Mir steht bestimmt der Mund offen und ich bekomme kurz keine Luft. Darum atme ich ganz vorsichtig durch.
„Was?“, frage ich mit piepsiger Stimme.
„Ich liebe dich Anna“, wiederholt er und lächelt dabei zufrieden.
Meine Wangen fühlen sich heiß an, heute im positiven Sinne und in meiner Stirn pocht es seltsam, so als würde das Blut wie wahnsinnig durch meinen Körper rauschen. Ich kann nur nicken und ich glaube ich lächle auch. Es ist, als hätte die Erde sich für einen Moment nicht gedreht. Dann lässt er meine Hand los und fährt weg. Einmal dreht er sich noch um, ich hebe immer noch perplex meine Hand. Dann gehe ich hinein und lehne mich an die Haustür. Ich bekomme fast keine Luft. Er liebt mich. Er liebt mich!?
„Anna?“ Mama schaut aus der Küche. „Alles ok?“
Ich nicke in Zeitlupe. „Ja…Alles ok.“
„Habt ihr euch ausgesprochen?“
Wieder nicke ich. Sie kommt näher und verdreht die Augen.
„Anna Schatz“, säuselt sie und sucht meinen Blick.
Ich versuche wieder zu mir zu kommen und gehe an ihr vorbei an die Küche.
„Ja, ja, alles perfekt. Ich habe ihn zum Frühstück eingeladen, ist das ok?“
„Natürlich. Hast du noch Hunger?“, meint sie und mustert mich immer noch.
„Nein…Kein Hunger. Ich geh schlafen.“
Ich bin total in Trance und dieses Gefühl verändert sich auch den Rest des Abends nicht. Er liebt mich. Ich schlafe mit einem Lächeln ein.
Kapitel 12
Julian
Anna sieht mich ein wenig schüchtern an. Ich könnte sterben für diesen Blick. Wie sie ihre dunklen Wimpern aufschlägt und mich so zaghaft anlächelt, während sie ihr Spiegelei isst. Ich glaube es ist, weil ich ihr gestern gesagt habe, dass ich sie liebe. Ich liebe sie wirklich und was ich in ihrer Nähe fühle bestätigt meine Worte.
„Schmeckt sehr gut Anna“, lächle ich ebenfalls.
Sie nickt, immer noch ein bisschen schüchtern. „Die Eier sind von unseren Hühnern.“
„Toll“, nicke ich und schiebe mir die letzte Gabel voll in den Mund.
„Magst du noch etwas?“
Ich lege meine Hand auf ihr Knie unterm Tisch. Ja…Ich möchte vieles…Essen ist gerade nicht dabei auch wenn das Frühstück lecker war.
„Danke ich bin satt“, himmle ich sie an. Ihre Wangen werden ein bisschen rot.
Da ihre Mutter in Nebenzimmer ist, nehme ich meine Hand wieder von ihrem Bein. Ihre Mum ist nett. Anna sieht ihr ähnlich. Ich kann gar nicht verstehen, wie sie dabei zusehen kann, was ihr Mann seiner Tochter antut. Vermutlich hat sie keine Wahl. In der Grundschule war ein Mädchen in meiner Klasse die auch geschlagen wurde. Auch ihre Mutter wurde regelmäßig verprügelt. Ich erinnere mich dumpf an die blauen Flecken auf den Schienbeinen des Mädchens. Schon damals konnte ich es nicht verstehen. Wenn ich in Annas Gesicht blicke, fühle ich so viel Wut auf diesen mir unbekannten Mann. Wie kann man so etwas tun? Im Grunde ist er schwach, auch wenn er seine Stärke an ihr auslässt. Nur schwache Männer schlagen Frauen. Er ist ein Arschloch.
„Wollen wir fahren?“, reißt sie mich auch meinen Gedanken.
„Ja sicher. Was machen wir denn?“, antworte ich schnell und versuche meinen Groll hinunterzuschlucken, was beim Blick auf die blaue Stelle unter ihrem Auge nur schwer gelingt.
„In der Nähe gibt es so einen tollen Aussichtsfelsen. Ich dachte wir könnten da hin wandern. Hast du ordentliche Schuhe an?“
„Turnschuhe“, entgegne ich neugierig.
„Ja das geht. Also wollen wir?“
Ja ich will. Egal was. Ich würde einfach alles mit ihr und für sie tun. Gestern Abend habe ich noch mit Mama telefoniert. Ich habe ihr von Anna erzählt. Keine Ahnung ob sie mir glaubt wie ernst es mir ist. Trotzdem war sie neugierig. Ja es ist mir ernst, nur weiß ich noch nicht, wie sie von ihren Qualen in diesem Haus befreien kann.
Kapitel 13
Anna
Ich werfe mich fast weg vor Lachen, Julian verdreht ebenfalls amüsiert die Augen.
„Ich verstehe das Spiel nicht…Sorry…“, murmelt er und schaut in seine Karten.
Ich versuche ihm schon den ganzen Nachmittag „Schnapsen“ beizubringen. Ein Naturtalent ist er nicht gerade, aber genau das finde ich so lustig. Es ist nicht schwer gegen ihn zu gewinnen. Grinsend schaue ich über seine Hand in die Karten.
„Aber schau, das wäre doch gegangen“, erkläre ich ihm immer noch ein bisschen grinsend.
Etwas unmotiviert legt er die Karten auf den Tisch und seufzt gespielt. „Dazu muss man wohl Steirer sein um das zu kapieren. Magst du etwas trinken? Ein Glas Wein?“
Ich schüttle den Kopf. Wir sitzen schon seit dem frühen Nachmittag beim Tisch vor dem Ferienhaus. Wir haben viel geredet und eben Karten gespielt. Je mehr wir reden, desto besser wird sein Deutsch, das finde ich ganz toll. Er bemüht sich wirklich. Die anderen Jungs sind am See, obwohl ich glaube, dass es bald zu regnen beginnt. Es grummelt immer wieder und der Himmel ist mystisch grauschwarz verfärbt. Der laue Wind ist auf jeden Fall angenehm, denn es ist wieder einmal ziemlich schwül. Irgendwer hat gemäht. Der satte Duft vom grünen Gras gepaart mit der pappschweren Luft zieht vorbei.
„Nein, kein Wein. Ich habe mein Wasser“, meine ich und mische die Karten noch einmal. „Ich zeig es dir noch einmal. Wenn ich es verstehe, kannst du es allemal.“
„Du setzt hohe Erwartungen in mich.“ Er legt seine Hand auf meinen Oberschenkel. Das hat er heute schon öfter gemacht. Gestern auch. Es gefällt mir. Ich lächle ohne aufzusehen. Auf jeden Fall dürfte er bemerken, dass es mir gefällt.
„Der Wein vom Herzoghof ist aber ganz passabel. Zumindest der Weißwein. Den Schilcher mag ich nicht. Ich glaub der hat meine Sicherungen am Abend bei der Geburtstagsparty durchgebrannt“, meint er und schüttelt dabei den Kopf.
„Das war der Schnaps und die Kombination aus vielen giftigen Drinks“, meine ich.
„Ja. Vermutlich.“
„Aber du hast Recht, der Wein von den Herzogs ist gut. Muss er ja auch sein, die haben unsere Weingärten abkauft, also eigentlich ist das ein bisschen Adler Wein“, erzähle ich nebenbei. „Früher hatten wir einen Weinbaubetrieb.“
„Echt? Abgekauft? Warum denn?“ Julian sieht mich interessiert an.
„Na ja…sagen wir so. Es war die Rettung, damit wir zumindest unser Haus nicht verloren haben. Mein Vater hat alles verspielt und das Trinken hat es nicht gerade besser gemacht. Du verstehst jetzt vielleicht, warum ich nicht so auf den Alkohol stehe. Es kommt nie etwas Gutes raus, das Trinken verändert die Menschen.“ Ich senke meinen Blick und teile die Karten aus. Julian stoppt mich und hält seine Hand auf meine.
„Ich kann einfach nicht glauben was du schon alles miterleben musstest. Es nimmt mir die Luft zum Atmen Anna.“
Ich sehe auf und lächle. „Das muss es nicht. So ist mein Leben. Weißt du, Mama sagt immer man muss zuerst durch den Regen gehen damit man den Regenbogen sieht.“
Julian