Nurfürdich. Anne Meller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Meller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738044553
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ein Kind von 2 Jahren hatte und von der Mutter seines Kindes geschieden war. Er war witzig, sah nach seinem Profilbild zu urteilen recht nett aus und es machte Spaß von ihm zu lesen oder ihm zu schreiben.

      Dann war da noch Stefan, 30 Jahre, unglaublich hübsch, mit dunklen Haaren, dunkelbraunen Augen und wunderschönen Grübchen. Er wohnte allerdings in Leipzig und das wiederum erschien mir aufgrund der vielen Kilometer, die zwischen uns lagen, doch irgendwie unrealistisch. Dennoch schrieben auch wir uns regelmäßig und ich hatte das Gefühl, dass Stefan immer mehr darauf brannte, mich endlich persönlich kennenzulernen.

      Auch Miquel, 28 Jahre, ein gebürtiger Portugiese aus Münster, hatte gewisse Reize. Ihm schrieb ich nun schon am längsten, da er einer der ersten war, die mir eine Nachricht geschrieben hatten. Somit hatte ich mittlerweile fast schon das Gefühl, ihn irgendwie zu kennen, auch wenn wir uns natürlich noch nie gesehen hatten.

      Ich staunte über mich selber, wie leicht es mir auf diese Weise fiel, mich meinem jeweiligen Gesprächspartner zu öffnen. Im "wahren Leben" - wie ich es gern nannte - wäre ich nicht im Traum darauf gekommen, beispielsweise Fred zu erzählen, wie sehr ich mich nach einer festen Beziehung sehnte, in der es auch in sexueller Hinsicht gut funktionierte. Auf seine Frage, was genau ich mir da denn vorstellen würde, rutschten wir im Laufe des Gesprächs in eine gewisse Intimität ab und ich weiß jetzt noch, dass ich knallrot vor meinem Computer saß und Gott dafür dankte, dass mich gerade niemand sehen konnte.

      Wahrscheinlich war dann auch dieses Gespräch letztendlich der Grund dafür, dass ich auf das Drängen von Fred, uns nun endlich auf einen Kaffee zu treffen, immer ausweichend reagierte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, ihm gegenüberzusitzen und in seine Augen zu sehen, während ich mir in Erinnerung rufen würde, dass Fred bereits wusste, was für Vorlieben ich im Bett hatte. Vermutlich würde ich das gesamte Café mit meinem feuerroten Kopf zum Leuchten bringen.

      So kam es schließlich dann auch, dass Fred mehr und mehr das Interesse verlor, da er das Gefühl nicht loswurde, dass ich eigentlich gar keine Lust darauf hatte, ihn kennenzulernen. Irgendwann hörte ich nichts mehr von ihm.

      Anne war von der ersten Minute an brennend interessiert an meinen "Fortschritten", wie sie es nannte. Warum ich nach Monaten immer noch niemanden getroffen hatte, wollte ihr partout nicht einleuchten und sie drängte bei jedem Anruf und jedem Treffen darauf, mir doch endlich einen Ruck zu geben und ein erstes Treffen mit einem potentiellen Kandidaten zu wagen.

      Auch fand sie es überhaupt nicht schlimm, dass Stefan - ihr absoluter Favorit - so weit weg wohnte.

      "Na und? Merle, er ist 30 Jahre und freiberuflicher Journalist. Der kann doch theoretisch überall wohnen. Was spricht denn dagegen, dass Ihr Euch kennenlernt und schaut, wohin Euch der Weg führt?", meinte sie, als wir mal wieder einen gemeinsamen Kino-Abend verbrachten.

      "Ja, schon, aber ich habe irgendwie Angst, dass das Treffen trotzdem katastrophal wird. Wir wissen mittlerweile so viel vom anderen und dennoch werden wir uns fremd sein. Was, wenn wir uns im echten Leben überhaupt nicht verstehen und er sauer wird, dass er für mich so weit gefahren ist?", fragte ich sie unsicher.

      "Das gehört halt dazu", meinte Anne, "aber wie heißt es so schön: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Komm, gib Dir einen Ruck und lad ihn ein. Ihr müsst Euch ja nicht gleich am ersten Abend in den Kissen wälzen, aber wenn es doch so kommt ... warum nicht?"

      Während Anne lachte und sich scheinbar gerade vorzustellen schien, wie es mit Stefan und mir ablaufen könnte, stieg mir bereits wieder die Röte ins Gesicht.

      Puh, ich war da, glaube ich, nicht für gemacht. Mein ruhiges Leben gefiel mir doch eigentlich auch gar nicht so schlecht. Vielleicht sollte ich es einfach dabei belassen.

      Tatsächlich kam es dann aber doch so, dass ich an einem regnerischen Samstagnachmittag den Rechner mit dem Ziel einschaltete, Stefan eine Nachricht zu schreiben, in der ich ihm vorschlagen wollte, mich zu besuchen.

      In Gedanken hatte ich mir bereits die Worte zurechtgelegt, die ich gleich in die Tastatur tippen würde, war aber immer noch nicht ganz überzeugt davon, dass es wirklich eine gute Idee war.

      Nachdem ich mich eingeloggt hatte, sah ich, dass ich fünf neue Nachrichten erhalten hatte. Drei löschte ich aufgrund des vulgären Inhalts direkt wieder, eine war von Miquel, der wissen wollte, wie es mir ging und wie ich diesen schrecklichen Regentag verbrachte, und die letzte neue Nachricht war von Tom.

       Hallo Unbekannte ... so oft bei mir und doch kein Wort?

      Ich starrte auf den Bildschirm und rutschte verlegen auf meinen Stuhl hin und her.

      Leider war es so, dass man jeden neuen Besucher auf seinem Profil angezeigt bekam, egal, ob er letztendlich eine Nachricht hinterließ oder nicht. Auf Tom's Profil war ich vor einiger Zeit gestoßen, als ich dabei war, mich durch die diversen Profile zu klicken. Ich war an seinem irgendwie hängengeblieben, da zum einen sein Profilbild eine gewisse Faszination auf mich ausübte und zum anderen seine Worte mich magisch anzogen.

      Tom beschrieb sich selbst als ausgeglichen, ruhig, harmoniebedürftig und hoffnungslos romantisch. Mal ehrlich, das sind ja schon mal Kriterien, die nicht zu verachten sind.

      Hinzu kam, dass er z.B. Fragen nach der Traumfrau mit "Ich erhoffe mir, eine Frau zu finden, mit der ich seelenverwandt bin, mit der ich reden, weinen und lachen kann und die mich so nimmt wie ich bin. Ich würde sie auf Händen durch's Leben tragen und immer versuchen, sie mindestens einmal am Tag herzlich zum Lachen zu bringen" beantwortete. Ich war förmlich dahin geschmolzen, als ich diesen Satz das erste Mal gelesen hatte. Gab es solche Männer wirklich?

      Ferner hatte er fast identische Hobbies wie ich: Ich liebe Kinoabende, egal ob romantische Komödie, Actionfilm oder spannender Thriller. Lesen, Musik hören - gerne Rock, Pop und auch mal Klassik -, Konzertbesuche, entspannte Urlaube, vorzugsweise am Strand .... Genau das Gleiche machte auch ich gerne. Was also hatte mich bisher davon abgehalten, ihm einfach eine Nachricht zu schicken? Ganz klar ... sein Aussehen.

      Tom hatte insgesamt drei Profilbilder eingestellt und angesichts der Tatsache, dass er darauf immer gleich aussah, konnte man annehmen, dass es keine Fake-Bilder waren, sondern es sich wirklich um ihn handelte.

      Sofort aufgefallen waren mir seine dunklen, fast schwarzen Haare, die auf jedem der Bilder leicht zerzaust wirkten. Seine Augen waren wohl die blauesten, die ich je gesehen hatte und ich hatte mich schon mehrfach gefragt, ob sie in echt wohl auch so strahlen würden. Seine Gesichtszüge waren markant und männlich und wirkten fast wie in Stein gemeißelt. Die gerade Nase war einfach perfekt und die Lippen wirkten voll und irgendwie sinnlich.

      Auf den beiden Bildern, auf denen nicht nur sein Gesicht zu sehen war, sondern ihn einmal auf dem Fahrrad sitzend und einmal im Anzug - scheinbar auf einer Feierlichkeit – zeigten, konnte man erkennen, dass er eine sportliche, man könnte auch sagen fast athletische Figur hatte, sehr groß war - nach eigenen Profilangaben 1,92 m –, und er ganz offensichtlich über einen guten Kleidungsstil verfügte.

      Er war einfach zu perfekt, zu schön, als dass ich je auf die Idee gekommen wäre, so einem Mann eine Nachricht zu schicken. Ich, Merle, die kleine graue Maus, die hier hinter dem Computer hockte und heimlich die schönsten Männer der Friendscout24-Seite durchklickte. Nein, das erschien mir lächerlich.

      Dennoch musste ich zugeben, dass ich in den letzten Wochen wohl sehr häufig auf dem Profil von Tom gewesen war. Keine Ahnung warum, ich hatte einfach Freude daran, ihn mir anzusehen und wieder und wieder seine Antworten auf die gestellten Fragen durchzulesen, die mir so gut gefielen.

      Nun war es ihm also aufgefallen und sicher fragte er sich, warum ich ihn immer wieder anklickte. Instinktiv bekam ich ein schlechtes Gewissen, obwohl ich ja nichts Verbotenes getan hatte, sondern lediglich in eine gewisse Bewunderung für ihn verfallen war. Sollte ich zurückschreiben oder einfach vermeiden, sein Profil wieder anzuklicken? Ich entschied mich nach längerer Grübelei für die erste Möglichkeit.

       Entschuldige, ich wollte nicht lästig werden.

      Ach, Merle, schalt ich mich, nachdem ich die Nachricht