Geliebter Wächter 2: Wolfsherz. Billy Remie. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Billy Remie
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken der Bruderschaft 2
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750209534
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      *~*~*~*

      »Sollten wir ihnen nicht nachgehen?« Cohen stützte die Schulter an den Baum, an dem Bellzazar mit dem Rücken lehnte, und starrte auf das kleine Waldpfädchen, auf dem Desiderius und dieser Fremde verschwunden waren. Er machte sich Sorgen.

      Doch Bellzazar schüttelte den Kopf. »Gib ihnen etwas Zeit.«

      Cohen hob den Blick und betrachtete Bellzazars angespanntes Profil. Irgendetwas in seinem Inneren wollte die Hand heben und es berühren, aber er hielt sich zurück. »Warum hast du nie etwas gesagt?«, fragte er stattdessen. »Über diesen Fremden. Über …«

      »Ich wusste es bis vor Kurzem nicht«, gestand Bellzazar, was ihm sichtlich unbehaglich war. »Er wurde von Mächten geschützt, die älter sind als ich. Von Waldgeistern, die schon lange vor mir existierten. Ich wusste von diesem Vogel, diesem Hermaphroditen, dem Desiderius und Rahff begegnet waren, aber ich dachte, genau wie sie, er sei samt Ei auf hoher See ertrunken, als er versuchte, in seine Heimat zu fliehen.« Er drehte den Kopf und sah Cohen an, wobei seine schwarzen Iriden blau zu schimmern anfingen. »Korah hat ihn entdeckt, als er sich unerlaubt auf Expedition in die sterbliche Welt begab.«

      Cohen dachte einen Moment darüber nach und sah wieder hinüber zu dem Wald, wo Desiderius gerade vor eine weitere schockierende Neuigkeit gestellt wurde. Erst Cohens mehr oder weniger Wiederauferstehung, dann ein verloren geglaubter Sohn, der aus einem Ei geschlüpft war. Wäre Desiderius nicht selbst ein Halbgott und hätte sich nicht einst in einen Drachen verwandelt, wäre das alles gewiss zu viel für seinen Verstand gewesen. Zu viel auf einmal, um es wirklich zu begreifen. Für Cohen war es fast zu viel, dabei betraf es ihn nicht.

      Und es warteten noch weitere schicksalshafte Botschaften auf die Herrscher des Westens. Cohens Blick wanderte hinüber zur Ruine, wo ein großer, drahtiger Mann mit dunkler Haut, angespitzten Ohren und buttergelben, mandelförmigen Augen stand, an dessen Arm sich ein verunsicherter Bursche klammerte, der Wexmells unehelicher Sohn hätte sein können. Nur einige Schritte entfernt saßen Levi und zu seinen Füßen der gefesselte Wächter Place gemeinsam mit Korah – Bellzazars Schöpfung und irgendwie somit Desiderius` unverhoffter Neffe – der sich erhob, sobald er Cohens Blick bemerkte, und langsam auf sie zukam.

      Die Welt war ein einziges Chaos, dachte er und schüttelte den Kopf, ein Scherbenhaufen, den kaum jemand vermochte, so zusammenzusetzen, dass er einen klaren Sinn ergab.

      Es geschah zu viel auf einmal, dachte er. Und doch schien es richtig, hier zu sein. Dass sie alle hier waren, genau jetzt, hier und heute zu diesem Zeitpunkt. Alles lief hier zusammen, alle losen Fäden schienen endlich zu einem Punkt verknotet. Doch … wohin würde das alles führen?

      Zwei Finger legten sich um Cohens Kinn und zogen ihn zu Bellzazars Gesicht herum. Sie waren sich so nahe, dass sich fast ihre Lippen berührten, was Cohen beinahe einen wohligen Seufzer entlockte, doch er hielt sich zurück.

      »He«, Bellzazar lächelte schief, »nicht wieder so viel nachdenken. Wir lassen einfach alles auf uns zukommen. Derius wird’s schon verkraften.« Doch in seinen Augen stand Zweifel.

      Cohen erwiderte: »Du solltest es ihm sagen. Dass du es nicht wusstest, meine ich. Du solltest wirklich mit ihm reden, bevor er dir die Schuld gibt.«

      Bellzazar wandte den Blick ab und ließ Cohens Kinn los, was dieser sehr bedauerte, und durch die plötzliche fehlende Berührung wäre er beinahe gegen Bellzazar gefallen, weil er das Kinn auf dessen Hand gestützt hatte.

      »Das ist erstmal nicht wichtig«, blockte Bellzazar ab, »was er von mir hält, ist nie wichtig, er muss einfach nur verstehen. Und wenn es ihm leichter fällt, jemandem die Schuld für irgendetwas zu geben, dann ist das eben so. Lieber soll er mich hassen, weil er denkt, ich hätte ihm etwas verschwiegen, als in Selbstmitleid zu baden, weil er schuld daran ist, dass er nie nach diesem Ei gesucht hat.«

      Cohen verzog die Lippen wehmütig und legte Bellzazar eine Hand auf den steinharten, muskulösen Oberarm. »Unverbesserlicher Märtyrer«, murmelte er und legte den Kopf auf Bellzazars Schulter.

      Korah kam mit eingezogenem, demütig hängendem Kopf auf sie zu geschlurft und hielt die Arme vor der flachen, knabenhaften Brust verschränkt.

      »Es tut mir leid«, Reue ließ seine schöne Alabasterhaut grau erscheinen, »es ist meine Schuld, dass er sich in einen Drachen verwandelte, er wollte seinen Schützling retten. Wenn ich ihn nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, dann …«

      »Schon gut«, unterbrach Bellzazar ihn scheinbar genervt und verdrehte die Augen. »Ist ja nichts passiert. Und genau genommen ist das hier doch besser als erwartet. So können wir Desiderius alles schonend beibringen und ihn von der Dringlichkeit unserer Probleme überzeugen.« Dabei sah er hinüber zu Place.

      Korah seufzte erleichtert darüber, dass Bellzazar ihm nicht böse war, und trat auf diesen zu. Er lehnte sich aufdringlich an Bellzazars freie Seite und schmiegte die Wange an seine andere Schulter.

      Cohen musste Schmunzeln, als Bellzazar es mit einem Grollen zuließ und dann sogar die Nase im schwarzen Haar seiner Schöpfung vergrub.

      Cohen wurde ganz warm ums Herz, während er die beiden betrachtete. Bis er Bellzazars tief grübelnden Blick bemerkte.

      »Was ist los?«, hakte er leise nach, obwohl er eine Ahnung hatte, und hob den Kopf von Bellzazars Schulter.

      Sein Fürst zuckte nur mit den Schultern. »Nichts, was soll sein? Ich denke über unsere Möglichkeiten nach, diese göttliche Dirne kalt zu machen.«

      Cohen runzelte die Stirn. »Nein, das ist es nicht«, sagte er einfühlsam, »du wirkst angefressen.«

      Bellzazar wandte ihm das Gesicht zu. »Angefressen?«

      »Ja«, Cohen zuckte mit den Achseln, »verstimmt, miesmutig, wütend…«

      »Ich weiß, was angefressen bedeutet«, knirschte er und starrte mit eng verschränkten Armen vor sich hin. »Es ist nichts!«

      Dieser Sturkopf. Cohen schnaubte und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, dass du gesehen hast, wie er mich küsste.« Er wusste doch, was los war, Bellzazar konnte ihm nichts vormachen.

      Aber er zuckte nur mit den Schultern. »Ist mir gleich. Ich wusste, dass er das tun würde.« Nun sah er Cohen ins Gesicht und lächelte kalt und aufgesetzt. »Mir war bewusst, dass unsere Liaison nicht von Dauer sein konnte, vor allem seit er dich wieder sehen kann.«

      Cohen legte bedauernd den Kopf schief. »Bell…«

      »Nein, kein Mitleid«, unterbrach Bellzazar ihn und wirkte gleichgültig, »es ist, wie es ist. Du hast Nähe gebraucht, um dich an etwas klammern zu können, und ich war verfügbar. Jetzt kannst du dich wieder an die unglückliche Liebe zu meinem Bruder klammern.« Er wandte den Blick mit einer endgültigen Geste ab.

      Cohen wollte noch etwas sagen, wusste aber gar nicht, was. Er wusste ja noch nicht einmal so recht, was er fühlte. Sein Herz frohlockte, weil er wieder bei Desiderius sein konnte, trotzdem zog es ihn weiter zu Bellzazar hin. Und es schmerzte ihn, dass sein Fürst ihn von sich stoßen wollte.

      »Er ist eifersüchtig«, murmelte Korah plötzlich mit einem Grinsen in der Stimme und legte seinem Schöpfer eine Hand auf die Brust, »er platzt gleich vor Zorn.«

      Bellzazar presste die Lippen zusammen und konterte mühsam beherrscht: »Halt den vorlauten Schnabel, oder ich schmeiß dich vom Gipfel.«

      Cohen schmunzelte verstohlen und lehnte sich wieder an Bellzazar, der keine Anstalten machte, irgendeine körperliche Zuneigung zu ihm zu bekunden. »Er kommt eindeutig nach dir«, neckte Cohen ihn.

      Und Bellzazar schnaubte, legte aber die Wange auf Korahs Scheitel, wie es nur ein liebender Vater tun würde.

      *~*~*~*

      »Mein Name ist Doragon. In der Sprache unserer Stämme bedeutet es Drache. Es tut mir leid, dass ich nach Euch geschnappt habe, aber Ihr standet zwischen mir und meinem Schützling. Ich schwor ihm bei meinem Leben die Treue – und ihr wart mir im Weg. Aber