Der Zauber von Regen. Liliana Dahlberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liliana Dahlberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737534710
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Frauengespann stand wenige Augenblicke später vor dem kleinen Begrüßungskomitee.

      »Er ist nicht allein gekommen, sondern hat seine kleine Tochter mitgebracht«, sagte die Amerikanerin Miranda, die Nadine kannte, und lachte lauthals, »und er kultiviert immer noch seinen Schnurrbart, wie drollig.«

      Es war die Frau, die Bernd schon so manches Mal treffend stimmlich imitiert hatte. Sie war von schweren Ketten behangen, und mehrere Ringe glänzten an ihren Fingern, doch keiner von ihnen stand für eine Ehe. Darauf sollte man sie aber besser nicht ansprechen, das wusste Bernd. Sie trug ein dunkles Kostüm und eine große Brosche. Er war sehr verwundert, dass ihm an ihrem Revers ein Silberknopf entgegenblitzte. Damit gaben sich eigentlich hier auf Sylt all diejenigen zu erkennen, die noch des Friesischen mächtig waren. Da Nadines Vater ausschloss, dass Miranda nun auch diese westgermanische Sprache beherrschte, vermutete er, dass sie einfach ein wenig Verwirrung stiften wollte. Er hielt es aber auch für möglich, dass Ritas Freundin inständig hoffte, dass sie ein attraktiver Insulaner gesetzteren Alters auf »Sölring«, dem Sylter Dialekt des Friesischen, ansprach und aus ihrem ewigen Singledasein befreite.

      Nadines Vater ließ Mirandas Äußerung zu seinem Bart unkommentiert, obwohl er am liebsten erwidern wollte, dass er zu einer vom Aussterben bedrohten Spezies von Mann zählte, die früher zu viel »Magnum« gesehen hätte. Da er befürchtete, erneut mit ihrem schrillen Gelächter konfrontiert zu werden, sah er sich jedoch vor.

      Neben Miranda stand die temperamentvolle Italienerin Gabriella. In der Vergangenheit hatten Bernd besonders ihre detailreichen Erzählungen von Gott und der Welt den letzten Nerv geraubt. Sie war leicht untersetzt und trug ein weißes Sommerkleid von Donatella Versace. Eine Maßanfertigung. Die Modemetropole Mailand war ihr Zuhause, und sie hatte Bernd schon bei ihrem letzten Aufenthalt auf der Insel dazu eingeladen, sie und ihren Ehemann dort zu besuchen. Diesem Angebot war er bisher nie nachgekommen. Das würde sich auch nicht so schnell ändern. Gabriella hatte dichtes, gelocktes, langes Haar. Mit ihrer pechschwarzen Lockenpracht, die sie offen trug, entsprach sie ein wenig der Klischeevorstellung einer Italienerin.

      Mit geschürzten Lippen befand sich Bernds Frau an ihrer Seite. Ritas Kopf zierte ein kurzer Pagenschnitt, und ihre Haare waren in einem dunklen Braunton gefärbt. Ihr Gesichtsausdruck wirkte frostig. Sie trug einen cremefarbenen Zweiteiler von Joop und eine Kette aus Meersalzperlen um den Hals. Rita hatte Deutschland nicht ohne ihren Ehering betreten, auch wenn dieser wahrscheinlich nur eine Vorzeigefunktion erfüllte und sie mit ihm die Sylter, besonders diejenigen, die in Kampen wohnten, blenden wollte. Sie erblickte den kleinen Blumenstrauß in der Hand ihres Mannes.

      Er reichte ihn ihr und sagte mit einem erzwungenen Lächeln: »Ich freue mich, dich wiederzusehen.« Er kreuzte dabei die Finger seiner noch freien Hand, die er auf dem Rücken versteckte.

      »Schön, dass du da bist, Mutter«, sagte dann auch Nadine und merkte, dass der Satz ihr etwas schwer über die Lippen kam. Sie streckte die Arme aus, um Rita zu umarmen.

      Sie winkte ab. »Keine Gefühlsausbrüche, bitte. Die kann ich nach so einem langen Flug nicht gebrauchen.« Sie beäugte das Blumenbouquet näher. »Für einen größeren Strauß hat das Geld wohl nicht gereicht?«, fragte sie ihren Mann scharf.

      Dieser hatte mit so einer Reaktion gerechnet und blieb gelassen. »Du sagst es, Rita, das ist bei den Floristen kein richtiges Preis-Leistungs-Verhältnis mehr heutzutage.«

      »Ich finde den Strauß richtig reizend«, unterbrach Stephanie, ihres Zeichens französische Landsmännin und Absolventin der ehrwürdigen Sorbonne. Die Dame lächelte vergnügt und sagte: »Gib mir die Blumen, sie passen wunderbar zu meinem schwarzen Hosenanzug.«

      »Oh my dear, Schwarz passt ja wohl zu allem«, wusste die Frau neben ihr zu berichten. Sie hieß Priscilla, war Engländerin und in blauen Tüll gehüllt. Sie sprach sehr distinguiert und trug schwere Ohrringe von einem tiefen Azurblau, ihre Schuhe waren in derselben Farbe gehalten.

      Miranda, Gabriella, Stephanie und Priscilla vereinte, dass sie alle perfekt Deutsch sprachen und schon in den Botschaften ihrer jeweiligen Länder in Berlin gearbeitet hatten, bevor sie die Tätigkeit als Dolmetscherinnen bei der UNO aufnahmen. Sie waren somit sehr zum Leidwesen von Bernd wirklich nie um ein Wort verlegen.

      Er schlug vor, dass sie sich alle zum Ausgang begeben könnten. »So ein Flughafen hat natürlich auch seinen Reiz, aber Sie sind sicherlich gekommen, um Sylt in seiner ganzen Naturschönheit zu genießen und sich von dem geschäftigen Treiben der Stadt, die nie schläft, zu erholen. Also gehen wir doch zum Wagen, ich werde Sie chauffieren.«

      »Das ist aber nett von Ihnen«, sagte Miranda.

      »Ich würde eher sagen: selbstverständlich«, widersprach Rita und schaute ihren Mann fest an.

      Bernd meinte: »Mit einer richtigen Eskorte oder einer Luxuslimousine kann ich zwar nicht dienen, aber …«

      Seiner Frau dämmerte etwas und sie unterbrach ihn: »Sag bloß, du holst uns mit diesem alten Kleinbus ab. Dieser Emissionsschleuder!«

      »Ja, in der Tat, aber du solltest ihn in seinem stolzen Alter besser nicht kränken. Da deine Freundinnen mit dir angereist sind und mein Audi zu klein ist, konnte ich keine Rücksicht auf das Kyoto-Protokoll nehmen, und der Pferdetransporter schien mir wenig geeignet …«

      »Nicht zu fassen, dass du mir das zumutest und mit diesem versifften Ding hier aufkreuzt!«

      »Von wegen versifft, Rita! Abnutzungserscheinungen kann er eigentlich nicht haben. Er hat schließlich die ganze Zeit nur unsere Garagenwand angeschaut. Außerdem hab ich ihn damals für dich gekauft.«

      »Das ist mir bis heute noch ein Rätsel«, erwiderte seine Frau und schnaubte verächtlich.

      »Du hattest mal gesagt, dass du mit Freundinnen verreisen willst und …«

      »Und du glaubst, ich habe dabei an einen Bus gedacht? Wenn ich mit Freunden auf eine Reise gehen will, benutze ich das Flugzeug oder allenfalls die Bahn, und das auch nur in der ersten Klasse!«

      »Dann hättest du wie ich den Pilotenschein machen sollen«, entgegnete Bernd, und seine Stimme gewann an Volumen.

      Nadine sah die Zeit gekommen zu intervenieren: »Mutter, Vater hat es nicht böse gemeint und einfach gedacht, dass der Bus …«

      »Dass der Bus bei mir Nostalgie weckt, oder was?«, fragte sie barsch.

      »Nein, ich habe mir nur überlegt, dass er ja jetzt für den Zweck eingesetzt werden kann, wofür er mal gedacht war …«, ließ ihr Mann bedächtig anklingen.

      »Sagen wir es mal so: Der Bus belastet mich und die Umwelt!«, sagte Rita mit Nachdruck.

      »Tut mir leid, wenn ich dein Umweltbewusstsein trübe, aber sonst bin ich ja meist nur mit einer Pferdestärke unterwegs.«

      »Wie lange sind Sie denn schon mit Rita verheiratet?«, fragte Stephanie unvermittelt und etwas besorgt.

      »Mehr als fünfundzwanzig Jahre«, antwortete Bernd trocken und versuchte, mit einer wohltemperierten Stimme zu sprechen. Er raunte dann noch so, dass niemand ihn verstehen konnte: »Obwohl es ein gut gefühltes halbes Jahrhundert ist.«

      Nadine überlegte, wie sie der hochexplosiven Stimmung zwischen ihrem Vater und ihrer Mutter die Spannung nehmen könnte. Das war beinahe ein Drahtseilakt, und jedes einzelne Wort musste gut abgewogen werden, um das emotionale Gleichgewicht zwischen den beiden wiederherzustellen. Sie entschied sich dafür, die Sprache auf das anstehende Abendessen zu bringen, auch wenn sie nicht genau wusste, was ihr Vater letztendlich kochen würde. Mit einer kurzen Handbewegung versuchte sie, Rita und ihre Freundinnen zum Ausgang des Flughafengebäudes und zu dem ungeliebten Kleinbus zu lotsen.

      »Beeilen Sie sich, meine Damen, es wartet nachher noch ein Festmahl auf Sie«, meinte Nadine. Sie schraubte so zwar die Erwartungshaltung ihrer Gäste sehr hoch, aber sie glaubte, damit die Wogen erst einmal zu glätten, und sah es als gutes Lockmittel. Sie hoffte, ihre Mutter zu besänftigen, und fragte rhetorisch: »Darauf freust du dich doch auch schon, nicht wahr, Mutter?«

      Ihre Mutter setzte sich