Die Schule. Leon Grüne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leon Grüne
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754170724
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komm her!“, brüllte er seine Tochter an. Auch er hatte den Verband entdeckt.

      „Cal, bitte hör auf!“, herrschte seine Frau ihn an. Sie wusste, wie er war, wenn er betrunken und frustriert war, wie genau jetzt in dieser Situation. Dadurch, dass es schon nach sechs Uhr war, arbeitete er immerhin schon seit fast sechs Stunden seinen Vorrat an Bierdosen ab. Zudem war er erst recht aufgestachelt, weil seine Frau ihn vorhin, als die kleine Göre weg war, nicht rangelassen, sondern nur gemeint hatte, dass sie nicht könne, weil sie sich um die Wäsche kümmern müsse. Dämliches Weibsbild. Wieso musste er auch immer so gnädig sein und ihr eine Wahl lassen, ob sie denn mit ihm schlafen wolle oder nicht. Schließlich war sie mit ihm verheiratet und hatte ihre eheliche Pflicht zu erfüllen. Keiner könnte ihn anzeigen, dass er sie vergewaltigen würde, es gehörte zu ihrer Pflicht, sich es von ihm besorgen zu lassen.

      „Komm her, hab ich gesagt!“, wiederholte Cal sich lautstark und ungewollt lallend. Allgemein betrachtet ließen sich alkoholisierte Menschen in zwei Kategorien einteilen. Zum einen gab es berauschte Personen, die, wie Paul Williams, anhänglicher wurden und den Gegenüber nicht mehr loslassen wollten. Und zum anderen gab es Personen, wie Cal Hillton, die anfingen, aggressiv zu werden und ihren Gegenüber nicht umarmen sondern am liebsten dessen Auto – oder noch besser dessen Gesicht – mit seinem BB-10 Profi Baseballschläger von barnett (Modell 210 -4) ein neues, in seinen Augen optimiertes, Aussehen verpassen würden. Zögerlich ging Zoe auf ihn zu. Davids Blick und der ihrer Mutter folgten ihr sorgend.

      „Was ist das?“, fragte ihr Vater und zeigte auf den Verband. Das Bild, das er bot, war das eines klischeehaften Arbeitslosen. Schlecht rasiert, Dreitagebart, glasiger Blick, das weiße Unterhemd spannte über den immer größer werdenden Bierbauch und seine Schultern wurden von einem aufgeknöpften, kurzärmligen, grün weiß karierten Hemd verdeckt. David musste sich an Mrs. Prentons Taschentuch erinnern, das sowohl dieselbe Farbe, als auch dasselbe Muster wie das Hemd des betrunkenen Cal Hillton hatte. Man könnte meinen, sie hätte es sich aus den fehlenden langen Ärmeln seines Hemdes selbst herausgeschnitten.

      „Ich hab mich geschnitten“, erzählte sie kleinlaut. Sie hatte Angst, ihm in die Augen zu sehen. Außerdem konnte sie den strengen Biergeruch aus seinem Mund nicht ertragen, jedoch würde sie das nie offen zugeben, ansonsten würde er wieder einen seiner Anfälle bekommen, wie ihre Mom es ausdrückte.

      „Wer hat das getan?“, fragte er weiter. Man konnte förmlich spüren, wie die Wut in ihm aufstieg. Zwar gab es keinen Grund dafür, doch nachdem seine Frau sich nicht hatte anfassen lassen, musste er seinen Frust an etwas auslassen. Auch wenn dies seine eigene Tochter war.

      „David hat das gemacht“, antwortete Zoe ohne sich im Klaren darüber zu sein, dass ihr Vater die Verletzung und nicht den angelegten Druckverband meinte. Keine Sekunde später hatte Cal seinen Sündenbock gefunden, an dem er seinen Frust auslassen konnte.

      „Hast du meine Tochter verletzt?!“, brüllte er dem verwirrten David entgegen und erhob sich von seinem Thron, in Form eines gelben durchgesessenen Gartenstuhles. David wusste nicht, was er antworten sollte. Wie angewurzelt stand er auf den aus Muschelkalk gefertigten Pflastersteinen, welche den Weg vom Gartentor bis zur Haustür zierten. Bevor ihm überhaupt bewusst wurde, was sich in diesem Moment in Cals Kopf abspielte, hatte dieser bereits die Hälfte des gepflasterten Weges zurückgelegt.

      „Was hast du meiner Tochter angetan?!“, brüllte er ihn immer noch lallend und voller aufgestauter Wut an. David wich ein paar Schritte vom Tor zurück.

      „Daddy, er hat mir nicht weh getan!“, kreischte Zoe ihm in Angst um David hinterher.

      „Cal, lass ihn in Ruhe!“, mischte sich nun auch seine Frau ein.

      „Halt dich da raus, du Schlampe!“, peitschte er seiner Frau entgegen. Selber Schuld. Hättest du dich einfach von mir ficken lassen, dann wäre das hier auch nicht notwendig gewesen. Denn genau das war es. Notwendig. Irgendwie musste er ja seinen sexuellen Frust abbauen können. Dass es in dem Fall nun David traf, der ihm absolut nichts getan hatte, war halt einfach Pech für den Jungen.

      „Ich habe Ihrer Tochter nichts…“, doch weiter kam er nicht, da Zoes aufbrausender Vater das Tor erreicht hatte und ihn nun am Kragen packte.

      „Was hast du meiner Tochter angetan, du verdammter Hurensohn?!“

      „Nichts, Mr. Hillton!“, antwortete David mit sicherer Stimme. Die Sicherheit in seiner Stimme stachelte Cal noch weiter auf. Wie konnte der Bengel es wagen, keine Angst vor ihm zu haben? Nahm er ihn etwa nicht ernst? Hielt er ihn für einen Witz? Für einen Trunkenbold, der einfach in eine Zwangsjacke gehörte und nichts tat, außer Reden zu schwingen? Für einen abgehalfterten Ex-Security, der nicht einmal mehr in der Lage war, sich selbst gegen einem Teenager zu verteidigen?

      „Hör auf zu lügen!“ Er zerrte an seinem Kragen, der bereits deutlich weiter war, als es eigentlich vom Hersteller vorgesehen war.

      „Na warte! Ich prügle dir deinen kranken, pädophilen Tick aus deinem beschissenem Hirn!“ Mit diesen Worten holte er aus und schlug ihm mit der Faust, trotz seines hohen Promillegehalts, zielsicher auf sein linkes Auge. Der Schlag war nicht wirklich das, was man einen Kanonenschuss nennen würde, aber auch nicht das was man als Windhauch bezeichnen würde. Man konnte deutlich merken, dass er nicht mehr in der Form war, in der er sich befunden hatte, als er auf dem Höhepunkt seiner Security Laufbahn angekommen war.

      „Cal, hör auf!“, kreischte seine Frau hinter ihm, traute sich jedoch nicht an ihn heran. Zoes betrunkener Vater wollte grade zum zweiten Schlag ausholen, als David überraschenderweise zum Gegenschlag ausholte und ihm mit voller Wucht einen sauberen Haken verpasste. Mr. Hillton taumelte ein paar Schritte rückwärts, dann fiel er auf den Boden, wobei er sich zumindest so abfangen konnte, dass er auf seinem Hintern landete und nicht mit dem Kopf auf den harten Pflastersteinen. Er gab ein kurzes würgendes Geräusch von sich und erbrach eine galleähnliche Flüssigkeit, in der ein Stück seines Schneidezahns schwamm. Wegen seines hohen Alkoholkonsums und seinem geringen Konsum von fester Nahrung hatte er lediglich etwas Magenflüssigkeit erbrechen können. An dem Erbrochenen traf David keine Schuld. Cal hätte sich so oder so übergeben müssen, darauf hatte Davids Notwehr keinen Einfluss gehabt. An dem Stück Zahn, das darin schwamm jedoch schon. Der Kinnhaken, den David ihm verpasst hatte, hatte einen seiner oberen Schneidezähne so hart auf die unteren prallen lassen, dass dieser zur Hälfte abbrach und mit einer ordentlichen Portion seines „leeren“ Mageninhalts hinausbefördert wurde. Zoe stürmte auf David zu und klammerte sich mit ihrer gesunden Hand an seinem rechten Bein fest. Ihre Angst vor ihrem Vater war vergessen. Jetzt hatte sie nur noch Angst um David. Sie wusste, dass ihr Vater nicht so reagiert hatte, weil er sie beschützen wollte und sich um sie sorgte. Wenn er das wirklich machen wollen würde, hätte er sie nicht so oft geschlagen und ihr wehgetan. Mrs. Hillton lief währenddessen zu ihrem auf dem Boden sitzenden Mann, welcher schwer atmete und nach Luft zu ringen schien.

      „Ruhig atmen, Cal. Atme ein“, sie holte Luft. „Und atme aus“, sagte sie und stieß die eben eingeatmete Luft wieder aus.

      „Es tut mir so leid, Mr. Hillton! Ich wollte Sie nicht verletzen!“, entschuldigte er sich eifrig, wahrte aber weiterhin den Abstand zu ihm.

      „Verschwinde Junge“, keuchte er, während er immer noch damit kämpfte, seine Atmung wieder regulieren zu können. Mrs. Hillton drehte sich zu David herum und nickte ihm mit einer unterschwelligen Entschuldigung zu, dass es besser wäre, wenn er jetzt gehen würde. Zoe aber hinderte ihn daran, indem sie sich noch fester in sein Bein krallte und ihn flehend ansah, bei ihr zu bleiben.

      „Rufst du mich morgen an?“, fragte sie ihn traurig und legte ihren besten Bettelblick auf.

      „Versprochen“, sagte er und tätschelte ihren Kopf. Ihr Klammergriff lockerte sich, womit sie ihn offiziell zu seinem Nachhauseweg entließ.

      „Bis morgen, Kleine.“

      „Machs gut, David“, erwiderte sie.

      „Mach dir keine falschen Hoffnungen! Ich werde dafür sorgen, dass dieser Perverse nie wieder ein Wort mit dir reden wird!“, hörte er Cal wutentbrannt sagen, während er sich