Der blaue Kavalier. Albert Emil Brachvogel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Albert Emil Brachvogel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754183724
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um Gegenliebe warb. Wenn auch noch so erzwungen, Edward musste doch seine Freundlichkeit erwidern. Der reiche Verdienst, den William so seltsam dem Säckel des Hauses zubrachte, die Art der rätselhaften Arbeit bei Welby, verbunden mit der Neugier, hinter den Schleier dieser Geldquelle und die Seltsamkeiten des grauen Hauses in der Grubstreet zu kommen, welche auf William gar so tief gewirkt hatten, verbunden mit dem Verlangen, vielleicht selber der Vorteile zu genießen, die dort unzweifelhaft zu erringen waren, vermochte geraume Zeit den Dämon der Zwietracht und des Übelwollens, die kleinlichen und doch so heftigen Leidenschaften nieder zu halten, welche in Edward lebten.

      »Sag’, Willy, ist’s wirklich denn so gefährlich bei dem Esquire, dass man außergewöhnlichen Mut nötig hat? Könnte Unsereins nicht auch ’n Mal es wagen, bei ihm zu arbeiten? Scheint mir doch eher Gutes zu sein, was einem da geschieht, weil Du seitdem so gar glücklich und zufrieden geworden bist?«

      »Willst Du’s mit dem Esquire versuchen?« erwiderte William lebhaft. »Mein erstes Wort bei ihm soll sein, zu bitten, dass er auch Dich bei sich arbeiten lässt! Gefährlich, in jenes Haus zu treten, ist’s ganz sicher für den, dessen Gewissen nicht rein ist. Auf ihn würden alle schrecklichen Folgen dessen fallen, was in ihm an verwerflichen Gedanken, frevlen Wünschen und giftigen Leidenschaften wohnt. Wer aber die Prüfung seines Innern erst bestand, wird nie mehr unzufrieden sein. Selbst wenn ich auch treulos geworden wäre, Edward, Dir alles zu sagen, was ich über jenen Mann weiß, den sie einen Sonderling nennen und nur seines Reichtums wegen gelten lassen, Du würdest es doch so wenig verstehen, wie etwa eine fremde Sprache. Das will gesehen, gefühlt, im Herzen erlebt sein, Edward. Ich versprech’ Dir aber, einst sollst Du sicher in dies Haus; gedulde Dich bis dahin.«

      Mehr erfuhr Edward trotz aller Bemühungen nicht, und was er erfahren, war ebenso sehr geeignet, ihn zu erschrecken, als ihn nur desto lüsterner zu machen, das Dunkel zu durchdringen, welches den unbegreiflichen Welby umgab.

      Mehrere Jahre gingen hin. — Zu verschiedensten Malen war William längere oder kürzere Zeit bei dem Esquire gewesen, um zu arbeiten, und seine glückliche Heiterkeit blieb sich immer gleich. So oft ihn aber auch Edward ungeduldig fragte, »wann er denn nun auch einmal dort zur Arbeit komme«, — antwortete ihm William nur: »Ich habe gefragt und zur Antwort erhalten: er wird gerufen sein, wenn — seine Zeit gekommen ist!« —

      Diese Zeit schien nie kommen zu sollen. Dafür aber kam etwas anderes, Unerfreulicheres. —

      Das menschliche Gemüt, durch Klugheit und eigenen Vorteil gezügelt, kann wohl eine Zeit lang sein wahres Wesen verleugnen, seine Antipathien und Gelüste zurückdrängen, aber nicht auf die Dauer. Die Spannung, welche innerer Kampf stets erzeugt, die Unnatur jeder Verstellung, der Widerstreit zwischen dem inneren Fühlen und äußeren Tun des Menschen wird endlich so groß und unerträglich, dass er alle Bande sprengt, und seine ursprüngliche Natur nur umso wilder dann hervortritt. Dies geschah mit Edward und wurde durch eine neue Leidenschaft bewirkt, die alle anderen überwucherte und seine eigene Zukunft entschied. Dass er das Haus des Esquire nicht betreten durfte, erfüllte ihn mit tiefem Misstrauen und dem alten, schlecht unterdrückten Neide zu William. Er war der Meinung, dass es gewiss nur in dessen Absicht und Vorteil liege, ihn von Welby fern zu halten, dass diese von aller Welt gepriesene, in den Himmel erhobene Sanftmut, Herzlichkeit und Liebenswürdigkeit des Bruders aber nichts sei, als eine verdammt schlaue Berechnung, um sich der Macht über alle Gemüter, über das Haus und die Erbschaft zu versichern, welche er durch seine romantischen Tollheiten schon beinahe verloren gehabt.

      Edward glaubte fest, dass dieses Benehmen Williams auch die beste Manier sei, ihn bei Welby beliebt und unentbehrlich, ja sich vielleicht zum Herren des Sonderlings zu machen, indem er alle verrückten Gewohnheiten, wie die Geheimniskrämerei desselben begünstige, und es wahrscheinlich sehr gut zu Williams Plänen passe, den Ruf der Gefährlichkeit und des rätselhaften Schreckens mit verbreiten zu helfen, in welchem das Haus auf der Grubstreet stand. Die alte, tiefe Abneigung, der mühevoll bezwungene Hass gegen den Bruder kehrte mit doppelter Stärke in sein Herz zurück. Sonst hatte er ihm seines kavalieren Lebens, seiner Überhebung wegen übelgewollt, und nicht ganz ohne einen gewissen natürlichen, entschuldbaren Grund, jetzt feindete er ihn wegen seiner Vortrefflichkeit an, welche bei Williams ritterlichem Stande doppelt hochgeachtet wurde und Edwards gewöhnliche Denkungsart nur umso greller erscheinen ließ.

      Ein neues Moment aber wirkte entscheidend. Vom Augenblick an, wo Jeany Doderidge Cravenhaus betrat, hatte sie tiefen Eindruck auf Edwards Herz gemacht, und er hatte ihr von Stunde an besondere Aufmerksamkeit gewidmet, soweit sich dies nämlich mit seiner Vorsicht und der Furcht vor dem Vater vertrug.

      Mit höflichem Ernst hatte die Kleine solch verstohlene Galanterien hingenommen.

      Ob sie Edwards Absichten merkte, war schwer zu entscheiden, aber sie war Weib genug, um einen Galan hinzuhalten, ohne ihn zu ermüden, denn das verstehen Evas Töchter alle. Edward zweifelte einige Zeit auch nicht im Entferntesten, Jeany werde freudig »Ja« sagen, sobald er es für gut finden möge, seine eigentliche Bewerbung anzubringen. Seines Vaters zweiter Sohn wusste sehr genau, was sein Ehering wert war, und wie hoch die Puritanerin mit seiner Liebe geehrt werde. Diese Siegesgewissheit hatte indes einen argen Stoß empfangen, nachdem William das erste Mal von Welby zurückgekommen, und sein Auftreten ein so verändertes war. Jeany Doderidge errötete jedes Mal, wenn William mit ihr sprach, und verriet ein Interesse, eine Ergebenheit zu demselben, die über das bloße Verhältnis der Dienstbarkeit hinaus ging, in welchem sie und ihre Genossinnen zum Cravenhause standen. William, so schien’s, sprach aber öfterer und in herzlicherer Weise als sonst mit ihr. Nur noch die Eifersucht der Liebe hatte gefehlt, Edwards Hass gegen den Bruder unversöhnlich zu machen, sobald er sich nur erst überzeugt glaubte, dass derselbe ihn, wie bisher überall, nun auch in seinem heiligsten Interesse, dem höchsten Glück seines Lebens bedrohe. Sich diese Überzeugung zu verschaffen, nahm er den Augenblick wahr, wo Jeany sich einmal im Comptoir allein befand, um unter den Stoffen und Garnituren das Passendste zu einer Robe für Lady Falkland auszusuchen. Vater und Bruder waren fort, die beiden Schreiber in Geschäften des Hauses ausgegangen und alles ringsum still.

      »Ein Wort im Vertrauen, Jeany«, er stockte.

      »Ich höre, Mstr. Edward.«

      »Ihr wisst, Jeany, dass, seitdem Ihr in unserem Hause seid, ich Euch immer sehr höflich und zuvorkommend behandelt habe.«

      »Ihr wart immer gütig, Mister.«

      »Sehr zuvorkommend sogar, kann man sagen! Was ich Euch nur an Artigkeit erzeigen konnte, wie ich Euch nur bevorzugen und meinem Vater empfehlen konnte, ich tat’s.«

      »Gottes Gnade möge dafür groß an Euch werden.«

      »Ja, und keiner andren, glaubt mir, hätt’ ich’s getan, Jeany, obwohl Ihr ’ne Puritanerin seid und nichts herbrachtet, als Euer hübsches Gesicht und Eure geschickten Hände.«

      »Das Gesicht, Mister Edward, kann Alter und Krankheit bald entstellen, diese Hand kann erlahmen und alles, was Ihr an mir lobt, dahinfallen, so gut wie dieses prachtvolle Gewebe und selbst Eures Vaters Reichtum. Es sind Dinge dieser Welt, die Motten und Rost fressen. Aber das reine Licht der Schrift, die rechte Lehre, ohne Schlacken und Zutat, das Herz in unserer Brust, kann weder gefälscht, noch alt werden, noch erlahmen in mir, und spottet des Glanzes und Hochmuts, auf den Ihr pocht.«

      »Wohl, Jeany, richtig. Und ich bin diesem Eurem Glauben nicht etwa gram, obgleich es gefährlich ist, ihn zu hegen, und es Unehre bringt, ihn gar zu offen in unserm guten, ansehnlichen Hause zu bekennen. Aber das soll mich nicht abhalten, Jeany, und ich will über alles hinwegsehen, denn ich — ich — liebe Euch! Ich will Euch zu meiner Frau machen und werde meines Vaters Abneigung gegen Eure Sekte nach und nach überwinden. Einst sollt Ihr hier allein gebieten, Doderidge soll mein Bruder und Geschäftsteilhaber, Ihr werdet die reiche, geehrte Frau Edward Cravens sein, die mit niemand tauschen mag!«

      Jeanys Gesicht glühte purpurrot. Das Zeug, was sie ausgebreitet gehalten, war ihren Fingern entglitten, und mit gesenkten Wimpern hatte sie zugehört.

      Langsam erhob sie ihr Auge:

      »Und wenn Ihr alles mit mir teilen wollt, was Eures Vaters ist, und so tut, als seiet Ihr schon der Herr