Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera. Andreas Loos Hermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Loos Hermann
Издательство: Bookwire
Серия: Das Seelenkarussell
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742778994
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sie wollte kein Leben als brave Hausfrau und Mutter und der Kinder wegen auf die Karriere verzichten. Sie wollte aber auch nicht auf Andi verzichten. Irgendwie liebte sie ihn noch immer, auch wenn sich ihre Gefühle in Bezug auf Andi immer mehr verwirrten. Doch was Andi von ihr verlangte, wollte sie zu diesem Zeitpunkt einfach nicht.

      Sie musste sich daher entscheiden. Entweder Andi ja, Kinder gleich und dann zur Oma mit ihnen und ab ins Business. Das schien recht stressig zu werden.

      Oder Andi nein, Kinder nein und alleine eine Karriere starten. Die tapfere Karrierefrau ohne Freund und mit langen einsamen Abenden war auch keine verlockende Alternative.

      Oder mit Andi und zuerst keine Kinder, aber dann schon. Machte sie Karriere, so konnte sie schwer in Karenz gehen. Hatte sie dann Kinder, kämen die dann zur Oma. Die Oma wurde aber nicht jünger und mit fünfunddreißig die Kinder zur Oma abschieben erschien ihr irgendwie unmoralisch. Da war es doch besser, auf die Kinder ganz zu verzichten. Denn so eine Chance auf Karriere hatte sie wahrscheinlich sobald nicht wieder, dachte sie. Eine Chance auf jemanden wie Andi aber auch nicht.

      Wenn er sie wirklich liebte, dann würde er sie verstehen, dessen war sie sich ganz sicher. Sie wollte mit Andi zusammen sein, aber sich nicht binden. Die Villa im Süden Wiens konnte warten. Das Leben in der Stadt gefiel ihr besser. Da draußen im Grünen schien es ihr zu langweilig. Andi würde das sicher verstehen.

      Doch er verstand nicht. Er spielte den Beleidigten und meinte, wenn sie ihn nicht wolle, dann eben nicht. Wenn sie seinen Heiratsantrag ablehne, dann zeige sie ihm, dass sie ihn nicht wirklich liebe und ihre Beziehung für sie nur eine vorübergehende Liebschaft sei. Er wolle aber etwas Dauerhaftes im Leben und in der Liebe und wenn sie das nicht wolle, dann ginge er eben ganz.

      Was war aus ihrer einstigen Liebe nur geworden. Nachdem jeder seine Sachen aus der jeweils anderen Wohnung geholt hatte, sahen sie sich nicht wieder. Ihre Lebenswege liefen in kürzester Zeit vollständig auseinander. Nur manchmal grübelte Vera darüber nach, weshalb er so stur gewesen war und weshalb sie ihm deswegen nicht wirklich böse war. Aber zurückkehren und ihn fragen, ob der Antrag noch gelte, das ließ ihr Stolz nicht zu und Andi machte auch keine Anstalten mehr, sich bei ihr zu melden.

      Seltsamerweise war Vera aber nicht wirklich überrascht darüber, wie Andi sich verhalten hatte. Sie fand das logisch und zu ihm passend. Vera wunderte sich da ein wenig über sich selbst. Woher kannte sie Andi so gut? Woher war damals diese große Vertrautheit gekommen, die sie von Anfang an in ihrer Beziehung gehabt hatten. Sie wusste es nicht, hatte aber immer das Gefühl gehabt, auch er kenne sie viel besser, als es eigentlich möglich sei. Nun waren sie getrennt. Würde sie dieses Rätsel der Liebe je lösen können oder ging es anderen Leuten mit anderen Menschen ebenso, dass sie meinten, sie würden sich viel länger kennen, als es tatsächlich der Fall war. War das nur psychologischer Unsinn, oder steckte doch mehr dahinter?

      Kapitel 6

      Der Regen schlug noch heftiger ans Fenster. Hier stand sie nun in Brüssel auf Dienstreise. Sie hatten sich beide entschieden. Nein, sie fühlte sich nicht einsam, nur keine Schwäche zeigen. Seit damals waren drei Jahre vergangen, über Andi war sie hinweg, auch wenn es lange weh getan hatte. Seit einem halben Jahr hatte sie ja auch wieder einen Freund und Michael war schließlich auch ganz nett und lieb zu ihr. Sie liebte ihn zumindest ein wenig. Mit Andi war er natürlich nicht zu vergleichen, aber von diesem Naturburschen aus dem Waldviertel hatte sie nun genug. Michael war Werbefachmann und jemand, der ihrem Lebensstil viel eher entsprach. Er war noch leichtlebiger als Herbert, aber darüber konnte sie noch hinwegsehen. Vielleicht würde sich die Beziehung ja noch entwickeln. Und wenn nicht, dann wollte sie heute nicht daran denken.

      Es hatte zwei Jahre gedauert, dann hatte sie ihren Doktor fertig gehabt. Die Trennung mit Andi hatte ihr den nötigen Ehrgeizschub verpasst, neben der Arbeit noch ein Doktorat anzuhängen. Denn ihr Chef hatte ihr versichert, dass in den USA nur ein Titel wirklich zähle, Doktor und sonst nichts. Den Magister könne sie in USA vergessen, wenn sie wirklich Karriere machen wolle.

      Ihr Chef hatte recht behalten und war vor einem halben Jahr in Pension gegangen. Sie war seine Nachfolgerin geworden und leitete seither die Rechtsabteilung der Wiener Niederlassung. Dass der ursprünglich geplante Nachfolger zur Konkurrenz gewechselt war, weil die ein besseres Anbot für ihn hatte, war einer der Glücksfälle im Leben, auf die viele Menschen oft ein Leben lang vergeblich warten.

      Sie hatte nun vier Juristen unter sich, drei davon mit Doktorat. Ihr alter Chef, Dr. Günther hatte ihr versichert, dass sie nur wegen ihrem gekonnten Auftreten und ihren Managementqualitäten den Leiterjob erhalten habe, die anderen Juristen seien fachlich besser, aber als Chefin der Abteilung sei das für sie ein Vorteil. Er hatte Recht behalten, dieser Umstand half ihr, sich in der Abteilung als Chefin auch durchzusetzen.

      Sie dachte an die morgige Konferenz. Teilnehmer aus über fünfundzwanzig Staaten waren angemeldet. Sie beschloss, noch einmal die Unterlagen durchzusehen und sich dann einen Drink aus der Minibar zu genehmigen, das belgische Fernsehen nach irgend etwas Interessantem zu durchforsten, um anschließend zeitig schlafen zu gehen.

      Kapitel 7

      Der Konferenztag war sehr stressig gewesen. Das erste Mal hatte Vera den ganzen Tag nur Englisch gesprochen. Die Vorträge waren sterbenslangweilig gewesen, aber in den Pausen hatte sie einige nette Leute kennen gelernt. Viele der Teilnehmer kannten sich schon von früheren Konferenzen. Vera war mit einer Gruppe von Juristen bekannt geworden, die vereinbart hatten, am Abend gut essen zu gehen. Die Belgische Küche war schließlich berühmt. Vera war allen sehr willkommen gewesen, da es außer ihr nur noch eine Frau Mitte fünfzig in dieser Gruppe gab.

      Sie hatten vereinbart, sich um acht Uhr am Grand Place, dem Hauptplatz von Brüssel mit den kunstvollen Fassaden aus dem sechzehnten Jahrhundert und dem Rathaus mit dem hohen Turm, zu treffen. Vera hatte sich umgezogen und das Businesskostüm mit Rock gegen einen flotten Zweiteiler mit Hose getauscht. Sie wollte den Abend auch nicht all zu lange ausdehnen, denn das war ja jetzt Berufsleben und nicht Freizeit. Sie wollte sich ihre Kräfte für die kommenden Tage noch aufsparen und wollte sich daher am ersten Abend nicht gleich endlos in irgendwelchen Lokalen herumtreiben.

      Es war schon dämmrig und recht kühl. Nur wenige Leute eilten über den Platz. Der Nordwestwind jagte immer wieder eine Bö durch die engen Gassen der Altstadt, so dass Vera fröstelte. Sie war vom Gare du Nord mit der U-Bahn ins Hilton gefahren, hatte sich geduscht und umgezogen und überlegt, wie sie auf den Hauptplatz käme. Schließlich hatte sie doch ein Taxi nehmen müssen, da direkt zum Grand Place keine U-Bahn führt.

      Dadurch war sie jetzt einige Minuten zu früh und musste auf die anderen warten, Sie beschloss, den großen Platz zu umrunden um sich die eine oder andere Auslage anzusehen, von denen es in den Arkadengängen mehr als genug gab. Es machte einen besseren Eindruck, wenn die anderen zuerst da waren. In einer der Arkaden war Juwelier auf Juwelier gereiht. Es gab zwar nur die Sicherheitskollektion für die Abendauslage zu sehen, aber Vera gefiel trotzdem so manches Stück. So stand sie vor einer besonders schön dekorierten Auslage eines Juweliers, der einem alten Gewölbe untergebracht war, das tief in das Haus hineinreichte.

      Ihre Gedanken schweiften zu Michael ab. Sie hatte versucht, ihn vom Hotel aus anzurufen, es war aber niemand daheim gewesen. Was er wohl jetzt gerade tat. Ob er sie schon vermisste. Sie ihn jedenfalls nicht sehr, wie sie sich eingestehen musste. Ob er wirklich der Richtige war, fürs ganze Leben. Vera war sich da nicht sicher und das konnte doch wohl nur bedeuten, dass er es nicht war. Oder sah sie die ganze Angelegenheit falsch. Wer weiß, ob sie noch viele Gelegenheiten haben würde, in ihrem Leben jemanden kennen zulernen. Vielleicht sollte sie Michael ganz einfach heiraten, denn als Single wollte sie wirklich nicht enden. Aber nur heiraten, um nicht als Single zu enden, dass war doch wohl Unsinn. Michael hatte auch noch keinerlei Andeutungen über eine zukünftige Ehe gemacht und Vera konnte sich das bei ihm auch nicht recht vorstellen. Im Bett verstanden sie sich recht gut, aber irgendwie war alles ein wenig oberflächlich. Sie wusste nicht, woran es lag, an Michael oder an ihr.

      „Noch jemand, der schon da ist, schön Sie zu sehen“, unterbrach eine Stimme von