Schnauze am Boden jagte der Mastiff den Rand des Patios entlang, lief um jede Säule und kam kurz darauf hechelnd und schwanzwedelnd erwartungsvoll zu ihnen zurück. Sie klopfte ihrem Bodyguard zärtlich die Flanke. Sigi hatte die Szene still beobachtet. Wäre hier während ihrer Abwesenheit wirklich jemand eingedrungen – der Hund hätte ihn längst bemerkt und zerfetzt. Das kaum hörbare Timbre in Susans Stimme, mit dem sie Hasan um den Hof gewiesen hatte, war ihm nicht entgangen. Es machte ihn traurig, wie ohnmächtig sie nach wie vor in ihrer Angst gefangen war. Konnte er sie jetzt damit alleine lassen?

      »Wirklich alles ok bei dir?« Susan nickte tapfer lächelnd.

      »Wirklich?« Beruhigend nahm er sie in seine Arme. Er hatte nicht die geringste Vorstellung davon, was sie durchgemacht hatte und noch immer durchmachte. Das war ihm bewusst. Er konnte ihr nicht helfen und das tat ihm in der Seele weh. Susan war in Sigis Augen ein verdammt gutes Mädel. Auf ein leises »Woww« von Hasan, ließ er sie trotzdem sofort los und verabschiedete sich zügig.

      »Kontrollierst du beim Abschließen bitte, dass alles zu ist, ja? Gute Nacht! Und: Danke!« Sigi winkte ihr im Gehen noch einmal kurz zu.

      »Und du Hasan, kommst mit mir nach oben!«

      Stolz trabte der Hund neben ihr zur Wohnung hinauf.

       Kapitel 3

      Susan schlief die Nacht erstaunlich gut. Selbst ihre Schlaftabletten hatte sie nach dem Clubbesuch vergessen zu nehmen.

      Mit gekreuzten Beinen saß sie am späten Vormittag bei einer Tasse Gewürztee, Frühstück und deutscher Tageszeitung auf ihrer Terrasse und blickte über die Dächer der Medina. Sie fischte mit den Fingern Obststücke aus einer Schale, während sie, noch etwas verpeilt, vor sich hinstarrte. Trotz der entspannten Nacht war sie müde. Ihre Augen waren nicht in der Lage, ausreichend zu fixieren. Ihr Blick verlor sich unscharf in der Ferne. Sie hatte eindeutig zu lange geschlafen.

      Normalerweise war sie zeitiger dran. Früher am Morgen waren die Temperaturen hier oben deutlich erträglicher. Inzwischen war es aber später Vormittag und die Morgenfrische war längst dabei zu staubiger Tagesglut zu werden. Vor der versteckte man sich besser hinter den dicken Steinmauern der Häuser. Dort dauerte es, bis die Hitze ungemütlich wurde. Und wenn, gab es in den Räumen Aircondition.

      Sie war das lange Ausgehen nicht mehr gewohnt. Das war prinzipiell nicht ihr Ding. Selbst vor Verlagspartys drückte sie sich regelmäßig mit kreativen Ausreden.

      In dieser Nacht war es fast drei Uhr, bis sie im Bett gelegen hatte. Der Manhattan hatte es in sich gehabt. Whiskey in Marrakesch war vielleicht auch eine blöde Idee gewesen. Sie entknotete ihre Beine aus dem Schneidersitz, lehnte sich nach vorne und stellte die Tasse auf das bunte Mosaiktischchen. Der Chai reichte nicht. Kaffee war heute eindeutig die geeignetere Wahl.

      Unten, in ihrer Küche, schaltete sie die Kaffeemaschine an. Übernächtigt wartete sie darauf, dass das dampfende Pfritt - Pfritt während des Hochfahrens, das ihr heute gehörig auf die Nerven ging, zu Ende war. Sie wollte sich endlich einen Espresso ziehen.

      Ihr Blick fiel dabei auf ihr Handy. Offenbar hatte sie es gestern Nacht neben dem Kühlschrank liegen gelassen.

      Das grüne Hörersymbol zeigte drei Anrufe in Abwesenheit, ein weiteres Zeichen eine neue Textnachricht an.

      Sie nahm einen, für den Espresso viel zu großen Becher aus dem Regal über der Spüle, und drückte zweimal auf den Knopf mit dem Zwergentasse-Symbol. Mit den Ellenbogen stützte sie sich auf der Arbeitsplatte auf. Durch ihre geschwollenen Lider sah sie dem dickflüssigen, schwarzen Strahl zu, wie er aus der Maschine in die Monstertasse floss. Ihr kam es vor, als ließe er sich heute extra Zeit, endlich Espresso zu werden.

      Mit der Kaffeetasse in der Hand schlurfte sie wieder zum Dach hinauf. Auf die stickige Luft in ihrer Wohnung hatte sie auch keine Lust, der gestrige Mief stand noch in allen Räumen. Sie hatte am Abend nicht mehr gelüftet. Jetzt war es draußen zu warm und sie musste den nächsten Sonnenuntergang abwarten. Der Ventilator an der Küchendecke half nicht wirklich. Er eierte die kaum atembare Hitze lediglich träge im Kreis herum.

      Noch auf der Treppe versuchte sie, das Handy mit der freien Hand zu entsichern. Bis das Telefon Netz gefunden hatte, legte sie es neben die Kaffeetasse und schob den bunten Schirm auf.