Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera. Andreas Loos Hermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Loos Hermann
Издательство: Bookwire
Серия: Das Seelenkarussell
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742778994
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Irgendwie wirkte Dr. Bauer auf Vera Vertrauen erweckend, obwohl sie diese kühlen Nordländer eigentlich nicht so recht mochte. Sie sah ihn an. Groß gewachsen und ein helles freundliches Gesicht mit lustigen blitzblauen Augen darin. Der blonde Haarschopf eines Norddeutschen kräuselte sich in seinem Nacken. Daran war wohl der Wind schuld, der an diesem Abend keine Frisur unversehrt lassen konnte. Dr. Bauer arbeitete im gleichen Konzern wie Vera und war Leiter der Hamburger Niederlassung.

      „Wie haben Sie mich hier in den Arkaden gesehen?“, fragte Vera erstaunt. „Sie fallen eben auf“, entgegnete er lächelnd.

      Der Abend könnte ja noch interessant werden, dachte Vera bei sich. So standen sie unter den Arkaden vor der Auslage und unterhielten sich recht angeregt. Vera kam gar nicht in den Sinn, dass die anderen Teilnehmer des Abendessens sie hier nicht sehen konnten, da die Arkaden sie verdeckten.

      Dr. Bauer fragte, wie es ihr denn im Konzern gefiele, denn manche Kontakte mit USA laufen wohl nicht so ganz, wie es sein sollte. Vera hielt sich mit Kritik zurück und entgegnete, was er denn gegen den Konzern habe.

      Dr. Bauer lachte und sagt:“ Ich will nicht über den Konzern herziehen, aber ein wenig verstaubt ist das schon alles, finden Sie nicht, das kann doch nicht Ihr Stil sein.“

      Vera verneinte brav und fragte, wie lange er schon im Konzern sei. „Nicht lange“, kam als Antwort, „keine zwei Jahre“. Vera war überrascht, sie hatte wesentlich länger vermutet. „Und da schon Leiter einer Niederlassung“, entfuhr es ihr.

      Vera schätzte Dr. Bauer auf keine fünfunddreißig. „Keine schlechte Karriere“, meinte sie leicht spöttisch, allerdings insgeheim bewundernd.

      „Sehen Sie, das ist es ja gerade, mir fehlt die Liebe zur Firma, ich bin nicht darin aufgewachsen und habe mich nicht jahrzehntelang nach oben gedient.“ „Ich sollte das ja gar nicht sagen, aber unsere Familie hat sehr gute Kontakte, und da konnte ich das leider nicht verhindern“, gestand er. Vera widersprach: „Heutzutage sollte doch wohl mehr die eigene Leistung zählen, nicht die der Ahnen“.

      „Leistung muss jeder im Konzern bringen, aber Beziehungen sind wichtig für das Geschäft“, versucht Dr. Bauer vom Thema abzulenken, da er vor Vera nicht als Protektionskind dastehen wollte.

      „Ah, Ihre Familie hat Ihnen den Job verschafft“, grinste Vera und musste plötzlich an ihren Vater denken.

      „Das stimmt so nicht, aber Sie haben recht, ich habe mich im Leben nie allzu sehr anstrengen müssen und das finde ich heute schade. Früher hat es mir gefallen, wenn ich mir jetzt aber sie anschaue, als jüngste Konferenzteilnehmerin. Ihnen hat sicher niemand den Job hier verschafft.“

      „Da haben Sie recht, Frau muss besser sein als die Männer, aber Sie sind der erste Mann, den ich kennen lerne, der das zugibt.“

      „Ich gebe grundsätzlich nichts zu“, widersprach er, „aber wenn eine attraktive Frau etwas sagt, so muss Mann doch höflich sein. Aber langsam sollten wir zu den Kollegen gehen, denn ich glaube, wir sind schon die letzten und alle warten auf uns.“

      Dieser Dr. Bauer brachte Vera irgendwie aus dem Konzept, obwohl sie es sich nicht eingestehen wollte. Irgendetwas war mit ihm, dass sie nicht richtig einordnen konnte, sie aber seltsam anzog.

      Die anderen hatten sich inzwischen in der Mitte des Platzes gesammelt. Es waren acht oder neun Leute. Als Vera und Dr. Bauer schließlich hinzu stießen, stellten sie fest, dass bereits alle auf sie gewartet hatten. Dr. Bauer überspielte die anzüglichen Bemerkungen von Svensten, dem schwedischen Kollegen, über die traute Zweisamkeit und schlug ein Lokal vor, wo es keine Touristen gäbe und nur Einheimische wären. Bauer kannte sich in Brüssel gut aus, er war schon oft hier ewesen. Aus Belgien war niemand anwesend, der hätte widersprechen können.

      So zog die Gruppe zu Fuß durch die Altstadt. Sie kamen durch enge Gässchen, in denen sich viele kleine Restaurants aneinanderreihten. Trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit hatten alle noch Tische im Freien stehen. Alle hatten ihre Portale weit geöffnet und die fangfrischen auf Eis gelegten Fischspezialitäten ausgelegt. Es gab Mengen von Hummern, Krebsen und alle möglichen Arten von Fischen, die heute vor der Küste gefangen worden waren. Die Tische waren noch recht leer, nur vereinzelt waren Touristenpärchen oder kleinere Grüppchen an den Tischen zu sehen.

      Dr. Bauer ging zielstrebig weiter. „Jetzt ist keine Saison mehr und das ist nur für die gewöhnlichen Touristen“, meinte er. Es gäbe bessere Restaurants, als hier. Dort, wo hauptsächlich die Einheimischen und die EG- Diplomaten verkehren, sei die Küche viel besser.

      So verließen sie dieses Viertel und überquerten den Börseplatz und den Boulevard Lemonnier.

      „So, da wären wir“, ließ Dr. Bauer verlauten. Sie waren am Baaskeenkaai angekommen und linker Hand gab es eine ganze Zeile kleiner Restaurants, die allesamt sehr einladend aussahen und für ihre Fischspezialitäten berühmt waren. Der Baaskeenkaai war einmal ein großer Marktplatz gewesen, wo in der Mitte ein Kanal durchlief, der es den Fischern ermöglichte, ihre Ware vom großen Kanal Charleroi direkt per Boot auf den Markt zu bringen. Heute führte an Stelle des Kanals die U-Bahn unter dem Platz durch.

      Sie wählten nach einigem Hin und Her eines der Lokale aus, wo sie alle an einem der großen Tische Platz fanden. Vera saß ganz am Ende des Tisches, neben einem älteren Herrn aus Dänemark und neben Dr. Bauer, der an der Schmalseite Platz genommen hatte. Die anderen Teilnehmer murrten ein wenig, da sie Vera gerne in ihre Mitte genommen hätten, so aber mussten sie mit Frau Dr. Solvana, der älteren Italienerin vorliebnehmen, die sich in die Mitte gesetzt hatte und das Wort angab.

      Aber die Probleme mit der Sitzordnung waren bald vergessen, da sich jeder intensiv der umfangreichen Speisekarte widmete. Weil niemand in der Gruppe, Vera und Dr. Bauer ausgenommen, gut französisch konnte, war dies kein einfaches Unterfangen, da allein die Weinkarte mehr als fünfzehn Seiten umfasste.

      Schließlich waren alle Bestellungen mit viel Rückfragen unter Dach und Fach. Die Hors d´ oeuvres wurden serviert. Kleine Schnecken, die mit Stecknadeln aus ihren winzigen Gehäusen geholt werden mussten. Dazu gab es das übliche Weißbrot mit gesalzener Butter.

      Die Stimmung am Tisch taute rasch auf, als die ersten Flaschen des exquisiten französischen Rotweines kredenzt wurden. Das laute Lachen von Dr. Solvana war bald im ganzen Lokal zu hören. Dem belgischen Bier sprach nur Dr. Bauer zu, der meinte, hier gäbe es ganz vorzügliche Sorten, die sich sehr gut als Aperitif eignen würden. Er bestellte eines dieser hochprozentigen dunklen Biere aus der Brauerei eines Trappistenklosters.

      Die Stimmen wurden rasch lauter und jeder gab Anekdoten zum Besten, so gut sich jeder in dem lauten Stimmengewirr einbringen konnte.

      Bald kam das Essen und bei der Suppe wurde die Lautstärke sofort gedämpfter. Vera hatte sich auf Empfehlung eine belgische Fischsuppe einreden lassen, die ihr gar nicht schmeckte. Die Belgische Küche bestand aus der flamischen und der wallonischen Küche. Die beiden waren ziemlich gegensätzlich. Dr. Bauer hatte sich einen garnierten Wildschweinbraten bestellt, der wirklich verführerisch aussah. Vera hatte sich für einen gespickten Fasan entschieden. Beides klassische Vertreter der flämischen Linie. Die Kollegen nahmen lieber die wallonische Linie näher in Augenschein. Da gab es gegrillte Brasse, Schellfisch oder Lachs in den verschiedensten Zubereitungsarten.

      Nach dem Essen wurde noch kräftig dem Rotwein zugesprochen. Auch Dr. Bauer war nun auf den Rotwein umgestiegen. Zuviel von den belgischen Spezialbieren wollte er sich offensichtlich nicht zumuten. Die Unterhaltung hatte sich in kleine Grüppchen zerfleddert, da zwar alle sehr eng um den Tisch saßen, aber jedes Grüppchen über ganz andere Themen sprach und niemand verstehen konnte, was am anderen Ende der Tafel gesprochen wurde, da das Lokal mittlerweile bis auf den letzten Platz gefüllt war. Vera hatte Mühe, Dr. Bauer zu verstehen, obwohl sie direkt neben ihm saß. So musste sie ihren Kopf zu seinem Ohr beugen und der Rotwein tat das seinige. Um die Sache einfacher zu machen, sprach sie mit Dr. Bauer jetzt deutsch, da die benachbarten Kollegen wieder einmal ein EG-Thema entdeckt hatten und sehr emotional über Vor- und Nachteile von irgendetwas diskutierten.

      Bauer erzählte aus seinem Leben und von seiner Jugend, die ja noch nicht wirklich vorbei war, auch wenn er so tat,