Infiziert : Die ersten zehn Tage. Felix Fehder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Fehder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742793355
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waren ja nicht da“, sagte Michael Ascher. Seine Stimme rasselte. „Diese Krankheit – ich spüre sie.“

      „Was tun wir jetzt?“, fragte seine Kollegin.

      Jan wusste es nicht. Wenn dieser Mann wirklich an der Seuche aus der Fabrik erkrankt war, konnte man nicht viel tun. Er wusste ja nicht einmal, worum es sich dabei handelte.

      „Haben Sie Schmerzen?“

      „Nein.“

      „Was zur Hölle tun wir jetzt?“, fragte die Polizistin nochmal.

      „Es war nicht falsch, dass wir geschossen haben“, flüsterte ihr Kollege. „Wir … wir mussten.“

      „Schon gut, Michael. Denk jetzt nicht darüber nach.“

      „Du musst sie erledigen, hörst du? Alle!“

      „Beruhige dich.“

      „Nein .. ALLE … diese Sache – das ist schlimmer als wir dachten. Versucht nicht, sie zu retten. Hörst du?“

      „Michael – es ist ok.“

      „Nein … nicht ok … HÖRST DU!“

      Das letzte schrie er, dann brach er zusammen und war ohnmächtig. Jan fühlte seinen Puls, als die Tür aufflog.

      „MEIN MANN BRAUCHT BEHANDLUNG“, quietschte eine blondierte, stark geschminkte Frau, ihren Mann am Arm hinter sich herziehend.

      „Jetzt nicht.“

      Jan ging der Frau entgegen und stellte sich ihr in den Weg.

      „Aber er ist INFIZIERT“, kreischte sie.

      Jan tat sein Bestes, um ruhig zu bleiben.

      „NEIN, Sie müssen jetzt ...“

      „HILFE!“

      Jan wirbelte herum. Der Polizist auf der Liege bäumte sich auf, seine Kollegin bemühte sich ihn unten zu halten. Sie hatte ihn an den Schultern gepackt und versuchte, ihn auf die Liege zu drücken. Jan sprang zum Schrank, griff eine Spritze und zog ein starkes Beruhigungsmittel auf. Die Polizistin rang mit ihrem Kollegen. Beim Versuch dazwischen zu kommen, bekam Jan einen Ellenbogen ins Gesicht, schaffte es aber schließlich die Nadel in den Arm seines tobenden Patienten zu stechen. Er trat von der Liege zurück und legte die leere Spritze weg. Das sollte genügen.

      „Ok, Sie können ihn loslassen!“

      Die Polizistin gab ihren Kollegen frei und trat ebenfalls einen Schritt zurück. Michael Ascher saß einen Moment da und wackelte mit dem Oberkörper, als könne er die neue Freiheit nicht glauben. Jetzt fallen ihm gleich die Augen zu. Der Polizist wogte vor und zurück, dann stieß er ein langes Grunzen aus und stürzte aus dem Bett in Richtung Tür.

      Die Frau im Rahmen kreischte.

      Martina warf sich auf ihren Kollegen und rang ihn zu Boden. Jan ging zur Liege, zog darunter eine Bettpfanne hervor, machte einen Schritt auf die am Boden kämpfenden Polizisten. Und drosch Ascher die Bettpfanne auf den Schädel. Es herrschte sofort Ruhe. Der infizierte Polizist regte sich nicht mehr und seine Kollegin rappelte sich langsam hoch.

      Die Frau in der Tür überwand als erste den Schock: „Wie können Sie nur? Ich werde Sie melden.“

      Jan hob die Bettpfanne und ging auf sie zu. „Raus hier“, fauchte er. Sie verschwand endlich.

      Jan kniete sich neben den Polizisten und fühlte seinen Puls.

      „Er ist nur ausgeknockt, keine Sorge.“

      Die Kollegin des Bewusstlosen blieb vollkommen ruhig. „Sie müssen mir helfen ihn zu fesseln.“

      „Was?“

      „So kann ich ihn nicht transportieren und hier kann er nicht bleiben.“ Die Polizistin hatte eine Schublade aufgezogen und holte eine Rolle Verbandszeug hervor.

      „Ich habe grade einen Polizisten nieder geschlagen und nun soll ich seiner Kollegin helfen, ihn zu fesseln!?“

      „Helfen Sie mir nun oder nicht?“

      „Er ist sehr krank. Wo wollen Sie mit ihm hin?“

      „Jedenfalls nicht hierbleiben – Sie verstehen das nicht, noch nicht. Er ist eine Gefahr, er wird kränker werden – anders werden – hungrig.“

      Sie nahm ihre Handschellen vom Gürtel und fesselte dem Mann die Hände.

      „Helfen Sie mir mit den Beinen.“

      Sie nahm ein Bein, bog es ihm auf den Rücken und hielt es Jan hin.

      „Festhalten.“

      Während Jan das Bein hielt, wickelte sie den Verband um die Beine ihres Kollegen und verband die Enden mit der Kette der Handschellen.

      „Ist das nicht übertrieben?“, fragte Jan.

      „Ich weiß wie stark er ist, glauben Sie mir. – Jetzt der Kopf.“

      Ein fragender Blick von Jan.

      „Wir brauchen einen Beutel oder sowas.“ Sie riss wieder Schränke und Schubladen auf. Bevor sie alles in Chaos verwandelte, half Jan ihr lieber:

      „Sowas?“ Er hielt einen Stoffsack hoch, in dem vorher Schläuche und Kanülen gesammelt worden waren. Die Polizistin nahm ihn und zog ihrem Kollegen den Sack über den Kopf.

      „Nur noch festziehen.“ Sie nahm wieder die Verbandsrolle und wickelte sie um Sack und Hals. Dann stemmte sie den Fuß gegen den Kopf und zog mit ihrem ganzen Gewicht an dem Band.

      „SIE BRINGEN IHN JA UM.“

      Sie stoppte und verknotete das Band. „Keine Sorge. Das ist sein geringstes Problem.“

      Jan schüttelte den Kopf und suchte nochmal die Schlagader des Mannes.

      „Er hat kaum noch Puls.“

      „Können Sie einen Rollstuhl besorgen?“

      „Was?“

      „Einen Rollstuhl. Schnell, wenn es geht.“

      Jan wurde klar, was sie vorhatte und verschwand aus der Tür. Er rannte über den brechend vollen Flur, rempelte fast ein paar Leute zur Seite und fand in einem Lagerraum einen Rollstuhl. Das Teil vor sich her schiebend raste er zurück. Die Polizistin war schon wieder an den Schränken zu Gange und steckte eine Schachtel Tabletten in ihre Jacke. Jan sagte nichts dazu und gemeinsam wuchteten sie den noch immer bewusstlosen Körper in den Rollstuhl. Die Polizistin zog ihre Jacke aus, legte sie über ihren Kollegen um ihn vor neugierigen Blicken zu schützen und wandte sich zur Tür.

      „Danke für alles Doktor.“

      Sie schob den Rollstuhl auf den Gang und verschwand hinterher. Jan sah ihr nach, wie sie sich durch die Menge der Wartenden schlängelte. Um ihn herum guckte er in erwartungsvolle Gesichter. Er seufzte. „Der Nächste bitte.“

      Jan diagnostizierte noch etliche Male „Nicht-infiziert-nur-Grippe/Fieber/etc“. Dann, endlich, endlich erschien ein Kollege, um ihn abzulösen.

      „Notaufnahme ist auch nicht mehr das, was es mal war“, gab er ihm als Hinweis mit auf den Weg. Der Arzt verzog resigniert das Gesicht.

      Jan fand, er habe sich seinen Feierabend heute wohl verdient, wollte aber vorher noch schnell nach der schwangeren Frau sehen, die er heute aufgenommen hatte. Als er ins Zimmer trat, fand er Lara Mühler aufrecht im Bett sitzend und auf den Fernseher starrend.

      „Hallo Frau Mühler – darf ich.“

      Sie winkte ihn näher heran und deutete auf den Bildschirm.

      „Sie senden nicht mehr.“

      Jan sah auf den Fernseher, der ein blaues Bild mir weißer Schrift zeigte.

      „Der Sendebetrieb wurde eingestellt. Der Bevölkerung wird geraten, im Haus zu bleiben. Aktuelle Warnungen und Sicherheitshinweise