Die Schule. Leon Grüne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leon Grüne
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754170724
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zu seinem eigenen Vorteil angelogen oder geflucht? Oder glaubst du, er war noch nie auf irgendetwas oder irgendjemanden neidisch?“

      „Natürlich denke ich das nicht“, gab David zu.

      „Und warum nicht?“

      „Weil es nun mal menschlich ist.“

      „Ja, verdammt richtig. Es ist menschlich.“

      Begeistert zog Trae ein weiteres Mal an seiner Kippe.

      „Es liegt in unserer Natur, Grenzen und Regeln zu brechen. So haben wir uns weiterentwickelt. So konnten wir Großes schaffen. Nimm nur die sieben Todsünden. Jedes riesige Bauwerk, jedes noch so prunkvolle Gebäude und jeder noch so teure überflüssige Gegenstand ist das Ergebnis von Völlerei und Maßlosigkeit. Päpste, Bischöfe, Kardinäle, alle sind sie in der Hölle gelandet, wegen ihrem verschwenderischen Leben, ihrem Geiz und ihrem Übermut. Die, die unsere Kirche und Religion als Stellvertreter Gottes darstellen, predigen Gott als liebenden Vater und gutmütigem Schöpfer. Aber wenn sie nicht das Glück gehabt hätten, solch eine Ausbildung zu erhalten, wo wäre dann ihr liebender Vater, wenn sie bettelarm auf der Straße gelandet wären? Entweder sind sie einfach schlecht in ihrer Aufgabe oder Gott ist grausam. Denn, wenn er tatsächlich so wäre, würde das bedeuten, dass er einen Teil der Menschen bewusst mehr lieben würde und ihnen Reichtum und Macht gibt. Den Rest speist er ab mit dem was übrig ist.“

      Er legte eine kurze Pause ein, um sich zu sammeln und fortfahren zu können.

      „Das heißt aber, dass ihnen trotzdem vergeben werden kann. Wenn er ihnen ihre Sünden vergibt, kommen sie nicht in die Hölle“, ging David dazwischen. Nach seiner Begutachtung im Spiegel und der Einschätzung, dass er wieder eine Rasur nötig hätte, hatte er sich wieder auf seine Bettkante gesetzt und gebannt Traes Worten gelauscht.

      „Denkst du tatsächlich, das will er? Warum sollte er jemanden auf seine Wolke hoch holen wollen? Merkst du nicht, wie es in der Welt zugeht? Krieg, Zerstörung, Gewalt, Armut finden direkt neben den Superreichen und ihren Luxusvillen statt. Der Klimawandel zerstört unsere Welt, auf der immer mehr Menschen leben. In dreißig Jahren wird es zehn Milliarden Menschen geben, die auf der Welt leben. Bis dahin wird unsere Welt noch mehr zerstört sein. Eines Tages werden Staaten vom Meer verschluckt werden, und wir werden immer weniger Land haben, das wir beherrschen können. Irgendwann wird der Tag kommen, wo wir an unserem eigenen Fortschritt ersticken werden, und die Erde wird zu einem Planeten, der frei von der Seuche namens Mensch ist. Der Tag, an dem wir aussterben, wird der Tag sein, an dem Gott sein zweites Paradies errichten kann, aber diesmal ohne Adam und Eva. Denk einmal darüber nach, David. Meinst du wirklich, er will uns retten und uns von unseren Sünden erlösen?“

      Ein letzter Zug, dann drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus. Angestrengt dachte David nach. Er würde gerne etwas erwidern und das Ganze vielleicht doch noch ins Positive wenden, doch Trae schien so gut wie alle seine Argumente negiert zu haben.

      „Vielleicht sollten wir über etwas anderes reden. Etwas mit weniger deprimierenden Aussichten. Davon habe ich heute weiß Gott schon genug erlebt“, sagte David erschöpft und wischte sich ein paar Mal über die Stirn.

      „Klar, warum nicht.“ Er merkte, dass es ihn deprimiert hatte, die Diskussion gewissermaßen verloren zu haben.

      „Yo Trae!“ Es klopfte ein paar Mal laut. „Was ist denn?“, antwortete er genervt in der Hoffnung, dass man ihn allein lassen würde.

      „Mike, Cory und ich wollen draußen ein paar Körbe werfen gehen. Kommst du mit?“

      „Verzieh dich, Vinnie!“, rief er durch die geschlossene Tür zurück.

      „Penner“, hörte er den Jungen vor der Tür leise murmeln.

      „Ich kann dich hören, du Wichser!“ Kurz danach fiel die schwere Eingangstür ins Schloss.

      „Tut mir leid, Kumpel. Vinnie geht mir in letzter Zeit ziemlich auf die Eier“, entschuldigte er sich für die benutzte Beleidigung. Auch das tat er häufiger bei David als bei anderen, dass er sich für solche Lappalien rechtfertigte, obwohl dieser eigentlich absolut kein Problem damit hatte.

      „Alles gut, kein Problem“, beruhigte er ihn.

      „Gut. Lass uns morgen noch was machen, bevor du dich ans Ende der Welt verziehst.“

      „Ich muss morgen noch meine Koffer packen und mich von Zoe verabschieden und schauen wie es ihr geht. Sagen wir, ich hol dich gegen vier ab und wir fahren was essen?“ „

      Vier Uhr, Neun Uhr, egal wann, ich bin dabei, Bruder“, versicherte Trae ihm. Sein Blick wanderte ein weiteres Mal über das Bild vor ihm auf dem Bett. Irgendetwas daran schien ihn anzuziehen und zu faszinieren. Dabei sah es eigentlich nicht viel anders aus als die anderen, die an seiner Tür hingen. Vielleicht war es einfach nur, weil es sich halb versteckt hinter einem anderen verborgen hatte und ihm so lange Zeit nicht aufgefallen war. Doch dann hätte er auch hinter die anderen Zeichnungen gesehen, ob sich dort noch weitere Alpträume verstecken würden. Verzweifelt suchte er nach einem Grund, warum es ausgerechnet dieses Blatt war, das ihn so in seinen Bann zog, doch er fand keinen.

      „Super, dann bin ich morgen pünktlich da und nehme dich mit.“ „Brauchst du vielleicht noch ein bisschen was für die paar Wochen?“ Davids Schmunzeln verschwand aus seinem Gesicht. Er hatte gehofft, dass er ihm diese Frage nicht stellen würde. Es war ihm unangenehm darüber zu reden, nachdem seine Mutter den Geruch sofort erkannt hatte und hysterisch geworden war. Dass es ein Fehler gewesen war, wusste er selbst auch. Ebenso bereute er es auch und wollte nichts weiter damit zu tun haben. Wenigstens konnte er nun mit Sicherheit sagen, dass diese Art der Entspannung keine Option für ihn darstellte.

      „Nein, brauche ich nicht. Ich will damit nichts mehr zu tun haben, verstehst du? Ich wollte nur die Erfahrung machen, wie es ist. Nicht mehr und nicht weniger. Danke Trae, aber das ist einfach nichts für mich“, erklärte er ihm kühl.

      „Respektiere ich vollkommen. Aber wenn du es dir anders überlegen solltest, sag mir einfach Bescheid.“

      „Werde ich. Danke für dein Verständnis.“

      „Immer wieder gerne, mein Freund. Du weißt doch auf den alten Trae ist immer Verlass.“ Mit einem Male stockte er. Ruckartig nahm er das Bild in seine Hände und betrachtete es genauer. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Eine Gänsehaut breitete sich auf seinem gesamten Körper aus. Sein Hals wurde trocken, und er begann zu schlucken. Zaghaft strich er über die Linien, die er selbst auf das Papier gebracht hatte, als wollte er sich vergewissern, dass sie wirklich da waren und er sie sich nicht nur einbildete.

      „Das weiß ich zu schätzen“, antwortete David, der nicht ahnte, mit welcher Angst sein Gesprächspartner grade zu kämpfen schien.

      „Hey, mir ist grade aufgefallen, dass ich Kurt noch seine Bestellung liefern muss. Kann ich dich später wieder anrufen?“

      Nun hatte auch er eine von seinen 25 kleinen Sünden ausgesprochen.

      „Klar. Ich muss mir eh noch Gedanken machen, was ich alles mitnehme.“

      „Gut, dann bis später“, verabschiedete Trae sich flüchtig und legte auf. Mit einem Satz sprang er von seinem Bett und lief zu seinem Schreibtisch hinüber. Eilig schaltete er seine Lampe an und riss ein leeres Blatt von seinem Zeichenblock ab. Hektisch setzte er sich auf den braunen dreibeinigen Holzhocker, den er unter dem Tisch hervorgezogen hatte. Ohne zu zögern, griff er nach dem nächstbesten Bleistift, den er in die Finger bekam. Stärke 6B. Eigentlich nicht optimal für die Vorarbeit von Zeichnungen, doch das spielte in diesem Moment keine Rolle. Er musste das, was er gesehen hatte – oder besser gesagt glaubte gesehen zu haben – so schnell wie möglich auf Papier bringen, bevor er es wieder vergessen würde. Ein letzter Blick auf das Bild, das er neben das leere Blatt gelegt hatte, dann setzte er den Stift auf und begann zu zeichnen.

      11

      Prüfend betrachtete David sein