„Ich habe dich nicht ignoriert“, sage ich leise und lege vorsichtig meine Hände an seinen Hüften ab. „Tut mir leid…“
„Ist schon ok. Was ist mit deinem Vater?“ Er zieht mich wieder fester an sich.
„Das ist kompliziert…Er ist streng und hat seine Prinzipien.“
„Prinzipien?“ Er zieht die Augenbrauen hoch.
„Control Freak“, seufze ich.
„Oh. Ok.“ Er streicht sanft durch meine Haare und lächelt mich wieder an. Ich könnte schmelzen bei diesem Blick.
„Now you are here“, flüstert er und küsst mich erneut.
Keine Ahnung wie lange wir im Wasser bleiben. Lange. Mir ist schon kalt, aber es ist so schön ihm nahe zu sein. Nachdem wir uns endlich irgendwie von einander lösen können, wickle ich mich in mein Badetuch und lege mich in die Sonne.
„Erzähl mir etwas von deiner Familie“, frage ich ihn.
Er legt sich neben mich und streicht mit seiner Hand über meine.
„Was willst du denn wissen?“
Ich zucke mit den Schultern. „Alles.“
Er schmunzelt und verdreht dabei die Augen. „Meine Mum kommt aus Deutschland, das habe ich dir ja schon erzählt. Sie hat sich in meinen Dad und sein Hotel verliebt, damals gehörte es allerdings noch meinen Großeltern. Inzwischen führen sie es in dritter Generation am Loch Leven. Kennst du das?“
Ich schüttle den Kopf.
„Ein schöner See in den schottischen Lowlands. Unser Hotel ist nicht weit vom See. Ich habe eine ältere Schwester, Catriona. Sie studiert noch, arbeitet aber schon im Hotel mit und wird es einmal weiterführen. Wie du ja schon weißt, interessiere ich mich nicht so für die Gastronomie. Ich möchte einfach nur mein Studium so schnell als möglich abschließen und dann neue Flugzeugtechniken entwickeln.“
Ich hänge an seinen Lippen. Es ist fesselnd wie er erzählt. Mit seinem Akzent und den manchmal etwas verdrehten Worten klingt einfach alles aus seinem Mund zauberhaft.
„Und du? Hast du Geschwister?“
„Ja. Zwei Brüder. Paul und Sebastian, aber die arbeiten beide im Ausland und sind viel älter als ich.“
„A little sister…“, grinst er und sieht mich dabei lange an.
Ich nicke etwas schüchtern, was dem intensiven Blick zu schulden ist.
Er schaut mich noch kurz an, dann zieht er sein Handy aus der Hosentasche seiner Shorts die neben ihm liegt.
„Schau, so sieht es bei mir zu Hause aus.“
Er öffnet die Fotogalerie und zeigt mir ein paar Bilder vom Hotel und der Umgebung. Es ist unglaublich. Wie aus einem Fotoband. Ich stelle mir vor, welche tollen Fotos man dort machen kann. Das Licht ist atemberaubend.
„Wow…Und du machst Urlaub in der Steiermark? Das ist doch traumhaft“, stelle ich fest.
„Ja…aber es immer wo anders schöner als zu Hause. Ich finde die Steiermark wunderschön. Es ist grün und trotzdem warm wie im Süden. Ich mag, wie es hier riecht und die Menschen sind freundlich.“ Er streicht sanft über meine Haut. „Und ich mag dich.“
Ich spüre wie sich meine Wangen röten. Mich. Er mag mich.
„Gibst du mir deine Handy Nummer? Dann kannst du mich das nächste Mal anrufen, wenn es Troubles mit deinem Control Freak Dad gibt.“
Ich seufze hörbar. „Ich habe Handyverbot.“
„Was hast du?“ Er richtet sich ein Stück auf.
„Kein Handy im Moment.“ Ich schließe etwas beschämt meine Augen. Keine Ahnung was er von mir denken wird. Handyverbot. Als hätte ich sonst etwas angestellt.
„Warum?“, fragt er vorsichtig nach.
„Eine schlechte Note in Mathe. Mein Vater meint, ich muss mich mehr auf die Schule konzentrieren, als auf meine Freunde. Ich lasse mich zu sehr ablenken.“
„Was heißt schlechte Note? So schlimm?“
„Eine drei“, murmle ich.
„Seriously? Das ist nicht wahr, oder? Ich war schon froh eine drei geschafft zu haben in manchen Fächern. In Mathe war ich allerdings immer gut. Ich kann dir Nachhilfe geben, obwohl ich finde, bei einer drei braucht man keine Nachhilfe.“ Er zuckt verständnislos mit den Schultern.
Ich seufze erneut.
„Ist doch egal“, meint er bestärkend.
„Nein ist es nicht. Ich habe sonst nur gute Noten, aber ich habe mich nicht genug angestrengt.“
„Hast du bestimmt. Und eine drei ist eine gute Note.“ Er greift wieder nach meiner Hand, aber diesmal so, dass ich mich über ihn beugen muss, weil er mich an sich zieht. „You are perfect Anna…“
Ich muss lächeln. Er ist perfekt. Er zieht mich noch weiter an sich und zum ersten Mal ergreife ich die Initiative und küsse ihn. Es ist wunderbar ihn zu küssen. Wie seine Zunge um meine spielt, wie er schmeckt, wie er sich anfühlt. Ich sauge ihn auf und kann mich schon wieder kaum von ihm lösen. Seine Hände gleiten zart über meine nackte Haut am Rücken. Ich schaffe es einfach nicht eine Gänsehaut zu unterdrücken.
„Ist dir noch kalt?“, fragt er vermutlich darum.
„Nein…Das machst du…“, entgegne ich verlegen und löse mich von ihm.
Meine Worte scheinen ihm zu gefallen. „Oh…Ich?“, grinst er.
Ich nicke nur und verdrehe dabei die Augen. Der Tag mit ihm allein ist traumhaft und vergeht für meinen Geschmack viel zu schnell. Wir haben viel geredet, aber auch viel geschmust. Sehr viel geschmust. Meine Lippen sind schon ganz taub, aber das nehme ich auf jeden Fall ganz locker in Kauf. Wir fahren zurück zum Platz an dem mein Fahrrad steht. Jetzt schmiege ich mich wie selbstverständlich an ihn. Ganz fest umarme ich ihn. Ich will ihn nicht loslassen, auch wenn ich weiß, dass es nur noch ein Stück ist. Ich will mich nicht von ihm trennen. Sanft drücke ich meine Nase in seinen Rücken und atme ein. Er riecht so gut. Unglaublich gut. Viel zu schnell sind wir bei meinem Fahrrad. Ich steige ab und gebe ihm den Helm, er steigt auch ab und nimmt seinen ebenfalls ab.
„Sehen wir uns morgen wieder?“ Sein Blick macht mich wahnsinnig.
„Ja sicher. Ich würde auch jetzt lieber bei dir blieben“, murmle ich etwas verlegen, was ihn zum Lächeln bringt.
„Dann bleib doch bei mir“, flüstert er.
Ich zucke mit den Schultern und atme durch.
„Schon gut Anna. Ich weiß. Dein Dad.“
Ich nicke wortlos und lege gleichzeitig meine Arme um seinen Hals.
„Ich mag dich auch Julian. Sehr sogar“, hauche ich.
Dann küssen wir uns lang. Es fällt mir schwer mich von ihm zu trennen und trotzdem mache ich es irgendwann. Wie in Trance strample ich nach Hause. Es ist ein ganz warmes Gefühl in meinem Bauch. Ein Gefühl, das ich so nicht kenne. Ich versuche nicht zu vergessen wie er riecht und wie er sich anfühlt. Ich will auch nicht vergessen, wie sich seine Hände auf meiner Haut anfühlen. Mein Herz klopft und es zieht in meinem Bauch. Ich mag ihn nicht nur, ich bin verliebt. Ziemlich verliebt.
Kapitel 5
Anna