Und du bist nicht da. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752929393
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habe ich es trotzdem getan? Ich kann nicht verstehen, was mit mir los war. Und dann Janine. Ich senke meinen Kopf und sehe an mir hinab. Daran kann ich mich absolut nicht erinnern, selbst wenn ich mich noch so sehr anstrenge. Ich kann doch nicht einfach mit ihr vögeln…Es würgt mich. Keine Ahnung was Anna jetzt von mir denkt. Dabei bedeutet sie mir so viel. Ich bin nicht hierhergekommen um mich zu verlieben. Es sollte einfach ein unbeschwerter Sommer werden. Doch dann habe ich sie gesehen. Wie sie ihre Augen aufgeschlagen hat nach dem Fahrradunfall. Wieder zieht es in meinem Bauch. Sie ist anders. Ganz anders. Sie ist so klug und besonnen. Und hübsch, auf eine ganz besondere natürliche Art und ohne den üblichen Kleister im Gesicht. Sie hat eine tolle Figur, nicht so skinny wie es jetzt scheinbar in ist, genau das gefällt mir. Sie strahlt eine mädchenhafte Leichtigkeit aus, die ich so nicht kenne. Ja…Sie ist anders…Ich muss lächeln. Papa hat sich auch in Mama verliebt und sie waren weit auseinander. Heute sind sie glücklich. Es ist also nicht ausgeschlossen. Nichts ist unmöglich. Ich muss mit ihr reden, mich entschuldigen. Während ich mich abtrockne, überlege ich wie ich das anstellen könnte. Ihr Vater ist streng. Er wird mich davonjagen, aber das muss ich riskieren. Ich werde ihm sagen, dass ich ehrliche Absichten habe. Ich bin kein Typ der seine Tochter nur flachlegen will, ich bin anders. Ich seufze für mich selbst. Nein…Bin ich nicht. Janine durchquert meine Gedanken wieder. Das kann ich ihr auf keinen Fall erzählen, sie würde es mir nicht verzeihen und ich kann das sogar verstehen. Nachdem ich mich angezogen habe, gehe ich hinüber zum Bauernhaus. Auf dem Weg dorthin offenbart sich mir ein ziemliches Chaos. Die nächsten Stunden ist wohl aufräumen angesagt. Frau Herzog lächelt mich an.

      „Na? Ausgeschlafen? Da sieht aber wer noch nicht ganz frisch aus?“, meint sie schmunzelnd.

      „Nein…Nicht so richtig. Darf ich das Bettzeug bitte tauschen?“, frage ich kleinlaut.

      „Sicher. Magst du einen Teller Suppe? Es ist noch etwas übrig vom Mittagessen“, meint sie.

      Ich nicke und setze mich an den großen schweren Holztisch. Heute komme ich mir so klein vor, es ist schrecklich. Selten wünsche ich mir meine Mum wäre jetzt hier, aber heute tue ich es. Sie weiß immer Rat.

      „Wo sind denn deine Freunde?“, fragt mich Frau Herzog und stellt mir einen dampfenden Teller Leberknödelsuppe hin. Mir ist immer noch schlecht, aber ich denke die Suppe wird helfen. Darum löffle ich langsam die heiße Brühe.

      „Ich glaube die schlafen noch.“ Ich werfe einen Blick auf die Küchenuhr. Es ist schon fast drei Uhr nachmittags. Keine Ahnung wie lange die Party überhaupt gedauert hat. „Kennen Sie Anna?“, frage ich leise.

      „Anna? Welche Anna denn?“, meint sie neugierig.

      „Sie wohnt in der Nähe von der Kreuzung oben am Ende der Straße.“

      Sie überlegt kurz, lächelt dann aber. „Du meinst die Anna Adler.“

      Ich nicke. Ja ich glaub sie sagte mir, dass ihr Nachname Adler wäre.

      „Das ist ein sehr nettes Mädchen“, nickt sie.

      Ich nicke auch. „Und der Vater, kennen Sie den auch?“

      Sie zieht die Augenbrauen hoch und atmet durch. „Durchaus. Ja.“

      „Der ist wohl nicht so nett…“, murmle ich.

      „Ich würde sagen, geh ihm aus dem Weg. Er ist nicht der angenehmste Zeitgenosse hier im Dorf. Warum fragst du?“

      Mir wird wieder schlecht. „Nur so…Ich mag Anna.“

      Jetzt schmunzelt sie ziemlich breit. „Kann ich verstehen.“

      Ich nicke wieder, senke meinen Blick danach aber und denke nach. Kein angenehmer Mensch. Shit. Aber ich muss dahin, ich will Anna sehen und mich bei ihr entschuldigen.

      Nach der Suppe geht es mir etwas besser. Ich gehe zurück zum Ferienhaus und beginne unmotiviert aufzuräumen. Die anderen sind inzwischen auch munter. Daniel verdreht grinsend die Augen und Sam kann es auch nicht lassen blöde Andeutungen wegen Janine zu machen.

      „Haltet einfach die Klappe“, murre ich. „Das ist alles ein riesen Shit.“

      Es dauert gefühlt ewig bis alles halbwegs aufgeräumt ist. Ich bin wieder komplett durchgeschwitzt und mein Kopf tut immer noch weh. Kurz nach sechs Uhr stehe ich frisch geduscht vor dem Spiegel und sehe mich an.

      „Ich fahre jetzt dahin. Ich muss sie sehen. Ich muss mit ihr reden. Sonst drehe ich durch. Ich darf kein Schisser sein. Ich bin ein Mann.“ Ich senke meinen Blick. „Ich bin ein Idiot.“

      Allen Mut zusammennehmend gehe ich hinaus und an meinen Kumpels die gerade eine Bretteljause essen vorbei. Mir dreht es schon wieder fast den Magen um.

      „Willst du nichts essen?“, meint Sam.

      „Nein. Ich fahre zu Anna“, sage ich bestimmt.

      „Zu Anna?“

      Ich bleibe stehen und nicke. „Ja. Ich habe Scheiße gemacht. Keine Ahnung wie ich das gutmachen soll.“

      Sam verdreht die Augen, natürlich kann er nicht verstehen wie ich mich fühle, ich verstehe es ja selbst nicht. Ich fahre langsam vom Hof, an der Weggabelung an der es zu Annas Haus geht bleibe ich kurz stehen. Da unten wohnt sie. Wieder das Gefühl in meinem Bauch, das es mir schwer macht klar zu denken. Ich fahre weiter. Ich werde das wiedergutmachen.

      Kapitel 9

       Anna

      Ich schaue unmotiviert irgendeinen Film, Mama stickt an ihrer Tischdecke, als es an der Türe klingelt. Mama sieht verwundert auf.

      „Kann das Ella sein?“, meint sie und legt das Stickzeug weg.

      „Glaub ich nicht, sie ist heute zu ihrer Oma nach Graz ins Heim gefahren.“

      „Vielleicht die Nachbarin, sie hat gemeint sie braucht ein paar Eier.“ Sie steht auf und geht zur Tür, ich wickle mich noch ein bisschen fester in meine Decke. Meine Schulter tut weh, darum weiß ich nicht recht wie ich mich hinlegen soll.

      Mama schaut ins Wohnzimmer. „Anna…Da ist ein Julian Knox für dich“, sagt sie ruhig. „Kommst du bitte.“

      Mir verschlägt es kurz den Atem. Julian? Hat sie das wirklich gerade gesagt? Ich setze mich auf und sehe sie erschrocken an.

      „Wer?“

      Sie lächelt und nickt dabei. „Du hast schon richtig gehört. Kommst du raus, oder soll ich ihn hereinbitten?“

      Ich schüttle fast ein wenig hysterisch den Kopf. Wie kann er sich nur erlauben hierher zu kommen, wo ich ihm doch oft genug gesagt habe, wie mein Vater ist?! Zum Glück ist er nicht hier, sonst würde das ganze Theater von vorne losgehen. Ich habe genug von den Schlägen für die nächste Zeit.

      „Nein Mama! Schick ihn weg! Er soll mich so nicht sehen und ich habe auch gar nichts mehr mit ihm zu bereden!“, sage ich bestimmt.

      Sicher?“, meint Mama mild und legt ihren Kopf zur Seite.

      „Ja sicher, er soll verschwinden!“

      Sie seufzt und dreht sich um. Ich springe auf und gehe bis zur Küchentür und lausche.

      „Ich gehe aber nicht weg bevor ich mit ihr gesprochen habe. Tut mir leid, wenn ich Sie belästige, aber das muss sein. Es ist wirklich wichtig“, sagt Julian sehr bestimmt zu meiner Mutter.

      Mama seufzt. „Sie wird nicht rauskommen.“

      „Dann warte ich. Irgendwann muss sie rauskommen. Ich habe ja Zeit.“ Er lässt nicht locker.

      Ich atme genervt durch und gehe zur Tür. „Ich