Geliebter Wächter 2: Wolfsherz. Billy Remie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Billy Remie
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken der Bruderschaft 2
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750209534
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das hier war nicht seine Heimat, das wusste er, es war nur das, was er sehen wollte. Er war nicht wirklich dort, aber auch die Illusion war schön. Vielleicht sogar noch schöner, denn hier besaß er beide Augen und keine hässliche, zugenähte Augenhöhle verunstaltete sein Gesicht. Hier war er der, der er sein wollte. Zumindest äußerlich. In einer Illusion, in einem Traum, den er selbst träumte, gab es keine Makel. Selbst die Kälte fühlte sich wohltuend und keineswegs schneidend an.

      Cohen spürte ihn, noch ehe er ihn hören konnte. Meist konnte man ihn nicht bemerken, er war im Stande, sich völlig lautlos heranzuschleichen, vor allem in dieser Gestalt.

      Cohen blinzelte den Wolf an, der am Ufer entlang gemächlich auf ihn zukam. Er war groß für einen Wolf, knochig und kränklich, sein schwarzes Fell wirkte stumpf und fiel an manchen Stellen aus, außerdem waren seine Ohren ein wenig zu lang, schmal und spitz. Ein Monster, durch und durch, wären da nicht diese schwarzen, bodenlosen Augen, die ihm so sehr vertraut waren wie seine eigenen, wenn er in eine spiegelnde Wasseroberfläche blickte.

      Der Wolf gab ein Winseln von sich, als Cohen ihn nur ansah, und kam mit geducktem Kopf angetrabt. Er schlug mit der Pfote neben Cohen bittend auf den Boden, kaum, dass er in Reichweite war.

      Als Cohen sich nicht rührte, legte Bellzazar sich neben ihm ab und schmiegte mit einem weiteren Winseln den Kopf auf Cohens Schenkel. Große, schwarze Augen sahen zu ihm auf, die durch den Körperkontakt tiefblau aufleuchteten. Die langen Ohren waren eingeknickt und drückten Unterwürfigkeit aus.

      Cohen musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Bellzazar war vielleicht mehrere Jahrtausende alt, aber er war noch so verspielt und anschmiegsam wie ein hinter den Ohren grüner Bursche. Und damit traf er leider genau Cohens schwachen Punkt. Wie könnte er ihm in dieser Gestalt widerstehen? Wobei dabei ausnahmsweise keine sexuelle Komponente eine Rolle spielte, natürlich nicht. Und genau darum ging es, er fühlte keine Begierde, aber trotzdem raste sein Herz, wenn Bellzazar sich so aufdringlich an ihn schmiegte und seine Nähe und Berührung suchte.

      »Weißt du«, seufzte Cohen und kraulte Bellzazar hinter den Ohren, »das wäre herzerwärmender, würdest du nicht halb verwest aussehen.«

      Bellzazar gab ein tierisches Schnauben von sich und erhob sich wieder in eine aufrechtsitzende Position, wobei er so majestätisch und stolz aussah wie ein Löwe. »Du bist auch nicht in jeder Lebenslage eine Augenweide, Coco«, knurrte der Wolf.

      Cohen zuckte so erschrocken zurück, als habe er sich die Hand an Bellzazar verbrannt, und sackte dabei auf seinen Ellenbogen, um nicht gänzlich umzukippen.

      »Was ist?«, fragte der Wolf mit dunkler, grollender Stimme, wobei sich seine Lefzen bei jeder Silbe unnatürlich für einen Wolf bewegten. »Wenn du gerade aufgewacht bist, siehst du aus wie ein betrunkener Katzenbär. Von deinem Mundgeruch ganz zu schweigen.«

      Fassungslos starrte Cohen ihn an. »Du … du kannst sprechen?«

      Bellzazar schnaubte, dann hob er die Pfote und strich sich über die lange Schnauze, als wollte er sich den Nasenrücken drücken. »Ich bin ein Gott, natürlich kann ich sprechen.«

      »Und … das sagst du mir erst jetzt?«, rief Cohen anklagend aus.

      Der Blick des Wolfes war so ungerührt wie er nur sein konnte, es fehlte nur noch, dass er mit den Achseln zuckte. »War es denn davor je von Belang?«

      Der Konter entwaffnete Cohens Zorn, aber er verzog genervt das Gesicht, als er sich wieder aufrecht hinsetzte. Räuspernd zog er seine Weste glatt und wich Bellzazars Blick aus, indem er wieder auf den glitzernden Bachverlauf starrte.

      »Du musst gerade von Mundgeruch sprechen«, konterte er verlegen, »ich kann ihn bis hierher riechen.«

      Ein belustigtes Funkeln schimmerte in den Augen des Wolfes, Cohen konnte es im Augenwinkel ganz genau sehen.

      Seufzend wandte er seine ganze Aufmerksamkeit wieder der Landschaft zu und nahm sie mit allem, was sie bot, tief in seinem Herzen auf. Bellzazar folgte seinem Blick und spitzte die Ohren, als gefiele ihm, was er sah.

      Für einen Moment war es lieblich ruhig und friedlich, so als würde die Zeit stillstehen. Er wünschte, dieser Moment würde ewig dauern und er müsste nie wieder aufstehen. Mit Bellzazar einfach hier zu sitzen und die Verbindung zwischen ihnen zu spüren, die greifbarer war als der Wind um sie herum, erfüllte ihn schlicht mit einem Frieden, den er niemandem hätte begreiflich machen können.

      Er hätte es wohl auch nicht zugegeben.

      Trotzdem runzelte er nach einem Moment die Stirn und stellte fest: »Etwas ist anders als sonst.«

      Bellzazar gab einen Laut von sich, der sich wie ein Seufzen anhörte. »Du bist ja jetzt auch … anders

      »Wir sind nicht wirklich hier«, warf Cohen ein und betrachtete mit Wehmut die Berge hinter dem Bachverlauf, »das ist nicht die Wirklichkeit.«

      »Genau genommen, ist es schon Wirklichkeit, aber eben eine andere als jene, die du kennst«, warf Bellzazar mit seiner knurrenden Stimme ein, »du träumst. Das hier ist das Traumreich. Aber das heißt nicht, dass alles hier nicht auch irgendwie existiert. Was du siehst ist auch dann wahrhaftig, selbst wenn es verschwindet, sobald du die Augen öffnest.«

      Cohen verzog die Lippen zu einem traurigen Ausdruck. »Es fühlt sich nicht an, als würde ich träumen, das meinte ich. Ich kann … fühlen. Mehr als je zuvor. Ich kann sogar den Wind fühlen, wie er durch die Bäume zieht, das Wasser, wie es die Steine im Bach schleift, das Leben in den Grashalmen.« Ratlos schüttelte er den Kopf. »Ich konnte in meinen Träumen noch nie irgendetwas fühlen.«

      »Weil du ein Mensch warst«, erklärte Bellzazar und streckte dann seinen langen Körper genüsslich aus, ehe er den Wolfskopf wieder unter Cohens Arm hindurchzwängte und sich halb auf dessen Schoß legte. »Wenn Dämonen träumen, wandeln sie durch Träume. Manche von ihnen sind in der Lage, Sterbliche im Traumreich ausfindig zu machen und zu verführen, so können sie von ihnen Besitz ergreifen oder sie gar verzaubern. Du wirst dich daran gewöhnen, dein Verstand schläft eigentlich nie, und jetzt als Dämon nimmst du das ganz bewusst wahr. Das Traumreich ist auch nur eine andere Geisterwelt.« Seine Wolfsaugen leuchteten mystisch, als er beruhigend zu Cohen aufsah. »Deine Seele ist nun in der Lage, sich ganz frei und ganz bewusst hier zu bewegen, als wärest du wach, weil du im Grunde gar keinen Schlaf mehr benötigst. Wenn du in der anderen Welt einschläfst, bist du in dieser Welt wach, und schläfst du in dieser, erwachst du in der anderen.«

      Cohen streckte die Beine aus und legte einen Arm um Bellzazars Hals. Sein schwarzes Fell fühlte sich speckig und heiß an, trotzdem grub er die langen Finger tief hinein und kraulte ihn ausgiebig. »Das ist mir zu kompliziert. Sagen wir einfach, als Dämon ist alles etwas anders.«

      Der Wolf grollte, was sich wie ein dunkles Kichern anhörte, und rieb mit geschlossenen Augen den Kopf an Cohens flachem Bauch. »Langsam lernst du, nicht alles zu zerdenken.«

      »Ja«, seufzte er und musste leicht lächeln. Und es fühlte sich gut an, nicht ständig alles zu hinterfragen und zu ergründen, Erklärungen zu suchen und immer nach Antworten zu forschen. Er hatte viel mehr Zeit für andere Gedanken.

      Vielleicht war die Tatsache, dass er jetzt ein Dämon war schuld, aber irgendwie waren ihm gewisse Dinge gleichgültiger als vor dieser Wandlung. Vor allem die Tatsache, wo er war und bei wem er war und was er mit ihm gemacht hatte.

      Hatte er zuvor noch eine gewisse Scham und Reue verspürt, wenn er daran dachte, wie er sich Bellzazar einfach hingegeben hatte, wurde ihm bei der Erinnerung jetzt nur noch warm.

      Und wäre Bellzazar jetzt in Menschengestalt… Cohen schloss die Augen und stellte sich sehr lebhaft vor, wie er sich rittlings auf diesen rollen und gleichzeitig seine Hand unter das schwarze Hemd gleiten lassen würde. Wie er sich hinabbeugen und seine Zunge in Bellzazars Mund schieben würde. Allein der Gedanke, ihn zu berühren und zu schmecken und ihrer fleischlichen Begierde einfach ohne Hemmung nachzugeben, verursachte ihm einen prickelnden Schauer. Denn er wusste, wie stark sein Körper auf Bellzazar reagierte, wie intensiv