Und du bist nicht da. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752929393
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unbedingt auf diese Schule, die sowieso keinerlei Zukunftsperspektive verspricht. Also muss ich lernen, keine miesen Noten. Kein Befriedigend in Mathe.

      „Ich lerne. Wie abgemacht“, sage ich leise.

      Er nickt seufzend. Vorsichtig riskiere ich wieder einen Blick in den Seitenspiegel. Mein Herz bleibt fast stehen, als ich Julian etwas entfernt hinter uns herfahren sehe. Er kommt immer näher, ich schaue nicht mehr zurück, aber ich höre, dass das Geräusch der Vespa immer weiter zu uns aufschließt. Papa schaut in den Rückspiegel. Bevor er etwas sagen kann, fange ich schnell ein Gespräch an.

      „Kann ich im Herbst mit dem Führerschein anfangen?“

      „Ja. Habe ich doch gesagt.“

      Ich nicke und versuche zu lächeln. „Dann würde ich mich demnächst bei der Fahrschule anmelden.“

      Er nickt und fährt auf die Ortsstraße. Wir biegen rechts ab, aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Julian links abbiegt. Richtung See. Fuck. Er glaubt bestimmt, ich will nichts mehr von ihm wissen oder so. Ich fühle mich bei dem Gedanken daran ganz schlecht. Mein Magen krampft sich zusammen. Wir parken vor dem Fahrradgeschäft und steigen aus, meine Knie sind ein bisschen wackelig. Ich gehe mit gesenktem Blick hinter meinem Vater her. Wenn ich mein Fahrrad habe, werde ich einfach zum See fahren. Er ist bestimmt dort. Hoffentlich ist er nicht böse, weil ich ihn aus dem Auto kaum angeschaut habe, aber ich werde es ihm erklären.

      „Anna, sag mal was ist denn heute nur los mit dir? Was trödelst du so?“ Er schiebt mich genervt in das Geschäft.

      „Ich komme schon“, murmle ich.

      Ich habe das Gefühl es dauert ewig bis wir dran sind. Im Laden ist es schwülwarm und mir inzwischen fast ein wenig schlecht. Endlich bringt ein Lehrling mein Fahrrad. Es war ziemlich kaputt und die Reparatur entsprechend teuer.

      „Danke Papa“, sage ich als er mir das Fahrrad vor das Geschäft schiebt.

      Er zieht die Augenbrauen hoch und nickt. „Pass jetzt besser auf. Wenn du so mit dem Auto umgehst, überlege ich mir das mit dem Führerschein noch einmal.“

      „Ich pass auf“, sage ich kleinlaut. Ich passe immer auf meine Sachen auf, aber für den Fahrradunfall konnte ich wirklich nichts, es ist einfach passiert. Ob es mir gut geht, hat ihn gar nicht interessiert.

      Wieder nickt er.

      „Kann ich jetzt zum See?

      „Fahr schon“, murmelt er.

      Meine Knie zittern wieder. Ich steige auf und fahre los. Das Fahrrad läuft einwandfrei. In meinem Kopf dreht sich alles wirr. Wenn er jetzt mit seinem Freunden am See ist, weiß ich nicht, ob ich mich traue hinzugehen. Was wenn Janine auch wieder dort ist? Vielleicht will er jetzt gar nichts mehr von mir wissen und ignoriert mich. Ich biege zum See ein.

      „Anna!“, höre ich meinen Namen. Ich bremse ab und halte an. Julian. Das ist seine Stimme. Das „Anna“ klingt aus seinem Mund so besonders. Sofort schlägt mein Herz Purzelbäume. Er steht unter der großen Eiche im Schatten und lächelt mich an. Ich steige ab und schiebe mein Fahrrad ihn seine Richtung. Er kommt mir entgegen. Ich lächle auch, was er weiterhin erwidert.

      „Hi…Entschuldige…Ich…“, stammelnd suche ich nach Worten.

      „Wolltest du mich versetzen?“, fragt er vorsichtig.

      Ich schüttle schnell den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Mein Vater…“

      „I was shocked…You ignored me…“, murmelt er und atmet dabei durch.

      „Nein, ich konnte nicht. Tut mir leid.“ Ich senke meinen Blick. Mein Herz klopft. Dann sehe ich vorsichtig wieder auf und lächle ihn an. Ich lächle so, dass er einfach spüren muss, wie sehr ich in mag. „Fahren wir jetzt zu dem Platz am See?“

      „Wenn du das noch willst?“, meint er schulterzuckend.

      „Ich habe mich so darauf gefreut.“ Ich spüre wie sich meine Wangen röten. „Wirklich.“

      Er legt seinen Kopf zur Seite und sieht mich an. „Ich mich auch Anna.“

      Etwas erleichtert atme ich durch.

      „Fährst du nicht mit mir?“, fragt er und schaut auf mein Fahrrad.

      „Doch…Würde ich schon gerne. Mein Vater wollte es unbedingt heute holen fahren. Darum konnte ich auch nicht pünktlich bei unserem Treffpunkt sein.“ Wieder senke ich meinen Blick. „Er würde nicht erlauben, dass ich mich mit dir treffe und schon gar nicht, dass ich mit dir fahre.“

      Julian nickt zaghaft, so als ob er nicht ganz versteht, aber er sagt nichts.

      „Ich lasse es an der Wegzweigung die zum See führt stehen, dann fahre ich bei dir mit“, meine ich darum schnell.

      „Ok“, entgegnet er. „Ich fahre langsam vor und warte dort auf dich. Du meinst ein Stück nach vor und dann links, oder?“

      „Ja genau“, nicke ich.

      „Then let´s go!“, fordert er mich auf.

      Ich fahre los, er fährt langsam an mir vorbei. Ich glaube er ist etwas angepisst über die Tatsache, dass ich vorhin im Auto einfach weggeschaut habe. Das erkenne ich an der Tonlage seiner Worte und auch am Ausdruck seiner Augen. Und er lächelt mich heute nicht so an wie sonst. Aber was hätte ich denn tun sollen? Mir ist so warm vor Aufregung und das schwüle Wetter lässt mich zusätzlich schwitzen. Es ist nicht weit bis zu der Stelle an der er schon auf mich wartet. Ich steige vom Fahrrad, stelle es in den Fahrradständer und sperre es ab. Um an den Platz am See zu kommen, müssen wir durch ein kleines Waldstück fahren, eine Schotterstraße führt dort hin. Er reicht mir den Helm, ich steige auf und bin plötzlich irgendwie erleichtert, auch wenn mein Herz immer noch klopft.

      „Halt dich fest“, sagt er und fährt los.

      Ich schließe meine Hände um seine Hüften, sein Shirt ist ein bisschen feucht, es ist aber auch wirklich schwül heute. Er greift nach meiner Hand und zieht sie ein Stück weiter um seine Mitte. Ich gehe darauf ein und schlinge meine Hände ganz darum. Diese Geste erleichtert mich ein wenig, vielleicht ist er doch nicht böse auf mich. Es ist toll. Der Fahrtwind, auch wenn man auf der ungefestigten Straße nicht so schnell fahren kann, ist angenehm und kühlt meine erhitze Haut ein wenig.

      „Bleib da vorne stehen“, rufe ich ihm zu.

      Ich kenne eine tolle, ganz ruhige und wunderschöne Badestelle ein paar Meter von hier. Er hält an, ich steige ab. Er nimmt den Helm ab, mein Blick hängt an ihm. Vor allem an seinen Augen. Wie immer.

      „Hier ist es so schön“, zeige ich ihm den Platz und gehe ein paar Schritte voraus. Er kommt mir nach und nickt bestätigend.

      „Bleiben wir hier?“, frage ich nach.

      „Ja…“ Er wirft seine Sachen zur Seite, schlüpft aus seinem Shirt und der kurzen Hose und läuft Richtung Wasser. „Ich muss da jetzt rein…Es ist so heiß“, stöhnt er.

      Ich sehe ihm hinterher und stelle meine Tasche ab. Er stürzt sich förmlich ins Wasser, ich muss kopfschüttelnd lachen. Langsam fällt ein wenig Anspannung von mir ab. Ich packe erst einmal mein Handtuch aus und lege es auf eine schöne sonnige Stelle in der Wiese.

      „Anna! Komm schon rein!“, ruft er und taucht erneut unter.

      Irgendwie bin ich aber trotzdem nervös. Ganz allein mit ihm hier. Ich kenne ihn doch gar nicht, auch wenn er so süß ist. Zögerlich ziehe ich mein Top über den Kopf und zupfe an meinem Bikinioberteil.

      „What are you waiting for?“Julian hebt fragend seine Hände, kommt dann aber aus dem Wasser und auf mich zu.

      „Ich komme ja schon.“

      Schnell schlüpfe ich aus meiner Shorts. Er greift nach meiner Hand und zieht mich zum Wasser. Ich habe gar keine Zeit zu überlegen ob es kalt ist, denn ich bin so schnell drinnen und habe gleichzeitig Julians Hände an meinen Hüften, dass es keine Zeit zum Nachdenken gibt.