ENGELSMÖRDER. Kerstin von Schuckmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin von Schuckmann
Издательство: Bookwire
Серия: Kommissar Lopez
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750223653
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einmal ist interessant, dass die Tote, wie bereits am Tatort erwähnt, noch sämtliche Wertgegenstände am Körper trug und nichts entwendet wurde. Eine Tatwaffe wurde nicht vor Ort gefunden, der Fundort der Leiche war auch der Tatort der Leiche. Bei dem Mordinstrument dürfte es sich um ein altes Fliegermesser handeln, das in Notfällen, wie bei Abschüssen oder Ähnlichem, von Militärfliegern benutzt wurde. Piloten trugen es in Notfällen bei lebensrettenden Absprüngen mit dem Fallschirm zum eigenen Schutz direkt am Körper mit sich. Tatzeit und Todeszeitpunkt gestern gegen halb zwölf nachts. Und was interessant ist, dem Opfer wurde circa zwei Stunden vor der Tat ein langsam wirkendes Schlafmittel verabreicht. Untersuchungen des Bluts sowie des Mageninhalts haben dieses ergeben. Dieses wirkt in Verbindung mit Alkohol noch stärker als ohne und davon hatte sie ebenfalls mehr als genug im Blut. Circa 1,5 Promille. Der Engel weist Fingerabdrücke diverser Personen auf. Der Täter scheint bei seiner Tat alte Lederhandschuhe getragen zu haben, da wir an diversen Stellen alte Lederfasern fanden. Diese scheint er auch beim Fahren des Autos nach seiner Tat zum Bahnhof getragen zu haben, da diese Fasern auch auf der Fahrerseite von Ingrid Engels Auto zu finden waren. Dort steht der Wagen seit der Mordnacht. Blutspuren des Täters konnten wir leider keine entdecken, aber die Haarproben und Hautpartikel, die wir auf der Leiche fanden, stimmen mit den Haarproben, die wir im Geschäft und auch im Auto fanden, überein. Anhand unserer Fluoreszenz Mikroskopie konnten wir auch feststellen, dass es sich um denselben Anzug und Mantel handelt. Es ist also auf jeden Fall der Mann, der die Engel und die Räucherkerzen-Figur gekauft hat, und mit Ingrid essen war. Er fuhr auch ihr Auto nach der Tat zum Bahnhof. Den Spuren auf dem Weg können wir entnehmen, dass der Täter Schuhgröße vierundvierzig hat.“ Voigt war nun klar, dass es sich eigentlich um einen ganz einfachen Vorgang gehandelt haben musste. Der Täter hatte sein Opfer mit Alkohol und einem langsam wirkenden Schlafmittel betäubt. Sie mussten aber noch einige Zeit nach ihrem Dinner im angrenzenden Park spazieren gegangen sein, da die Tatzeit erst halb zwölf war, das Restaurant aber bereits um zehn Uhr geschlossen hatte. Danach dürfte sie langsam am nebenliegenden Waldesrand eingeschlafen sein. Sie wurde nicht vom Tatort entfernt, da keine Schleifspuren zu erkennen waren. Er nahm den Autoschlüssel aus ihrer Tasche und holte das Engelskostüm, das sie täglich beruflich trug, aus ihrem Wagen, der noch auf dem angrenzenden Parkplatz stand. Anschließend zog er es ihr am Tatort an. Danach stieß er das Messer in ihre Kehle und platzierte den Engel auf dem blutigen Hals. Den vorbereiteten Zettel mit der Nachricht steckte er in ihren Mund. Anschließend ging er zurück zum Auto und fuhr zum Bahnhof. Voigt wusste, dass er die Bedienung des Lokals als Zeugen befragen musste. Er wollte herausfinden, ob sie sich an das Gästepaar erinnerten und was ihnen eventuell aufgefallen sein könnte. Ein Phantombild war unumgänglich, um es systemintern bundesweit einzustellen und parallel öffentlich zur Fahndung herauszugeben. Voigt holte sich noch schnell in einer der typischen Freiberger Fischräuchereien ein köstliches Räucherfischbrötchen und fuhr los.

      Die Bedienung des Vorabends war leider nicht vor Ort, aber Hauptkommissar Voigt erhielt seine Privatadresse, sodass er ihn zu Hause erreichen konnte.

      „Wissen Sie, ich hatte das Gefühl, dass sich die Beiden nicht zum ersten Mal begegnet sind. Das Ganze kam mir doch ziemlich vertraut vor. Sie lachten viel, tranken sächsischen Wein und zum Schluss noch zwei unserer guten hausgemachten Schnäpse. Gegessen haben sie jeder nur eine Hauptspeise, aber die sind ja, wie Sie wissen, bei uns auch immer ziemlich üppig. Ich musste sie dann mehr oder weniger rausschmeißen, weil sie sonst weiter gefeiert hätten. Wie Sie eventuell wissen, war Ingrid ja auch ein lebensfreudiger Mensch, wobei mir auffiel, dass sie zum Schluss dann doch ziemlich müde war.“

      Voigt überlegte. „Ist Ihnen sonst noch irgendetwas aufgefallen?“

      „Natürlich. Jetzt, wo Sie es sagen. Der weiße Anzug der Begleitung war schon etwas unpassend und sehr auffällig. Durch sein wenig aufgeknöpftes Hemd konnte ich so etwas wie ein Tattoo erkennen. Eins davon war auf jeden Fall ein Totenkopf. Aber vielleicht habe ich mich da auch getäuscht. Es war ja nicht mehr ganz so früh und ich hatte an dem Tag eine Hochzeitsveranstaltung vorbereitet und war dadurch etwas müde. Aber durch den weißen Anzug und das helle Hemd schimmerte schon einiges durch.“

      Voigt notierte sich sämtliche Details und sagte mit trauriger Stimme: „Nur, damit Sie es wissen, Ingrid Engel ist gestern ermordet worden und der Herr, der sie begleitet hat, steht unter dringendem Mordverdacht. Eine kurze Frage. Wo waren Sie, nachdem Sie das Lokal verlassen haben?“ Nach einer kurzen, bedächtigen Pause antwortete er leise.

      „Ich bin direkt gegen 22h15 zu meiner Familie gefahren. Sie können meine Frau fragen. Sie ist in der Küche.“

      Hauptkommissar Voigt überlegte kurz, verneinte dann aber, da er wusste, dass seine Ehefrau befangen war und zudem ihrem Gespräch an der Türe zugehört hatte. Voigt bat ihn allerdings darum, nachmittags im Präsidium vorbeizukommen, um ein Phantombild vom vermuteten Täter erstellen zu lassen. Er verabschiedete sich und wies erneut auf den späteren Termin im Revier hin. Auf dem Rückweg klingelte sein Telefon. Elisabeth Winkler war in der Leitung.

      „Hallo Herr Polizeihauptkommissar. Sie hatten versucht mich zu erreichen?“.

      „Ja“, antwortete Voigt.

      „Bitte kommen Sie direkt zu uns ins Revier. Wir möchten mit Ihrer Hilfe ein Phantombild des Täters erstellen lassen.“

      „Ich bin auf dem Weg“, antwortete Elisabeth. „Bis gleich.“ Elisabeth Winkler und die Bedienung des Restaurants trafen mehr oder weniger zur selben Zeit im Kommissariat ein. Sie wurden hintereinander in das Zimmer gerufen, um eine gegenseitige Beeinflussung der Täterbeschreibung zu vermeiden.

      „So. Wie haben Sie den Mann spontan in Erinnerung?“ Elisabeth antwortete sofort.

      „Schwarze Haare und relativ kurz geschnitten, also drei bis vier Zentimeter lang.“

      „Langsam, langsam!“, antwortete der zuständige Sachbearbeiter. “Ungefähr so?“

      „Ja. Perfekt. Außerdem ziemlich dichte Haare. Dunkle Augenbrauen. Augenfarbe blau. Keinen Bart und einen relativ großen Mund mit dickeren Lippen. Größere Ohren als Standard. Körpergröße circa einen Meter achtzig. Weißer Anzug und weißes Hemd, darüber ein schwarzer Mantel. Muskulöser Hals und eventuell ein oder zwei Tattoos am Oberkörper, die am Ansatz des V-Ausschnitts seines Hemdes mit etwas Fantasie zu erahnen waren.“

      Voigt war skeptisch. „Wie konnten Sie die Tattoos erkennen, wenn er über seinem Anzug noch einen Mantel anhatte?“

      Elisabeth antwortete direkt. „Er trug den Mantel über seinem Anzug, das ist richtig. Allerdings hatte er zeitweise beide Hände in seinen Hosentaschen, sodass beide Kleidungsstücke nach hinten gedrückt wurden und sein Hemd ohne Probleme sichtbar war. Sobald er sie aus den Taschen nahm, sah man seine großen und dicken Finger. Sonst sind mir keine Besonderheiten aufgefallen. Ach doch, der geringe hessische Dialekt, den ich, wie bereits erwähnt, an dem einen Wort „gell“ erkennen konnte.“

      „Danke Elisabeth. Hier geht es im Moment aber nur um das Phantombild. Meinen Sie, dass dieses Bild ungefähr der Realität entspricht?“

      „Ja, so habe ich ihn in Erinnerung.“

      „Ihren Hinweis auf einen eventuellen hessischen Dialekt, werden wir separat im Text der Fahndung angeben. Könnten Sie bitte den nächsten Zeugen, der vor der Türe wartet, hereinbitten?“

      „Dunkle, kurze und dichte Haare. Augenbrauen dunkel, allerdings waren die Augen blau, was ja bei Dunkelhaarigen selten ist, aber gerade das fällt einem dann auf. An den Mund und die Lippen kann ich mich nicht so richtig erinnern. Ich glaube Standard, also normal, unauffällig. Körpergröße einen Meter fünfundsiebzig bis einen Meter fünfundachtzig. Durchtrainierter, sportlicher Körper, und wie bereits zu Hause angedeutet, meines Erachtens ein bis zwei Tattoos auf dem Oberkörper, Höhe beginnender Hals. Ja. So ist es perfekt. Ach, und natürlich der weiße Anzug und der schwarze Mantel.“ „Vielen Dank. Falls Ihnen in den nächsten Tagen weitere Dinge einfallen sollten, rufen Sie uns bitte unverzüglich an.“

       Direkt im Anschluss erstellte die Kripo ein Täterprofil, ergänzt durch das Phantombild und stellte es intern bundesweit in alle Polizeisysteme zur