Mitternachtswende. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738044980
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du.‹‹

      Zustimmend nickte sie und Carla fluchte innerlich, dass ihr der andere Gesprächspart verwehrt blieb.

      ››Meine Schwester freut sich sehr darauf, dich wiederzusehen. Wie du weißt, konnte sie mich ja leider nicht begleiten. Einer von uns beiden musste ja‹‹, verstohlen schaute sie hin und her, ››das Problem im Auge behalten.‹‹

      Tief schluckte Carla und verzog die Lippen, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Wovon redet die Frau? Stellte sie etwa in deren Augen ein Problem dar? War sie deshalb nicht eingeweiht worden, wohin Celest verschwunden war?

      Auf einmal wurde ihr mulmig und übel. Schwindel bohrte sich aufs Neue einen Weg und wollte sie auf den Boden ziehen, doch sie hielt sich lediglich die Hand vor den Mund. Blitzschnell und lautlos nahm sie die Treppen in ihr Badezimmer. Vergessen waren die Einkaufstaschen und ihre neu errungenen Schätze. Selbst die restlichen Worte interessierten sie nicht mehr, denn sie glaubte etwas erfahren zu haben, was die Angst wie pure Lava hoch brodeln ließ.

      Das Bad war schlicht, aber chic. Dennoch hatte Carla nie einen Nutzen in diesem Raum gesehen. Eine Badewanne und eine kleine Dusche, die sie nie benutzt hatte, weil sie das Wasser sowieso nicht erwärmen konnte, gehörten unweigerlich dazu. Ein Spiegel mit Becken davor, was sie ebenfalls als nutzlos erachtete, da sie einen Schminkbereich in ihrem Zimmer hatte, durften natürlich nicht fehlen. Doch gerade in diesem Moment war das Becken mehr als verlockend; sie brauchte es!

      Eilig beugte sich Carla darüber und stützte sich mit den Händen ab; stets darauf bedacht mit ihrer Kraft das Porzellan nicht zu beschädigen.

      Ihr Magen zog sich zusammen und ein widerliches Geräusch erfüllte das Bad. Die Fliesen warfen es zu ihr zurück wie Echos. Ihr Mund öffnete sich reflexartig und wollte sich dem Kampf ergeben, aber nichts geschah. Unzählige Male gurgelte es durch ihre Kehle und trotzdem konnte sie sich nicht übergeben. Alles verharrte an Ort und Stelle und weigerte sich ihren Körper zu verlassen. Wie sie dieses Gefühl verabscheute! Damals im Zug mit diesem ungehobelten Holzklotz von Chui war es schon eine Qual gewesen, Sarah nur dabei zuzuschauen, hier es selbst durchmachen zu müssen, war unbeschreiblich abartig.

      Da stellte es nur ein geringer Trost dar, das nichts ihren Körper verließ. Trotzdem dauerte der Kampf gefühlte Stunden. Lediglich der Speichel tropfte von ihrer Unterlippe und weigerte sich nicht.

      Als sich ihr Körper langsam beruhigte und die Erschöpfung eines langen Marathons einhielt, drohte Carla in sich zusammenzusacken. Mit krankhaften Augen schaute sie in ihr Spiegelabbild. Sie sahen roter aus, als jemals zuvor; dunkelrot, wie Blut. Der Glanz war verschwunden. Die Ränder hatten an Intensität zugenommen und sahen mehr als unmenschlich aus. So konnte sie sich nicht einmal mehr mit einer Sonnenbrille in der Öffentlichkeit zeigen. Selbst die Behauptung, sie habe Nächte lang nicht geschlafen, würde einen Menschen nicht mehr täuschen können. Dicke, blonde Strähnen fielen in ihr Gesicht und klebten sich schweißtriefend daran fest. Sie schwitzte und konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, ob diese Eigenschaft ihr überhaupt schon einmal zu Teil geworden war.

      Sie beugte sich vor, um näher am Spiegelbild zu sein und sich zu vergewissern keiner Lüge aufgelaufen zu sein. War sie das? So zerbrechlich, kränklich und ängstlich?

      Laut begann Carla zu schniefen, denn die Erinnerung des teilweise belauschten Gespräches kam wieder hoch. Es vermochte den körperlichen Schmerz in Sekunden bei Seite zu fegen wie ein mächtiges Gewitter, aber trotz alledem seelischen hervorbringen, die ihre Welt komplett aus den Fugen riss.

      Carla war sich nicht ansatzweise sicher, welcher Schmerzen sie schlimmer traf. Doch eine Erkenntnis war standhaft und stelle alles andere in den Schatten. Es war schwer sich diese einzugestehen. Wie ein Gift lähmte es, brachte sie durcheinander und sprach eine tödliche Drohung aus.

      Celest schien ihren körperlichen Zerfall auch ohne Berührung bemerkt zu haben. War es so offensichtlich? Wusste sie vielleicht schon längst, dass sie nicht mehr Sarah war? Dass eine andere Seele diesen Körper benutzte?

      Ihr Herz schien zu brennen und sandte die Angst und den Schmerz in alle Richtungen aus. Was drohte ihr nun? Konnte es wirklich noch schlimmer sein, als die Wahrheit, dass ihr Körper starb? Dass sie ihn regelrecht zerstörte?

      Es knirschte und kratzte. Geschockt zuckten die Hände nach oben. Das Becken war ein paar Zentimeter nach unten gerutscht. Nachdem sie losgelassen hatte, quietschte es und klappte ein Stück nach vorne über. Carla hatte ihre Kraft nicht unter Kontrolle. Wenige Sekunden musterte sie das aus der Verankerung gerissene Waschbecken. Kopfschüttelnd trat sie einen Schritt zurück und drohte zu kollabieren. Die Luft erschien so dünn in diesem Raum. Auch wenn ihr Verstand sie nicht mehr mit schrecklichen Fragen bombardierte, keuchte sie unaufhörlich.

      Der Ton vergewaltigte ihre Ohren, doch das war ihr gleich, denn es ließ alle Gefühle verebben. Jetzt war sie leer. Eine Hülle ohne Gefühl und somit auch ohne Angst. Einatmen, ausatmen; keuchend, schwer.

      Mit einmal schien sie nur noch das Keuchen am Leben zu halten. Sie brauchte Luft; unglaublich viel Luft!

      Plötzlich knickten ihre Beine, wie zwei dünne Holzstäbchen, weg und sie ergab sich der Schwerkraft. Unsanft fühlte sich die Landung auf ihrem Po an. Sie spürte die Wucht, die vibrierend durch ihren Körper schoss. Hinter ihr befand sich die Badewanne, die ihr Halt gab. Markant drückten sich die Fliesenränder durch ihre Kleidung.

      Carla spannte sich an, wollte wieder aufstehen und versuchte sich an der Wanne hoch zudrücken, doch es hatten sich bereits imaginäre Wurzeln gebildet, die sie fest im Griff hatten.

      Carla schüttelte den Kopf. Das alles durfte nicht wahr sein! Warum gerade jetzt? Warum musste dieser Körper gerade jetzt aufgeben? Sie wollte nicht glauben, dass es an ihr lag! Sie musste kämpfen! Kämpfen, gegen alles und jeden, der ihr gefährlich werden würde. Auch wenn sie nicht wusste, mit wem Celest gesprochen hatte, war ihr dennoch klar, dass dieser Jemand kurz vor Weihnachten vorbeikommen wollte. Bis dahin musste sie versuchen diesem Verfall entgegen zu wirken. Irgendwie! Und dann würde sie es diesem Jemand zeigen! Egal, was man gegen sie auffuhr, sie wollte vorbereitet sein. Niemals würde sie wie Sarah es nur zu oft getan hatte, davonlaufen und flüchten. Nein!

      Doch was sich hinter diesem mysteriösen Besucher verbarg, würde ihre gesamten Vorstellungen in den Schatten stellen...

      Das Erwachen

      ››Deine Koordination ist einfach nicht dafür gemacht‹‹, sagte Gray und lachte kehlig. ››Vielleicht sollten wir ihm einen Bildschirm als Baumkrone aufsetzten, dann kann er sicherlich mehr damit anfangen!‹‹

      Marc stand vor der Wohnzimmertür und versuchte den überdimensionalen Weihnachtsbaum durch die Tür zu wuchten. Auch wenn die Tanne in ein schützendes Netz gewickelt war, sah der Boden unter seinen Füßen aus wie ein Nadelschlachtfeld.

      ››Das passt einfach nicht!‹‹, fuhr er Grayson an und schnaubte vor Wut. ››Wer kam überhaupt auf die glorreiche Idee dieses Monstrum zu kaufen?‹‹

      ››Ich‹‹, sagte Celest und verschränkte abwertend die Arme vor der Brust.

      ››Na super,... und wieso versuchst du dann nicht dein Baby ins Wohnzimmer zu bekommen, wenn du der Meinung bist, das das hier durch passt?‹‹ Marc hielt inne und schaute missmutig drein.

      ››Ganz einfach‹‹, sagte sie und grinste breit, ››weil du hier von allen am wenigsten im Haushalt machst.‹‹

      Marc grummelte und seine Augenlider fielen weit nach unten.

      In den letzten Minuten hatte sich die gesamte Familie im Wohnzimmer eingefunden, um diesem Schauspiel zu frönen.

      ››Na ja, außerdem ist mir zu Ohren gekommen, wie lautstark du meine letzte Abwesenheit … hm …, wie soll ich sagen?‹‹, Celest tippte sich nachdenklich mit dem Finger auf die Lippen, doch jeder konnte sehen, dass sie bereits wusste, was sie sagen wollte. ››Ach ja, wie lautstark du meine letzte Abwesenheit untermalt