Tochter des Schmieds. Lieselotte Maria Schattenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lieselotte Maria Schattenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Heimkehrerkind
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742773852
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      Lieselotte-Maria Schattenberg

       Tagebuchroman

      Aus meinem Leben:

      - Erinnerungen, Bilder und Gedanken

Grafik 24

      Neobooks

      Oktober

       Die Wolken hängen schwer am regennassen Himmel

       und auf den Wiesen grasen noch die Rinder.

       Es ist Oktober, Blätterfallgewimmel.

       Ich seh´ die Tage, als wir waren unbeschwerte Kinder.

       Als ich mit sieben auf dem Rad zur Koppel fuhr,

       ließ alle Kühe vor mir her nach Hause streben.

       Die Eltern und Geschwister hatten Erntearbeit nur.

       Es ist Oktober - auch in meinem Leben.

       Ich träume oft vom Acker und vom Wind, der weht.

       Längst ist vergangen diese Zeit der Kinderlieder.

       Das Rad des Lebens hat sich nun gedreht.

       Jetzt singen meine Enkel diese Lieder wieder.

       Wir fliehen vor dem Wetter in die Stadt.

       Begleiten werden mich nur die Gedanken

       an eine Zeit der Armut, die für mich auch Reichtum hat.

       Ich werde schreiben, worum die Gefühle ranken.

       Lieselotte Maria Schattenberg 2017

Grafik 11

      Wie beneide ich den Schmied an seinem Amboss,

      den Tischler an seiner Werkbank!

      Jeder Handwerker

      scheint mir der glücklichste Mensch:

      Was er zu tun hat, ist ausgesprochen,

      was er leisten kann, ist entschieden.

      Johann Wolfgang von Goethe

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      Familie 1955 im Garten der neuen Heimat

       Vorwort

      Die kindliche Ich-Erzählerin Lieselotte, ein begabtes, aber auch sensibles Mädchen, das im Alter von sieben Jahren in eine Dorfschule im Fläming eingeschult wird, erlebt die Nachkriegszeit in ihrer verarmten, um das tägliche Überleben kämpfenden Flüchtlingsfamilie. Die Mutter, am Kriegsende mit zwei Jungen geflüchtet aus Polen, kommt bei einem wohlhabenden Bauern unter, der sie wie eine Dienstmagd behandelt. Der Vater, krank und gebrochen aus russischer Kriegsgefangenschaft in einem Gefangenenlager in Westsibirien entlassen, findet über das Rote Kreuz seine Familie. Die Eltern werden dieses Trauma nie überwinden. Als nach dem ungewollten Mädchen Lieselotte noch ein Geschwisterkind, wieder ein Junge, geboren wird, scheint die Familie mit ihren Kräften am Ende. In aufopferungsvoller Weise schafft sie es, die vier Kinder und schließlich auch die inzwischen wiedergefundenen Großeltern sowie Vaters jüngste Schwester am Leben zu erhalten. Doch zerbricht das Glück der Familie letzten Endes an den Entbehrungen und an der unbewältigten Vergangenheit. Die Mutter wird lungenkrank und kann sich zehn Jahre nur mühsam über die langen Winter, die sie im Bett verbringt, erholen. Als sie schließlich stirbt, nimmt der Vater sich das Leben.

       Prolog

      Streitet euch nicht. Ihr werdet es bereuen, wenn ihr erwachsen seid. Dann wohnt ihr weit weg voneinander. Ihr habt dann solche Sehnsucht nach der Heimat und könnt nicht hin. Wir hörten ihre Worte, doch ihren tiefen Sinn konnten wir nicht begreifen.

      Die Mutter sagte solche Dinge immer, wenn wir zwei Kleinen uns rauften. Meistens biss ich meinen Bruder in die Handgelenke oder zerkratzte ihm die Arme, während er mir eine klebte, dass die Wange rot anschwoll.

      In unsere Streitigkeiten mischten sich die beiden älteren Brüder nicht ein. Bei ihnen ging es um wichtige Dinge wie Freundinnen, Haarpomade oder Kleidungsstücke, die sie gegenseitig austauschten. Nur mit den Freundinnen gab es Ärger, wenn die beiden dem gleichen Mädchen nachliefen.

      Dann stellte ich mir vor, wie es sein könnte, wenn ich endlich erwachsen wäre. Mit den Jungen gäbe es kein solches Gerangel wie bei den Brüdern, ich würde ja den Kurt nehmen, der im Kindergarten neben mir saß.

      Später würden wir in der Stadt leben und mit dem eigenen Auto ins Dorf zu Besuch kommen. Dann würden wir die Leute sagen hören: „Nu kiek sich eener an, die kleene Flüchtlingskröte, wat so aus der jeworden is. Und solch schicket rotet Auto."

      Dem kleinen Klaus erzählte ich von meinen Träumen. Wir gingen noch nicht zur Schule, und die Mutter nahm uns mit zu dem Stück Acker am Dorfrand. Genau daneben verlief die Autobahn und unsere Phantasie führte uns von der Brücke zu unbekannten Zielen, indem sich jeder einen passenden Wagen aussuchte. Es gab den VW Käfer, den Opel Kapitän, den Ford Taunus, Porsche und Mercedes, die zu dieser Zeit gebaut wurden und unser Dorf in schnellem Tempo streiften. Noch kannten wir die Namen nicht, waren jedoch voller Bewunderung.

      Nach den Jahren des Verzichts und der Not vermittelte das Auto den Deutschen ein neues Freiheitsgefühl. In den 50er-Jahren konnten die meisten Deutschen jedoch nur vom eigenen Auto träumen.

      Mutter redete nicht über Politik. Sie hatte mit dem Vater gemeinsam sechs Mäuler zu stopfen und den Hof voller Tiere zu versorgen, das war Arbeit genug.

      „Vertragt euch doch, Kinder, " waren ihre ständigen Worte. Die Familie am Leben zu erhalten, war in diesen Nachkriegsjahren ein täglicher Kampf. Uneinigkeiten unter uns Kindern strapazierten die Nerven der Eltern.

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      1.Heuernte

      Die Bauern waren, ausgerüstet mit der Sense, schon in der Frühe um drei Uhr auf der Wiese zum Mähen. Das Frühstück nahmen sie erst gegen sieben Uhr morgens ein. Da waren in einem Korb gekochte Eier, Brot und Malzkaffee für die Pause, die allerdings nur kurz gehalten wurde.

      Sechs Stunden, mit kurzer Unterbrechung während der Essenspause, wurde gemäht. Die Mäher schritten einer hinter dem anderen. Für die jungen Leute, die noch wenig Erfahrung im Mähen hatten, war das wohl sehr anstrengend, weil der beste Mäher das Tempo bestimmte und die anderen sich nach ihm richten mussten. Es galt zudem als Schande, von einem anderen Mäher überrundet zu werden. Man brauchte doch auch eine gewisse Zeit, seine Sense zu wetzen. Freudig wurde nach so viel Mühe die Person begrüßt, die das Essen für die Leute brachte.

      Menschen und Tiere beköstigten sich in diesen Wochen im Hochsommer auf dem Feld.

      Die Kühe und Pferde wurden mittags getränkt. Hierzu standen lange Holztröge am Rand der Koppelweide, in die man aus einer Tonne das kostbare Wasser füllte, schon leicht angewärmt von der Tageshitze. Die Sonne glühte, es gab keinen Schatten auf der Wiese. Wer eine Verschnaufpause brauchte, suchte sich ein schattiges Plätzchen unter den Eichen am Feldrand. Heute hatten sie an den großen Wiesen am Busch zu arbeiten, die vor 100 Jahren durch Ausroden im Erlenbruchmoor und durch die Melioration des Alten Fritz entstanden