Aus der Eiszeit stammendes Schmelzwasser bahnte sich damals in breiten Tälern seinen Weg von Osten nach Westen und es entstand das Havelgebiet. Der Busch war einst schwer passierbares Grenzgebiet nach Sachsen. Die alten Heerstraßen in der Heide, der Bau der Chaussee und Eisenbahn hatten das Gebiet verändert. Diese gewaltigen Umwälzungen fanden tatsächlich an unserem Dorfrand statt, wobei die Dorfgrenze auch eine Ländergrenze darstellte.
Die neu erschlossenen Ackerstücke von Berndorf führten daher auch geschichtsträchtige Namen. In der Ferne arbeiteten Bauern in der Bauernheide, der Kossätenheide und der Herrenheide. Weiter zum Dorf hin gab es die vordersten Lehmruten, die Buchtenden und die Galgenenden.
Die Fuhrwerkswege vom Dorf verliefen zur Autobahnbrücke oder in den Busch und waren ziemlich eng. Manchmal konnten zwei volle Wagen nicht aneinander vorbei. Die Heufuhren kamen ins Rutschen, der Gesprächsstoff für das Dorf war geliefert. Der Dorftratsch blühte wieder auf und zog in Windeseile von Haus zu Haus.
Diese Haltung schien regelrecht vererbt, denn alle Nachbarn mussten von jeher zusammen halten und die Informationen kamen immer nur durch das Reden über Andere zustande. Vor allem hinter dem Rücken der Betroffenen und wenn eine Familie neu ins Dorf gezogen war. Der Hauptumschlagplatz für diese Geschichten war der Laden, in dem man sich täglich zum Einkaufen traf.
Die Bauern nutzten gerade verlaufende Trampelpfade zum Dorf, welche über Acker und Felder verliefen, querfeldein lagen, um vom Hof zu ihrem Feld zu kommen. Im Sommer meistens trocken und glatt, passten diese Wege ihren Zustand der Jahreszeit an und konnten matschig oder hart gefroren sein.
Sie führten auch über Getreidefelder und zerteilten Wiesen, machten Abkürzungskurven, wenn es nötig schien oder, wenn Felder neu angelegt wurden, konnte so ein Weg über Nacht verschwunden sein. Dann gab es verdutzte Gesichter oder lautstarkes Fluchen, je nach Temperament der Betroffenen.
Hatte man sich an einen Weg gewöhnt, kostete es Mensch und Tier manche Mühe, Umwege zu machen und sich neu einzustellen. „Er steht da wie der Ochse vor dem neuen Scheunentor, “ hieß es dann.
Um die Mittagsstunde des warmen Augusttages lagerten die Dorfleute jeweils in der Nähe von ihren Feldstücken unter Eichenbäumen, die an den Wegrändern wuchsen, im weichen Gras. Man zählte das vierte Jahr in Friedenszeiten.
Die Arbeit ruhte in der Hitze einige Zeit, Harke, Mistgabel oder Kuhgespann waren abgestellt. Ein feiner Wind ließ die Eichenblätter rauschen. Auch einige wenige Kinder saßen abseits im struppigen Gras, nutzten den Schatten der Eichen und suchten vierblättrige Kleeblätter, die Glück bringen sollten. Männer, Frauen und Kinder ließen sich die Klappstullen schmecken, schoben sie zwischen die Zähne, spülten mit Malzkaffee nach und wischten die Brotkrümel von den Arbeitsjacken oder den nackten Oberkörpern.
Nach der Rast ackerten sie weiter auf ihren Feldern bis zum späten Abend, während die Sprösslinge sich neckten, Haschen spielten oder die Kleinsten am Schlafittchen nahmen und mit sich schleppten.
Das zu trocknende Gras wurde im Tageslauf mit dem Rechen mehrmals gewendet. Am Abend fertigte man kleine Haufen. Am anderen Tag wurden diese Grasschwaden auf die tautrockene, gemähte Wiese wieder ausgestreut, im Laufe des Tages das liegende Gras mehrmals umgewendet und abends wieder gehäuft. Dasselbe geschah am folgenden Tag mit dem bereits trockenen Gras nochmals. Die abends geschichteten Heuhaufen waren jetzt schon bedeutend größer. Wenn das Heu zur Einfahrt geeignet war, brachte der Bauer mit seinen Pferden manchmal gleich zwei zusammengehängte Leiterwagen auf die Wiese. Dabei hatte er auch die großen dreizinkigen Heugabeln zum Aufladen. In diesen Jahren gab es kaum Pferde. Sie waren unter den Opfern des Krieges zu suchen. Die Zucht brauchte Zeit und ausgeruhte Tiere. Wer noch im Besitz eines oder sogar zwei dieser vierbeinigen Schätze war, verborgte sie nicht oder nur sehr ungern. Meist hatten die Bauern jedoch zwei Kühe vor einem Heuwagen.
Nun konnte das Aufladen beginnen. Beim Bepacken stand ein Mann auf dem Wagen und schichtete die gereichten, aufgespießten Heuhaufen fachgerecht. Die Kinder mussten nachrechen. Die gesamte Fuhre harkte der Bauer persönlich am Ende nochmals sauber ab, denn sie sollte eine schöne, gerade Ladung sein.
Krumme Heufuhren wurden belacht, und der Bauer war froh, wenn er möglichst ungesehen die Scheune erreichte.
Daheim hatten die Frauen und Kinder das Heu auf dem Heuboden festzutreten. Das Herumtrampeln auf dem warmen Heu in der Scheune bei der großen Hitze war natürlich mühevoll sowie eine unbeliebte Tätigkeit und ließ den Schweiß rinnen.
Bei beständigem und schönem Wetter konnte man das gesamte Heu in 14 Tagen einbringen, allerdings unter der Bedingung, täglich Gras zu mähen und getrocknet heimzufahren. Es waren meist einige Wiesen gleichzeitig zu bearbeiten. Das bedeutete Stress und Hetze für die Bauern. Bei schlechtem und ungünstigem Wetter dauerte es bis zu vier Wochen und oft noch länger. Am Ende des Tages luden die Landwirte ihre Arbeitsgeräte auf, platzierten die Kinder auf den Leiterwagen und spannten die Tiere an. So zockelten Mensch und Tier in ihre Höfe. Die Leute waren mit den Gedanken schon in den Ställen beim Füttern der Tiere und Ausmisten der Ställe.
Beängstigend war es, wenn die Heuarbeiten von einem herannahenden Gewitter gestört wurden. Der dann oft einsetzende mächtige Wind behinderte die Ladearbeiten, und der nachfolgende Regen machte die ganze vorige Arbeit nutzlos. Wie man sieht, brachte die Heuernte für das bäuerliche Landvolk insgesamt eine übergroße Hetze mit sich.
Unschwer zu erkennen ist daher, dass sie für eine werdende Mutter in den letzten Wochen völlig ungeeignet ist. Nun besaß meine Familie kein eigenes Pferd. Mutter hatte daher an diesem heißen Augusttag die beiden Kühe vor einen hohen Leiterwagen gespannt und war in den frühen Morgenstunden mit ihren beiden Söhnen ins Heu gefahren. Ihr Stück Wiese lag dicht am Busch, gleich hinter dem Vertauschungsfleck und hieß die Siebenruten.
Es war ein Donnerstag. Die Kinder hatten Ferien und zeigten sich als eine gute Hilfe für die Mutter beim Nachharken und Zügeln der Tiere.
Der Vater begann seine Arbeit als Schmied schon im Morgengrauen gegen sechs Uhr in der Dorfschmiede. Er schärfte die Pflugschare der Bauern und reparierte ihre Eggen, Heuwender, Häckselmaschinen oder die Zinken der Heugabeln.
Er traf gewöhnlich nach seiner ersten Schicht am späten Nachmittag mit dem Fahrrad auf dem Feld ein, um der Mutter zur Seite zu stehen. Heute war ein besonderer Tag für die vierköpfige Familie. Mutter wartete schon einige Tage auf ihr drittes Kind. Trotzdem fuhr sie wie an den vergangenen Tagen in die Heuernte und begann, das in Schwaden liegende Heu aus seinen langen Reihen zu kleinen Haufen zusammen zu harken. Die beiden Jungen halfen ihr mit dem Rechen und den Zügeln wie gewohnt. Als es Zeit wurde aufzuladen, bekam sie das Ziehen im Bauch, welches sie bereits seit dem frühen Morgen gespürt hatte, in kurzen Abständen und immer heftiger.
Der Wagen war zur Hälfte gefüllt. Sie gab Anweisungen, wie der Große ihr das Heu zureichen sollte. Schwerfällig begab sie sich dann auf die erste Stufe des Wagens. Ehe sie aber auf die Heufuhre klettern konnte, um den oberen Teil fachmännisch zu laden, wurden plötzlich ihre Kleider nass. Erschrocken glaubte sie, ihr Kind hier auf der Wiese zu bekommen. Schweiß trat auf ihre Stirn. Zitternd vor Erregung entschloss sie sich, schnell zu handeln. „Junge, lauf über die Wiese und hinten an den Gärten vorbei in die Schmiede. Sag dem Vater, er soll schnell kommen. Es geht jetzt los“, rief sie dem Älteren zu. Sie zeigte auf ihren großen Bauch und beide Jungen machten erstaunte Gesichter. Der Große fasste sich ein Herz und rannte in die Schmiede.
Der Vater und unser Nachbar kamen so schnell es ging im Einspänner mit einem braunen Pferd davor. Die Mutter wurde vorsichtig auf den Wagen gesetzt. Der Schneidermeister verborgte heute Pferd und Wagen zu diesem Ereignis und fuhr sein Gefährt gleich selbst zur Wiese, für alle Fälle. Dann half er den beiden Jungen mit dem Heu, während die Kutschfahrt der Eltern in die kleine Kreisstadt führte, nur eine Handvoll Kilometer entfernt. Für Mutter, deren Wehen nun regelmäßig in wenigen Minuten kamen, schien dieser Weg kein Ende zu nehmen. Sie