Der Zauber von Regen. Liliana Dahlberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liliana Dahlberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737534710
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die Uhr und sah, dass es kurz nach Mitternacht war, »… werde ich Sie jetzt zu Ihrem Hotel fahren. Ihre Zimmer warten sicherlich schon sehnsüchtig auf Sie.«

      »Herr Hansen, wir schlafen nicht im selben Hotel«, sagte Miranda.

      »Ist das so?«, fragte Bernd überrascht.

      »Gabriella und ich«, sagte sie, »wollen unbedingt im Ahnenhof übernachten. Diese zentrale Lage ist einfach herrlich. Außerdem liegt es trotzdem sehr ruhig und malerisch an der Kampener Heide.«

      »Priscilla und ich«, meinte Stephanie, »möchten auf jeden Fall im Landhaus Südheide die Nacht verbringen. Es ist ein ehemaliges Kapitänshaus. Das ist ja so aufregend.« Man merkte der Französin an, dass sie völlig ergriffen war. Ihre Augen strahlten begeistert.

      »Ihr Wunsch sei mir Befehl«, sagte Bernd, auch wenn er gern den zusätzlichen Sprit für seine Tour gespart hätte.

      Die Damen verabschiedeten sich von Nadine und Rita und begaben sich zum Ausgang. Die beiden hörten noch, wie das Gelächter der Frauen in der Diele widerhallte und dann verstummte.

      Nadine machte sich sofort daran, den Tisch abzuräumen, und trug alles in die Küche. Ihre Mutter setzte sich derweil mit der größten Seelenruhe auf die ausladende Couch, die ganz in der Nähe des Kachelofens stand. Ihr Zorn über das Essen schien vorerst verraucht. Sie griff über die Sofalehne, die mit einem feinen Gobelinstoff überzogen war, nach einer Illustrierten im Zeitungsbehälter und fing an, darin zu blättern. Sie wollte etwas über die neuesten Societyereignisse erfahren und wer zu welcher Party geladen hatte.

      Nadine war mit dem Abräumen fertig und der Tisch von jeglichem Gedeck befreit worden. Sie sagte zu ihrer Mutter: »Ich werde hier übernachten und gehe jetzt nach oben. Ich bin hier fertig. Gute Nacht, Mutter.«

      »Hast du auch schon die Tischdecke abgezogen?«, wollte Rita wissen. Sie war immer noch in die Zeitschrift vertieft und hob ihren Kopf nicht einmal hoch.

      »Das macht das Personal morgen«, entgegnete Nadine, über die Reaktion ihrer Mutter verärgert, und ging aus dem Zimmer.

      Rita war unverbesserlich. Das Verhalten, das sie an den Tag legte, ließ einen immer wieder von Neuem staunen.

      Nadines Mutter saß noch auf dem großen Sofa und las. Ihre hochhackigen Schuhe zog sie aus, und sie schlug ihre Beine vornehm übereinander. Sie griff nach einem der dicken Kissen auf der Couch, legte es hinter ihren Rücken und lehnte sich gelassen zurück. Plötzlich klingelte das Telefon, das sich im Zimmer auf einer kleinen Kommode aus Eichenholz befand. Rita fühlte sich jedoch nicht zuständig und dachte nicht daran, abzuheben. Sie ließ es noch ein paarmal klingeln. Dann sprang der Anrufbeantworter an.

      Der Text, der aufgesprochen wurde, ließ sie dann aber aufhorchen, und der Schreck fuhr ihr in die Glieder.

      »Hallo, Schatz, hier ist Anja. Ich wollte dich fragen, ob du morgen mit mir ausreiten willst. Es würde mich riesig freuen. Lass uns mit den Pferden über den Strand jagen und den Sonntag gemeinsam genießen. Melde dich bitte. Einen lieben Kuss, mein Kuschelbär. Bis dann.«

      Schatz? Mein Kuschelbär? Rita konnte es im ersten Moment nicht fassen und saß regungslos wie eine Skulptur auf der Couch. Dann kehrte das Leben in sie zurück, und sie sprang vom Sofa auf. Die Revue flog durch das Zimmer. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Es entstand eine Wut, die natürlich noch bei Weitem die über das Labskaus übertraf. Ihr Ehemann sollte sie noch kennenlernen! Sie fühlte sich in ihrem Stolz verletzt und gekränkt. Auch wenn jeder ihrer Ehe mit Bernd fehlende Liebe attestieren würde, so waren sie nun einmal seit geraumer Zeit verheiratet. Sie fand, dass dieser Ehebund einen gewissen Zweck erfüllte. Sie konnte bei gesellschaftlichen Anlässen einen Ehering vorzeigen, und ein Herzchirurg entsprach auch in gewissem Maße ihrem Stand. Dass sie ihr Ehegelübde zwar selbst schon einig Male infrage gestellt und als attraktive Frau bereits Korrespondenten und Börsenmakler als Liebhaber hatte, ließ sie außer Acht. Jetzt ging es schließlich allein um sie und ihre Ehre. Ihr Mann hatte sich also auf eine Frau namens Anja eingelassen.

      Bernd wird sich noch wundern und hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht, dachte Rita. Ein Sturm und ein Gewitter würden beginnen zu toben, sobald er zurückkehrte, und die Villa bis auf ihre Grundmauern erschüttern.

      Nichts ahnend betrat Bernd wenige Minuten später den Raum, nachdem er seine Mission erfolgreich erfüllt hatte und Ritas Freundinnen alle untergebracht waren. Er fand seine Frau stolz aufgerichtet im Kaminzimmer vor. Starr und eindringlich schaute sie ihn an. Bernd fand ihren Anblick einschüchternd. So hatte sie ihn das letzte Mal angesehen, als er tollpatschig ihre hochwertige Anti-Aging-Creme auf dem Sims im Bad zu Fall gebracht hatte, woraufhin das Glas geräuschvoll auf dem Boden zersprungen war. Am selben Tag gab er auch ihren Kaschmirpullover in die Kochwäsche — mit entsprechendem Ergebnis. Bernd sagte damals, dass ihre Enkel den Pullover ja noch tragen könnten, aber Rita explodierte, und ein Donnerwetter stand ihm ins Haus. Das würde sich nun in ausgeprägter Form wiederholen, denn diesmal stand mehr auf dem Spiel. Viel mehr.

      Rita fragte ihn mit sehr ruhiger Stimme und noch sehr beherrscht. »Gibt es etwas, was du mir vielleicht sagen willst?«

      Bernd dachte im ersten Moment an das Essen während der Dinnerparty und meinte: »Wenn es wegen des Labskaus ist, habe ich gedacht, dass du sowieso kein Wort mehr mit mir wechselst …«

      »Ach, wer redet denn davon«, unterbrach ihn seine Frau beschwörend, »ich passe mich ganz den Umständen an.«

      »Rita, ich bin müde, lass uns morgen weiterreden.« Er wusste nicht recht, worauf sie hinaus wollte.

      »Ich würde dir gerne eine Nachricht auf dem AB vorspielen. Sie könnte dich interessieren.« Rita ging auf die Telefonanlage zu und drückte die Abspieltaste. Ihren Blick löste sie nur kurz von Bernd, schaute ihm sogleich wieder tief in die Augen und nahm erneut die Haltung eines Zinnsoldaten ein.

      Bernd wurde blass um die Nase und schluckte schwer, als er Anjas Stimme hörte. Dann verhallten die letzten Worte der Nachricht, und er fragte sich, wo er Unterschlupf vor dem Gewitter suchen sollte, das sich nun entladen würde. Er wollte Rita eigentlich noch an diesem Wochenende seine Liebe zu Anja beichten, doch der AB war ihm nun zuvorgekommen, und er wünschte zutiefst, er hätte ihn nie installiert.

      »Ist da jemand, mit dem du mehr als nur die Liebe zu Pferden teilst?«, fragte seine Frau, und ihre Stimme begann zu beben.

      »Rita, ich wollte es dir noch sagen, dass es einen Menschen gibt, dem ich mich geöffnet habe und …« Er stockte.

      »Und was, Bernd? Dass du einfach unsere Liebe aufs Spiel setzt?«

      »Ich bitte dich, Rita«, sagte Bernd aufgebracht, »das, was uns verbindet, kann man schon lange nicht mehr Liebe nennen.«

      »Aber ich glaube, dass man es rein juristisch als Ehe bezeichnet! Ich habe jedenfalls nie vergessen, dass hier auf Sylt eine Familie auf mich wartet.«

      »Du sagst es, Rita: wartet. Wir haben immer gewartet, und das über Wochen und Monate. Willst du mir etwa erzählen, dass du all die Zeit über nicht lieber vergessen hättest, dass wir verheiratet sind?«

      »Du sagst es!«, brüllte Rita.

      »Das nimmt dir doch nicht einmal deine Mutter ab«, sagte Bernd. Seine Stimmlage näherte sich jetzt der seiner Frau.

      »Lass meine Mutter da raus!«, schrie Rita. »Was, glaubst du, hat uns die ganze Zeit zusammengehalten?«

      »Ich würde sagen, es war ein ganzes Stück Feigheit. Keiner von uns hat sich getraut, zu seinen Gefühlen zu stehen. Und wenn du mich fragst, diese Ehe ist nicht mehr zu retten! Jeder vernünftige Ehetherapeut würde bei uns das Handtuch werfen!« Bernd hatte die Wahrheit jetzt ganz deutlich ausgesprochen.

      »Du riskierst sehr viel für diese Anja«, stellte Rita zornig fest.

      »Das kannst du nicht verstehen«, sagte Bernd, und plötzlich wurden sein Blick und seine Stimme wieder sanft. »Sie liebt mich so, wie ich bin. Es ist die Frau, mit der ich morgens aufwachen und abends zu Bett gehen will. Sie lässt mich gewähren und baut keine Mauer vor mir auf. Ich