Nurfürdich. Anne Meller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Meller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738044553
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hören würden. Irgendwann meldeten auch sie sich nicht mehr und die Friendscout24-Seite erfüllte für mich nun nur noch den Zweck, Kontakt zu Tom herzustellen.

      Ob es ihm genauso ging oder ob er noch anderen Frauen schrieb? Ich fragte nicht nach und wollte es auch gar nicht wirklich wissen. Sicher wurde er permanent angeschrieben, jemand mit seinem Aussehen blieb ja auch anderen Frauen nicht verborgen.

      Immer wieder grübelte ich darüber nach, warum Tom wohl so großes Interesse an mir hatte, da ich mich nach wie vor eher für durchschnittlich hielt, was mein Aussehen betraf. Ich spielte doch eigentlich in einer ganz anderen Liga als er.

      Aber Tom schien das anders zu sehen. Er machte mir ständig Komplimente für mein hübsches Lächeln, auf welches er sich angeblich immer freute, wenn er meine Profilseite öffnen würde. Auch fände er meine Augen so ausdrucksstark und tiefgründig, dass er gern einmal selbst hineinsehen würde. Womit wir beim Thema wären ... irgendwann kam die unvermeidliche Frage, vor der ich mich insgeheim schon die ganze Zeit gefürchtet hatte.

       Tom: Merle, was meinst Du? Sollten wir uns nicht mal persönlich kennenlernen? Jetzt schreiben wir uns schon seit Ewigkeiten und ich habe das Gefühl, dass langsam der Zeitpunkt gekommen ist, dass wir uns sehen ... Ich kann auch gern zu Dir kommen oder wir treffen uns irgendwo in der Mitte?

       Merle: Ich überlege es mir, Tom. Ich habe ziemlich viel um die Ohren momentan, aber gewiss finden wir einen Abend, an dem wir beide können. Ich würde Dich auch sehr gerne persönlich kennenlernen.

      Um ehrlich zu sein, hatte ich natürlich rein gar nichts um die Ohren und theoretisch mehr als genug Zeit für ein Treffen, aber ich schaffe es einfach nicht mich dazu durchzuringen, Tom einen konkreten Termin zu nennen, an dem wir uns treffen könnten.

      Anne verstand deswegen die Welt nicht mehr.

      "Warum um Himmels willen willst Du diesen Traum von einem Mann nicht treffen? Das war doch Sinn und Zweck der ganzen Friendscout24-Aktion und nun ist da jemand, der sich scheinbar auch brennend für Dich interessiert und Du willst plötzlich nicht? Ich versteh Dich wirklich nicht," schimpfte sie.

      "Genau das ist doch der Punkt, Anne. Er ist ein Traum von einem Mann und ich bin ...", setzte ich an.

      "Stopp," rief Anne, "Du willst jetzt nicht wieder mit der Nummer anfangen, dass Du ja das ach so arme graue Mäuschen bist, dem er, sobald er Dich sehen wird, sofort wieder den Rücken kehrt, oder? Das stimmt einfach nicht, Merle! Ihr schreibt Euch jetzt wie lange?"

      "Fast zwei Monate ... und davon eigentlich so gut wie jeden Tag", antwortete ich wahrheitsgemäß.

      "Siehst Du! Er möchte Dich kennenlernen und Du willst ihn kennenlernen. Im Grunde kennt Ihr Euch ja schon, es fehlt halt nur noch dieser eine letzte Schritt. Geh ihn!"

      Anne, der ich von Anfang an haarklein Bericht erstattet hatte, was Tom anging, war schlichtweg begeistert von ihm. Ihre großen Augen, als ich ihr an einem Abend bei mir zuhause erstmals sein Profilbild gezeigt hatte, werde ich nicht so schnell vergessen. Ich glaubte fast, sie würde direkt nach Hause fahren, den Rechner anschmeißen und selbst eine Nachricht an Tom verfassen. Was sie selbstverständlich nicht tat, denn sie war meine Freundin und außerdem immer noch mit Jan zusammen.

      Nach einer weiteren Woche intensiven Grübelns meinerseits, nahm ich mir schließlich ein Herz und schlug Tom vor, mich am kommenden Samstag zu besuchen.

      Ohne zu zögern, nahm er die Einladung an und meinte, dass wir doch vielleicht irgendwo etwas essen gehen und uns später gemeinsam "Die zauberhafte Welt der Amelié" im Kino ansehen könnten. Oder hast Du ihn inzwischen schon gesehen?, fragte er. Als ich dies verneinte und ihm sagte, dass ich diese Idee wunderbar fände, stand also unser erstes Date.

      Ich versprach, mich um die Kino-Reservierung zu kümmern und ein passendes Lokal auszusuchen und ihm dann entsprechend Bescheid zu geben.

      Als ich an diesem Abend den Computer ausschaltete, war ich ein nervöses Nervenbündel und fand die ganze Nacht nicht in den Schlaf.

      Noch drei Tage und ich würde Tom treffen.

      Am Donnerstag vor dem besagten Samstag traf ich mich am Nachmittag mit Anne in der Stadt.

      Sie hatte mich gebeten, sie zu begleiten, um ein geeignetes Abendkleid für sie auszusuchen ... als wäre ich da die passende Beratung. Aber natürlich tat ich ihr den Gefallen und wir fanden nach zwei Anläufen ein atemberaubendes enges royalblaues Kleid für sie, welches ihrem schlanken Körper schmeichelte und ihre blauen Augen wunderbar zur Geltung machte. Auf der Hochzeit ihrer Cousine, zu der sie es tragen wollte, würden vermutlich allen Männern die Augen aus dem Kopf fallen ... wobei ich inständig hoffte, dass es dem Bräutigam nicht so gehen würde.

      "Los, erzähl, wie habt Ihr den Abend geplant?", fragte Anne neugierig, während sie sich vor dem Spiegel hin und her drehte.

      "Wir gehen erst zu Paulo`s und dann ins Kino ... Die zauberhafte Welt der Amelié", antwortete ich knapp angebunden.

      Stirnrunzelnd sah Anne mich an: "Alles ok? Soll ich besser nicht mehr fragen?"

      Ich schloss kurz die Augen, atmete tief durch und seufzte: "Ach, Anne, nein, das ist es nicht. Ich bin nur so schrecklich nervös. Ich kriege vermutlich kein einziges Wort raus, wenn er vor mir steht ..."

      Ich sah sie hilfesuchend an: "... und was ich anziehen soll, weiß ich auch nicht."

      Anne lächelte und legte den Arm um mich: "Hey, wozu hast Du mich denn? Wir haben doch bei unserer letzten Shoppingtour ein paar hübsche Teile für Dich erstanden, da ist sicher was Passendes dabei? Soll ich vielleicht am Samstag vorher vorbeikommen und ich helfe Dir beim Aussuchen?"

      Dankbar sah ich sie an: "Danke, das wäre toll."

      Eh ich mich versah, war Tag X gekommen: Samstag, 5. April. Heute würde ich also Tom kennenlernen.

      Wie verabredet, kam Anne um die Mittagszeit zu mir. Nicht genug damit, dass sie diverse Kleidungsstücke aus ihrem eigenen Kleidungsschrank mitgebracht hatte - als wenn ich da reinpassen würde, definitiv war sie wesentlich schlanker als ich; zwar war ich nicht dick, aber mit meinem 1,69m nicht so zierlich wie sie -, außerdem hatte sie noch einen prall gefüllten Schminkkoffer dabei.

      Meinen missbilligenden Blick darauf, winkte sie sofort lachend ab, da sie genau wusste, dass übermäßiges Schminken nicht mein Ding war. Vermutlich würde meine Gesichtsfarbe eh einer überreifen roten Tomate gleichen, so dass zusätzliches Rouge albern wäre.

      Ich war frisch geduscht, meine Haare hatten eine Extraportion Kurspülung erhalten und fielen mir heute ausnahmsweise in weichen Wellen über die Schultern. Auch hatte ich meine Beine, meine Achseln und auch die Bikinizone gründlich rasiert ... warum auch immer, ich hatte definitiv nicht vor, dass irgendjemand sie heute zu Gesicht bekam, aber vielleicht war es des guten Gefühls wegen, redete ich mir ein, nachdem ich mich selbst fragend im Spiegel angesehen hatte.

      Anne und ich verbrachten erst eine Weile damit, den Inhalt meines Kleiderschranks zu begutachten, bevor ich mich schließlich auf Anne`s Rat hin für eine der neuen Jeanshosen, die mir tatsächlich einen ganz schön knackigen Po zauberten, und die neue pfirsichfarbene Bluse, die meine haselnussbraunen Augen gut zur Geltung brachten, entschied. Darüber würde ich die hellbraune Lederjacke ziehen und die braunen, mittelhohen Schuhe.

      "Perfekt," begutachtete Anne zusammen mit mir das Ergebnis im Flurspiegel, "und jetzt komm: Um ein bisschen Schminkerei kommst Du mir heute nicht herum."

      Widerwillig murrend ließ ich mich von ihr ins Bad schieben und hockte mich auf den Badewannenrand. Während sie meinem Gesicht durch den Einsatz von Puder den Glanz nahm, einen leichten Lidschatten auflegte, Mascara und Lidstrich setzte, hing ich meinen Gedanken nach.

      Wie das Treffen wohl werden würde? Würden wir uns genauso gut verstehen wie in unseren zahllosen Chat-Unterhaltungen? Würde ich überhaupt in der Lage sein zu sprechen?

      Panisch schlug ich die Augen auf, was mir einen entsetzten Aufschrei von Anne einbrachte, die gerade dabei war, den Lidschatten aufzutragen.

      "Ich