Der Zauber von Regen. Liliana Dahlberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liliana Dahlberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737534710
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die sich in der Diele befand, welche sie nun betreten hatten.

      »Ich wollte Sie schon lange etwas fragen, Herr Hansen«, meinte Priscilla. »Nichts gegen Gartenarbeit, aber warum haben Sie keinen Gärtner engagiert?«

      »Ich habe zu viele schlechte Krimis gelesen und hätte keine ruhige Minute mehr. Sie als Engländerin müssten das verstehen. Bevor hier Miss Marple und Mr. Stringer ermitteln müssen …«

      »Wie heißt es doch gleich?«, grübelte Priscilla, als würde sie nach dem richtigen Ausdruck suchen. Nach kurzem Überlegen hellte sich ihr Gesicht auf, und sie meinte: »Genau, man sagt: Ihnen sitzt wohl der Schalk im Nacken.« Sie brach in ein fröhliches Gelächter aus, das in der Diele widerhallte.

      Bernd tat es schon in den Ohren weh, und er überlegte, die Andeutung zu machen, dass nicht nur der ihm im Nacken sitzen würde, aber er besann sich. Er suchte Blickkontakt zu seiner Tochter, die ihm liebevoll zuzwinkerte, sich mit ihm solidarisierte und signalisierte, dass sie gemeinsam den Abend durchstehen würden.

      Sie gingen in das einladende Kaminzimmer. Die zierliche Stephanie betrat mit vielen kleinen Schritten den Raum, die Bernd ein wenig an den Gang eines Pinguins erinnerten. Er assoziierte mit diesem Gedanken auch seine Aufgabe für den heutigen Abend. Er würde wohl für alle den Ober spielen müssen. Rita erwartete wahrscheinlich, dass er seinen Gästen jeden Wunsch von den Augen ablas und wie üblich in der Küche tätig wurde. Das stellte zwar alles andere als eine gerechte Aufgabenteilung dar, aber es hatte sich so eingebürgert. Das Zubereiten des Essens sah er somit als eine Art Pflicht und das Dessert als Kür an. Er überlegte, ob Nadine sie vielleicht übernehmen könnte. Das mochte seine Frau mit Abzügen in der B-Note bewerten, aber das kümmerte ihn nicht weiter.

      »Wollen die Damen vielleicht vorab einen kleinen Martini trinken?«, fragte er höflich seine Gäste, die sich um den Teakholztisch gesetzt hatten.

      »Das ist eine tolle Idee«, sagte Miranda angetan. »Nach so einem langen Flug hat man sich das schließlich verdient.«

      »Finde ich auch«, stimmte Stephanie zu.

      »Ich wünschte, George Clooney würde ihn vorbeibringen«, sagte Priscilla verträumt.

      »Ich finde, dein Mann hat etwas von ihm«, erwiderte daraufhin Gabriella heiter.

      »Mit viel Fantasie kann man sich so einiges vorstellen«, bemerkte Rita spitz.

      »An der fehlt es dir bekanntlich ja nicht, meine Liebe«, konterte Bernd mit einem süß-säuerlichen Lächeln und reichte die Martinigläser, die Nadine zuvor schnell einschenkte.

      Sie wollte heute Abend mit ihrem Vater Hand in Hand zusammenarbeiten, ihm eine große Stütze sein, und hatte schnell nach der Martiniflasche in der Vitrine gegriffen. Sie wusste, dass sie sich dort befand, wie schon gut ein Jahrzehnt zuvor. Ihr Vater gönnte sich schon damals nach einem stressigen Tag in der Klinik oft ein kleines Schlückchen, und das hatte sich bis heute nicht geändert.

      Die Frauen nahmen die Martinigläser fast gierig entgegen. Nur Rita strahlte eine dezente Zurückhaltung aus. Nadine verzichtete auf das alkoholische Getränk, da sie es für ratsam hielt, an diesem Abend einen klaren Kopf zu behalten. Sie fühlte sich in der Verantwortung, schnell zu reagieren, wenn ihre Mutter und ihr Vater wieder aneinandergerieten.

      Miranda fragte Nadine sofort, warum sie keinen Martini wolle.

      »Ach, ich bevorzuge lieber einen guten Tropfen Wein«, entgegnete sie.

      »Ich würde gerne einen Toast ausbringen!«, unterbrach Priscilla fröhlich und riss das Glas so in die Höhe, dass sich ein paar Tropfen über den Rand verabschiedeten. »Auf das Leben!«, schrie sie laut und energisch.

      »Genau!«, stimmte Gabriella frenetisch mit ein.

      »Auf den Steward im Flugzeug!«, rief Stephanie zur Überraschung aller vergnügt.

      Sie erntete verwunderte Blicke aller Anwesenden im Raum.

      »Nun, er hat mir ein weiches Kissen gegeben, weil ich ihn darum gebeten habe. Schließlich wollte ich keine Verspannungen im Nacken bekommen. Auf jeden Fall hat er mich dabei auf diese besondere Art und Weise angesehen. Versteht, es war nicht nur irgendein Blick, ich habe etwas gespürt …«, erklärte sie.

      »Sicher, dass das nicht die Vibrationen des Flugzeugs waren?«, fragte Miranda nüchtern.

      »Macht euch nur lustig! Ich sage euch«, verteidigte sich Stephanie, »als sich unsere Hände dann auch noch berührt haben und er mir ein Käsesandwich reichte, war das pure Magie!«

      Bernd konnte nur mit Mühe verhindern, dass er vor Lachen laut herausprustete, und biss sich auf die Mundwinkel.

      »Habt ihr Handynummern ausgetauscht?«, fragte Priscilla neugierig.

      »Das wird an Bord sicherlich nicht gern gesehen, außerdem … es war ja nur so wenig Zeit«, antwortete Stephanie. Ihre erste Vermutung mochte stimmen, doch das andere Argument war alles andere als schlagkräftig, da sie zu vergessen haben schien, dass der Flug mit Zwischenlandung in Stuttgart gute acht Stunden gedauert hatte.

      Der Mann hat noch einmal Glück gehabt, überlegte Bernd und goss nun auch etwas von der Martiniflasche in sein Glas, weil er dachte, dass ein wenig Alkohol den Abend erträglicher machen könnte. Aber ob es eine gute Idee gewesen war, den Damen das Getränk zu offerieren? Sie würden wahrscheinlich noch redseliger. Eine ganze Kaskade von Geplapper könnte über ihn schwappen und Nadines Vater wünschen lassen, er hätte neben dem Seepferdchen auch seinen Freischwimmer gemacht.

      »Er ist sicherlich meinem französischen Charme erlegen«, sagte Stephanie, die gedanklich immer noch mit dem Flugbegleiter beschäftigt war, »oder ich habe ihn mit meinem neuen Parfum geködert. Mit dem dufte und wirke ich wie eine Rose.«

      Nadine setzte sich mit ihrem Vater ebenfalls an den Tisch. Dort kam es zu einem Streitgespräch zwischen Miranda und Stephanie.

      »Fakt ist«, sagte Miranda, »dein Flugbegleiter hat die Rose nicht gepflückt.«

      »Was soll das denn heißen?«, fragte Stephanie entrüstet.

      »Er hat an ihr gerochen und ist dann weitergegangen.«

      »Hätte er mir etwa noch im Flugzeug einen Heiratsantrag machen sollen?«, entgegnete Stephanie ungehalten. Man merkte, dass sie in Fahrt kam.

      »Er hätte dich ja immerhin nach deinem Namen fragen können …«

      »… und mit mir in Stuttgart von Bord gehen sollen, oder was?« Die Französin fing an, innerlich zu brodeln.

      »Beruhigt euch doch«, meinte Rita, »ich hingegen muss mich ständig Avancen von irgendwelchen Männern erwehren.«

      »Du bist ja so tapfer!«, entgegnete Bernd spontan mit einem verschmitzten Grinsen und nippte an seinem Martiniglas. Er hielt es nicht für möglich, dass Rita andauernd von attraktiven Männern angesprochen wurde, da sie mit ihren eisigen Blicken sicherlich eher so manchen in die Flucht schlug. Seit Rita das Kaminzimmer betreten hatte, glaubte er, die Temperatur im Raum sei um ein paar Grad gefallen.

      »Gewinn du nur weiterhin allem etwas Lustiges ab«, erwiderte Rita verärgert, »dass du seit meinem letzten Besuch wieder ein paar Kilos zugelegt hast, findest du wahrscheinlich auch witzig.«

      »Nein, ich bin mir über den Ernst der Lage bewusst«, meinte Bernd belustigt, »und der allmorgendliche Gang auf die Waage betrübt mich zutiefst. Dir hingegen muss ich ein Kompliment machen, denn du trägst jetzt wahrscheinlich schon Konfektionsgröße 34. Deine Haut-Couture- und Designerkleider werden jauchzen vor Freude.«

      Nadine schrie nun innerlich laut »Stopp!« und griff in das Geschehen ein.

      »Mutter, ich finde auch, dass du richtig gut aussiehst«, sagte sie und lächelte ihre Mutter freundlich an, womit sie in der Tat die Situation ein wenig entschärfen konnte.

      »Danke, das ist nett von dir«, entgegnete Rita geschmeichelt. Dann stellte sie eine Frage, die Nadines Gesichtszüge entgleisen ließ und beinahe eine kurze Schockstarre bei ihr