Der blaue Kavalier. Albert Emil Brachvogel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Albert Emil Brachvogel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754183724
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York. Sie haben den langen Evans und ihr Zwergenvolk Jeffrey Hudson und Archias mit, da hab’ ich indessen Ruh’!« —

      Er setzte sich schwer atmend und starrte den blauen Kavalier an.

      »Was ist Euch aber denn, Mister?« sagte dieser beunruhigt, »Ihr seid wie abwesend?« —

      »Wie abwesend, ja! — Mein altes Herz ist bei der, die wohl ’ne treue Seele brauchen könnte in ihrem grenzenlosen Weh, ’n redliches, altenglisches Herz, das die Heimatlose grüßte von der Heimat!«

      »Herr, ich — ich kann nicht fassen, was Ihr sagt!« stotterte William bleich.

      »Von wem redet Ihr denn nur, Mann?« rief der Hofschneider.

      »Erinnert Ihr Euch beide wohl noch des Tags mit dem Rochester? Des Bildes unserer lieblichen Elisabeth, die den Pfälzer nahm? Und dass ich Euch sagte, sie sei ihrer Großmutter so gar ähnlich, und wie mich das oft traurig mache? — Meine Voraussicht trog mich nicht! — Friedrich der Böhmenkönig, ist vor ’nem Monate, grade am 8. November, bei Prag am weißen Berge von Tilly geschlagen worden! Ist entthront, ist in die Kaiseracht getan, Prag und ganz Böhmen ist erobert! Der Spanier Spinola aber hat die ganze Pfalz weggenommen! Flüchtig durch Schlesien und die Mark irrte die Unselige mit Gatten und Kindern, bis sie in Holland endlich zu Reenen Zuflucht fand!«

      Tränen rollten über des alten Mannes Wangen.

      »Entthront?! — Beraubt?! — Heimatslos?!« schrie William auf.

      »Heiliger Christ, ist das ein Unglück!«

      Der Schneider schlug die Hände zusammen.

      »Wo blieben denn aber die deutschen protestantischen Fürsten alle, deren Haupt Friedrich doch war?«

      »Weg! Sie blieben alle weg in der Stunde der Gefahr! Die Herren von der Union hatten ja vorher schon heimlich ihren Frieden mit dem Kaiser gemacht — und ließen Friedrich nun im Stiche! Hab’ ich nicht immer gefürchtet, dass bei der deutschen Heirat nichts Gutes ’rauskommen werde?!«

      »Nein, nein, Trehearne, das allein ist nicht die Schuld«, meinte der Schneider. »Hätten sie sich eben nur an der Pfalz genügen lassen, sich nicht in die Händel mit dem Kaiser gemischt und die Krone eines Volkes von halben Wilden genommen, die eine barbarische Sprache reden! König Jakob selber war dagegen, sagt man. Aber die liebe Eitelkeit und der Ehrgeiz, das ist das Ganze!«

      William wollte heftig auffahren, als ihm Trehearne zuvorkam.

      »Schämt Euch, Freund, schämt Euch, so von einer Tochter der königlichen Stuarts zu reden! Galt’s nicht die protestantische Lehre gegen kaiserliche Übermacht? — Freilich tat Friedrich nicht wohl daran, sich von Elisabeth aufreden zu lassen, die böhmische Krone zu nehmen, aber, lieber Gott, ist der Hang nach Größe denn einer Königstochter so unwürdig? War die Ärmste denn nicht kaum aus den Kinderschuhen, als sie in die fremde deutsche Welt hineinkam? Dazu an eines Mannes Seite, dem noch nicht der erste Flaum ums Kinn spross! Ist’s ein Wunder, wenn sie da irrte?!«

      »Und königlich hat diese hohe, unglückliche Frau geirrt!« rief William eifrig. »Die Majestät wird doch gleich das Parlament versammeln, gegen den Kaiser rüsten und mit allen braven englischen Herzen ausziehn, um der beraubten Elisabeth zu ihrem Lande zu verhelfen?!«

      »Ausziehn? Unser Herr? Das Parlament berufen? — Wo denkt Ihr hin, Sir? — Wisst Ihr denn nicht, wie schlimm er mit den Gemeinen steht? Dass sie ihm wohl mit den alten Forderungen und Klagen auf den Leib rücken, aber keinen Rosenoble bewilligen werden, es sei denn, er demütige sich? Dazu des Volkes Hass gegen Mylord Buckingham und dieser neue unselige Prozess Lord Bacons. Unser armer Herr kann ja nichts tun, Ihm sind die Hände überall gebunden! Hätte er aber auch Geld und Truppen, kann er denn offen gegen den Kaiser ins Feld ziehen? Würde sich denn nicht das Heiratsprojekt zwischen dem Prinzen Carl und der Infantin Maria gleich zerschlagen, das mit so vieler Mühe glücklich in Gang gekommen?!«

      »Für den künftigen Vorteil des Sohnes also«, entgegnete William heftig, »lässt der König die Tochter im Elend?! O, nie hat’s ’ne herzlosere, unwürdigere Politik in England gegeben, und Schmach wie Unglück wird das Ende sein!«

      »Aber Junge, Junge, was geht Dich denn das an? Kannst Du den Weltlauf ändern? Willst Du Sr. Majestät weisliches Regiment tadeln? Jeder schläft, wie er sich bettet! Ist der Kurfürst von unserem Herrn nicht gewarnt worden genug? Musste ihn denn der Teufel reiten, mit dem Kaiser anzubinden?«

      »Ob der Kurfürst Recht tat oder nicht, das weiß Gott allein, er ist dafür genug gestraft, Vater! So viel aber weiß ich, dass, wenn ein Kind so in Unglück, Schmach und Trauer gekommen, wie Elisabeth, ein Vater helfen muss! Einem wahren Könige steht es wohl an, mit dem Schwerte seinem Kinde Recht zu verschaffen, statt sich hinter politische Rücksichten und jene spanische Heirat zu verkriechen, die das Volk wie die Pest hasst und verwünscht! Woher dieser Hader im Lande, der Trotz der Parteien, die man sich über den Kopf wachsen ließ, als um Günstlinge zu mästen, die da enden wie Rochester, und nun Bacon, der, groß und weise als Denker, mit greisen Haaren auf der Höhe seines Ruhms vor den Schranken der Lords zitternd bekennen muss, er sei doch nur ein Schuft und Blutsauger seines Landes gewesen?! Hatte die tote Elisabeth je Furcht vor den Gemeinen, und legte das Volk ihr nicht Gut und Blut zu Füßen, wenn’s Ehr und Glauben und eine gute Sache galt? Wenn jener Geist der Kühnheit und der Liebe, des Rittertums und Opfermuts noch wie in ihren Tagen in den Seelen unseres feigen Krämergeschlechts lebte, die Tochter Englands sollte nicht vergebens in der Fremde weinen und ihre Hände hilflos nach der Heimat strecken! Für einen Mann im Lande wenigstens steh’ ich gut!«

      Damit stürmte der junge Mann hinaus. Staunend blickten ihm beide nach. —

      William barg seine furchtbare Erregung in seiner einsamen Klause. Die Schlacht am weißen Berge hatte auf einmal seinem Leben die rechte Deutung, seinen nebelhaften Phantastereien ein greifbar Ziel gegeben. Durch das Unglück war ihm Elisabeth näher gerückt, menschlicher geworden. Der Wunsch, sich ihrem Dienst zu weihen, war kein fernes unbestimmtes Sehnen mehr, es war ihm Pflicht, Naturnotwendigkeit geworden. Er sah seine Liebe zu ihr, den Ritterschlag und ihr jetzig Elend als etwas Zusammengehöriges, — eine Veranstaltung Gottes an, um ihn zum Retter der Frau zu machen, welche mit ihm einen wunderbar geheimnisvollen Seelenbund geschlossen. Sein Entschluss, das Vaterhaus zu verlassen, nach Deutschland zu gehen und der Kurfürstin seinen Degen anzubieten, stand fest, er erwog nur noch die Art, das zu bewerkstelligen, und die Mittel, welche ihm hierbei zu Gebote standen.

      Während dieses alles wie mit Feuerflammen noch durch sein Hirn loderte, trat der Vater bedächtig und lauernden Blickes zu ihm ein. Die Gefühlsexpektorationen seines Ältesten hatten ihn denn doch stutzig gemacht, und nach Trehearnes Weggehen sah er sich veranlasst, dahinter zu kommen, inwieweit sein Argwohn sich bewahrheite.

      »Was ist denn das mit Dir, William, dass Du Worte sprichst, die sich eher für’n Puritaner, für den Pym, Elliot oder Hollis im Parlament als für’n gehorsamen Untertan schicken, den Seine Majestät obenein zum Ritter schlug?«

      »Ja, zum Ritter, und ritterlich drum und treuer, als der König selbst, will ich handeln! Seit ich weiß, diese edle Frau sitzt in so namenlosem Jammern, leidet mich’s hier nicht mehr! Ich muss weg, Vater! Nach Deutschland! Und für altenglische Ehre und Stuarts Tochter das Schwert ziehen! Das ist das Rittertum, dessen ich wert bin, und das sie auf die Stirne mir geküsst hat in der Guildhall, da sie noch nicht ahnte, sie gehe lächelnd in ihr Elend!«

      »Und Du glaubst, ich bin Narr genug, das ruhig anzusehen?« schrie der Hofschneider außer sich. »Ich glaube gar, er ist in sie verliebt! —Heiliger Georg, will der Mensch hinüber laufen und sich für ’ne verjagte Frau totschlagen lassen! O willst Du nicht gar auf meine Kosten ’ne ganze Rotte landloses Volk auflesen und als blauer Ritter ins Blaue reiten?«

      »Warum nicht!«

      »Das wirst Du bleiben lassen, Mensch!« kreischte der Alte. »Hab’ ich darum gearbeitet, darum Vermögen erworben, dass Du’s mit solcher Windbeutelei vertun darfst? Bist Du darum zu Ehre und Ansehen gekommen, um in die Welt zu rennen und wie’n deutscher Landsknecht hinter der ersten besten Hecke zu sterben, statt