Tod im ewigen Eis. Hans Säurle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Säurle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753128030
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um Hirgelo nicht zu wecken. „Für unsere Schlafplätze und für unsere schönen neuen Schuhe.“

      Morgens bei Sonnenaufgang sammelten sich alle Männer und Kinder auf dem großen Platz. Es waren so viele, dass mehrere Hände nicht ausreichten sie zu zählen, sie hatten ganz unterschiedliche Arbeiten zu erledigen.

      Öcetim und Gilger hatten wieder Steinbrocken aus dem Felsen zu schlagen, Hirgelo durfte zu den Schmelzöfen. Erst hier wurde das reine Kupfer gewonnen, nicht das mit Eisen und Schwefel und anderen Dingen vermischte, sondern das Kupfer, das so viele Leute heiß begehrten.

      Diese Arbeit war interessant und schwierig, denn in den Öfen musste eine ganz bestimmte Temperatur erreicht werden, damit das Kupfer flüssig werden und sich von den Verunreinigungen lösen konnte.

      „Hier musst Du ein Loch lassen“, erklärte ihm Golgor. „Hier stecken wir später die Düse hinein, durch die Luft in das Innere des Ofens geblasen wird. Damit das Feuer noch besser brennen und eine große Hitze entwickeln kann. Der Ofen muss ungefähr so hoch werden“, dabei deutete er auf seinen Bauchnabel, „und auch ungefähr so breit.“

      Hirgelos Meister ging zu einem Bach, an dessen Ufern sich besonders guter Lehm befand. Er rollte kleine Lehmschlangen daraus und legte diese spiralförmig übereinander, so dass ein kleines Rohr entstand. Als es getrocknet war, band er es an einen Lederbalg und legte es vorsichtig in das von Hirgelo frei gehaltene Loch in den Ofen. Der bestand aus großen, kreisförmig aufeinander geschichteten Steinen, die mit Lehm verbunden wurden. Mit weiteren Lehmbatzen wurde das Loch nun zugeschmiert.

      Glühende Holzkohle war in den Ofen gelegt worden, dann eine dünne Schicht der zuvor zerkleinerten und in großen Steinbeeten gerösteten erzhaltigen Steine, darauf war wieder eine dicke Schicht mit glühender Holzkohle gelegt worden. Nun hatte Hirgelo unter der Aufsicht seines Meisters den Blasebalg zu bedienen. Er musste sehr gleichmäßig arbeiten, um nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Luft in den Ofen zu blasen. Eine letzte Schicht Holzkohle wurde oben in den Ofen geschaufelt, dann wurde der Ofen mit großen Steinen und Lehm verschlossen. Vorsichtig und konzentriert drückte Hirgelo auf den Blasebalg, um ausreichend Luft in den Ofen zu bringen und das Feuer immer heißer werden zu lassen.

      Golgor hatte sich niedergekniet, schaute einmal auf den Ofen, dann wieder zu Hirgelo und dem Blasebalg. Den Meister schien nichts mehr um sich herum zu interessieren, er hatte nur noch Augen für den Ofen und Hirgelos Blasebalg, dabei bewegten sich seine Lippen unaufhörlich. Hirgelo vermutete, dass er den Gott des Feuers und des Blitzes um seinen Segen bat. Sein Meister tanzte nicht, er hatte auch keine Zaubergetränke oder berauschenden Drogen wie ein Schamane eingenommen. Dennoch war er tief versunken in seiner Andacht, als redete er von Angesicht zu Angesicht mit den Göttern. Dabei war er hellwach und registrierte jede Veränderung des Feuers, das durch die Wand des Ofens flackerte. Durch die oberste schon weit nieder gebrannte Holzkohlenschicht züngelten gelbrote Flammen. Plötzlich veränderten sie ihre Farbe und wechselten ins Grünliche.

      Da schien Golgor aus seiner Trance zu erwachen, mit einem Stock stieß er ein Loch in den Ofen, eine schwarze Flüssigkeit quoll heraus. Der Meister nickte zufrieden und wies Hirgelo an, die heißen Ofensteine abzutragen. Er erklärte ihm, dass er zuvor nassen Lehm dick auf seine Hände und Unterarme auftragen solle, um sie gegen die enorme Hitze zu schützen und sich keine Brandverletzungen zuzuziehen.

      Stück für Stück kam nun schwarze Schlacke zum Vorschein, die Hirgelo wegzuwerfen hatte, da sie kein Kupfer enthielt. Unten, am Boden des Ofens, lag ein schwarzer Kuchen, an manchen Stellen schimmerte er rot wie Lachs. „Das ist es“, sprach der Meister ehrfurchtsvoll, dabei jedes Wort betonend: „Hier steckt das drin, weshalb sich alle hier so plagen. Kupfer! Woraus sich die schönsten und wertvollsten Dinge machen lassen, die ein Mensch je gesehen hat.“

      Die Arbeit in der Mine war hart und sie wurde zunehmend eintönig. „Manche Leute sind an den Öfen eingesetzt und manche arbeiten in den Stollen im Berg drinnen“, sagte eines Tages Öcetim zu Hirgelo und Gilger. „Wir klopfen uns mit unseren Steinschlägel hier draußen bucklig, fast immer müssen wir in gebückter Stellung arbeiten, kein Wunder, dass mich abends der Rücken schmerzt.“

      Hirgelo dagegen wurde die Arbeit am Schmelzofen zunehmend langweilig. Er wollte auch in einer Höhle arbeiten, weil da der Wind nicht so kalt wehe und es einfach wärmer sei. Er wurde deshalb bei Wurkaz vorstellig, der ihn von oben bis unten ansah und ihn grob an der Schulter fasste. „Die Kinder, die bisher dort gearbeitet hatten, sind nicht mehr zu gebrauchen, sie sind krank oder auch schon tot, Du kannst sie ersetzen und gleich mit mir kommen.“ Wurkaz sagte dies ohne eine Gefühlsregung, er hatte schon viele Kinder hier kommen und sterben sehen. Sie hatten keine Eltern, niemand wusste genau, woher sie kamen. Manche sagten, Celso habe sie geraubt oder ihren Eltern abgekauft. Aber das kümmerte oben in der Mine niemanden. Die Leute, die in der Mine arbeiteten, waren einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt und abends froh, wenn sie selbst den Tag heil überstanden hatten.

      Wurkaz brachte Hirgelo zu Walober, einem untersetzten Mann mit missmutiger Miene, der Hirgelo gleichgültig ansah, seine flache Hand in seinen Rücken drückte und ihn nach vorne in die Höhle stieß. „Da schau und duck Dich, hier rieseln immer mal wieder Steine herunter, manchmal kleinere, manchmal größere. Es wäre gut für Dich, wenn Du Dir eine Mütze besorgen würdest.“

      Hirgelo ging zum Schuppen am großen Platz, wo er auch schon seine Schuhe erstanden hatte. Dort traf er aber nicht Marabeo, sondern einen jungen Mann. Seine schwarzen, leicht gelockten Haare hatte er kurz geschnitten, über seinen weit auseinanderstehenden Augen und seiner scharf geschnittenen Nase zogen sich feine Augenbrauen. Sie gaben seinem Gesicht einen weichen, fast weiblichen Anstrich. Sein muskulöser Hals und seine kräftigen Schultern aber erzählten von harter Arbeit. Das Erstaunlichste an ihm war jedoch seine dunkle Haut. Noch nie hatte Hirgelo einen derart dunklen Menschen gesehen.

      Der dunkelhäutige junge Mann war erst am Tag zuvor in die Mine gekommen und sprach ihre Sprache nur schleppend. „Ich Namos“, stellte er sich vor. „Ich hier arbeiten jetzt, neu.“ Hirgelo schaute ihn neugierig an, besann sich dann und bedeutete ihm, dass er eine passende Mütze für sich suche. Namos nahm ein paar Mützen von einem Ast am Dach des Schuppens und bat Hirgelo sie anzuprobieren. Der entschied sich für eine größere Zipfelmütze, die er mit Heu auspolstern konnte und somit Schutz gegen herabfallendes Gestein bot. Während Namos ihm den Lederriemen unter dem Kinn festband, ermahnte er ihn, dies nie zu vergessen, wobei er seine Worte durch eindringliche Gesten unterstrich.

      Als Namos auch in Hirgelos Haselnussrute ein paar Striche schnitzte, betrat Marabeo den Schuppen, schaute sich Hirgelos neue Kopfbedeckung genau an, prüfte die Haselnussrute mit Hirgelos Zeichen und die jetzt frisch von Namos darauf angebrachten Schnitzereien. „Gut“, brummte er und nickte Namos zu.

      V

      Abends saßen sie um das Lagerfeuer, sie hatten gut gegessen und ein paar Schluck Pastosaako getrunken. Gilger schnappte seine Trommel und schlug gedankenverlorenen einen langsamen Rhythmus. „Wir haben einen Neuen bei uns am Feuer, den Namos meine ich, scheint ein netter Kerl zu sein, obwohl er etwas anders aussieht als wir.“

      Öcetim wandte sich an Namos: „Du hast schnell gelernt und sprichst schon ganz gut unsere Sprache. Ich würde gerne mehr wissen von Dir, von Deinem Land, Deinen Leuten, mich interessiert Deine Geschichte.“

      „Ja“, schloss sich Hirgelo an, „erzähl mal, Namos, wie es Dir bisher so ergangen ist, und weshalb Du so eine dunkle Haut hast.“

      „Also gut“, begann Namos. „Man sieht ja schon an meiner Haut, dass ich nicht von hier stamme. Von einem Land jenseits des großen Meeres komme ich, Unterstromland heißt es bei uns. In meiner Heimat haben alle Menschen solch eine dunkle Haut wie ich, das ist dort normal. Das Land liegt an einem großen Strom, der mit seinen Überschwemmungen alljährlich neue Fruchtbarkeit bringt. Viele Menschen leben dort, sie wohnen eng zusammen, dicht an dicht stehen unsere Hütten. Es gibt keine hohen Berge und schon nach einem Tagesmarsch endet das fruchtbare Gebiet, dann beginnt das todbringende heiße Sand-Land. Meine Eltern bauten Getreide an, daraus backten