Der blaue Kavalier. Albert Emil Brachvogel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Albert Emil Brachvogel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754183724
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er dazu nicht einmal den Mut hat! Nenne mir die Gründe, ihn zu solchem Entschlusse zu bewegen! Was tat ich ihm je zuleide?«

      »Da Ihr’s anders doch nicht glaubt, so sag’ ich denn, Edward hat sein Auge auf Jeany geworfen, hat das Wort des Unheils ausgesprochen, und — sie hat ihn abgewiesen, denn sein Herz ist dürre, wie der Feigenbaum, der verflucht ward. Da Ihr aber leider öfters freundlich zu Jeany ward, glaubte er, Ihr hättet des Mädchens Gunst, und aller Neid, alle Missgunst, die er gegen Euch seit langer Zeit wie Otternbrut in sich genährt, sind Leviathane und Drachen geworden durch seine blutdürstige Wut der Eifersucht. Gestern war er in Temple in einer Spelunke und hat —«

      Die Tür ging auf. Ein Schreiber trat ein, der einen Brief brachte.

      »Vergebt, Sir, dass ich störe. Ein Bote von Esquire Welby, er will Antwort.«

      William erbrach das Schreiben.

      »Gut, gut, ich komme.«

      Er durchflog den Brief, indes der Schreiber hinausging.

      »Gott sei Dank, endlich! Edward wird mit mir heute zu dem Esquire gehen!«

      William wollte ins Comptoir.

      Doderidge packte ihn fest am Arme.

      »Ich beschwöre Euch, geht nicht fort. Ich hörte selbst, wie er die Mörder gedungen!«

      William entfärbte sich.

      »Also doch? Er konnte es doch?« —

      Dann reichte er aufatmend Doderidge die Hand, feierliche Ruhe kehrte auf sein Gesicht zurück.

      »Ich danke Dir, Freund. Sei ganz ruhig, ’s ist Gottes Fingerzeig, dass wir zu Welby gehen. Mir wird nichts geschehen, verlass Dich drauf. Schweige, warte, alles wird gut, ja vielleicht besser als vordem.«

      Er schritt hinaus.

      »In einer Stunde sind wir beide da«, rief er dem Boten zu und trat in die Werkstatt.

      »Dein Wunsch ist erfüllt, Edward, lies diesen Brief. Esquire Welby fordert uns beide heut’ zur Arbeit. Rasch, zieh’ Dich an, in einer Stunde müssen wir dort sein.«

      »Wir — beide hin?« schrie Edward auf, als, weckte ihn die Posaune des Gerichts. »Zu dem — Esquire?« — Er erhob sich schaudernd, das Schreiben entfiel seiner Hand. »Gerechter Gott im Himmel, jetzt gerade! Es — ’s ist nicht möglich!«

      Des Bruders ernst forschender Blick ruhte auf ihm.

      »Fürchtest Du Dich? Wie?«

      Er lächelte.

      »Sei ruhig, Edward, ich bin ja bei Dir. Komm, sei einmal ein Mann. Du hast’s ja selbst gewünscht und lange genug gewartet. Du findest mich auf meinem Zimmer, Doderidge mag aber dem Vater den Brief geben, wenn er kommt. Ich denke, wir werden· nicht allzu lange fort sein.«

      William entfernte sich ruhig, als empfände er nicht das Mindeste.

      Stier blickte Edward, mechanisch reichte er Doderidge des Esquires Bestellung, schwankend wie ein Trunkener verließ er die Werkstatt. Verzweiflung und Entsetzen rangen mit ihm. Mochten die Besorgnisse Doderidges auch wirklich noch so groß sein, die Ruhe Williams brachte endlich selbst mehr Ruhe in sein Herz, und auf Edwards Mienen war etwas wie Gewissenspein und Reue zu lesen. Es schien Doderidge wenig glaublich, dass William gerade an des Bruders Seite überfallen werden könne, zumal ihr nächster Weg sie durch die belebtesten Teile der City führte. Seine Sorge ernstlich niederkämpfend, ging der Puritaner an seine gewöhnliche Arbeit.

      Welche Selbstpein Edward, während er sich auf den unerwarteten Gang vorbereitete, erlitten, das stand auf seinem fahlen Gesicht, da er zu William eintrat.

      »Du hast wirklich große Furcht, man sieht es Dir an. Fasse Dich doch, der Redliche hat bei Welby nichts zu fürchten.«

      »Der Redliche, o mein Schöpfer! Das eben ist es. — Ich bin gegen Dich nicht — immer redlich gewesen, Bruder, und — ich fürchte mich.«

      William reichte ihm die Hand.

      »Ich vergebe Dir alles gern, so bist Du also nicht mehr schuldig. Komm nur.«

      Edward wollte sprechen und presste Williams Hand, aber das Wort blieb ihm zwischen den Zähnen.

      Er rang nach Luft. —

      »Gib mir unterwegs Deinen Arm und gehe dicht bei mir; willst Du?«

      »Warum denn nicht? Wir sind wohl selten genug Arm in Arm gegangen.«

      Als die Brüder auf die Straße kamen, fasste Edward William mit ängstlicher Hast unter den Arm und blickte sich scheu überall um.

      »Sonderbarer ist aber niemand wie Du, Edward! Fast glaub’ ich, Du bist krank.«

      »Ja, krank, — ich glaub’ es selbst.«

      »Was hast Du denn, dass Du so scheu umher und hinter Dich blickst?«

      »Es — es ist in London nicht immer sicher. — Man hat schon oft von Anfällen am lichten Tage gehört, und statt durch die City führst Du mich über Holbornhill und Smithsfield. Nimm Dich in Acht, ich bitte Dich!«

      »Sei unbesorgt. Wen sollte es denn reizen, uns anzufallen? Lass’ uns lieber den Geist auf das wenden, was uns nun bevorsteht, denn es ist sehr wohlgetan, mit reiner Hand und reinem Herzen zur Arbeit in das Haus zu kommen, dessen Geheimnisse Deine Geduld so lange auf die Probe gesetzt haben. Zwischen uns zumal, die Gott aus einer Mutter Schoß erweckte, darf fortan keinerlei Heimlichkeit mehr sein.«

      Edward atmete schwer, er rang nach Fassung.

      »Du sagtest vorhin, Du seiest nicht immer redlich gegen mich gewesen, Edward, aber das Warum sagtest Du nicht. Soll ich’s?«

      »Ja, schone mich nicht, ich — ich habe Deinen Hass, Deine volle Verachtung, verdient!!«

      »Hassen und verachten? Und meinen Bruder? Weinen müsste ich eher, hätte ich das Mittel nicht, Deiner Seele Krankheit endlich zu heilen, denn Deine Seele ist krank, Edward!«

      »Meine arme — elende Seele!« flüsterte er.

      »Warum hast Du denn nie das Herz gehabt, mir zu sagen, dass Du die kleine Jeany Doderidge liebst? Sie so über alle Beschreibung liebst, Edward, dass Du Deiner Vernunft nicht mehr mächtig bist? Freilich ist sie arm und ’ne Puritanerin. Unser Vater würde außer sich drüber sein, aber weißt Du denn nicht, dass treue Liebe alle Hindernisse besiegt, hoch und niedrig, arm und reich ausgleicht? In welcher Form wir zu Gott beten, ob puritanisch oder anders, das, glaube mir, ist jenem majestätischen Allwesen gleich, wenn wir’s nur mit wahrhaftigem Herzen tun. Sieh’, auch ich liebe! Liebe unglückseliger, törichter wie Du, Freund! Das Weib meiner Anbetung ist mir fern, steht sternenweit über mir, ach, meines Herzens Wahn ist eine Königstochter, ein Weib, eine Mutter! — Sag’, ist solche Narrheit nicht weit mehr zum Lachen, als Deine Leidenschaft für Jeany? Und dennoch bin ich etwa nicht traurig oder verzweifelt, denn ich weiß, über mir wacht der Regierer der Zeit, der alle wunderbaren Fäden der Menschengeschicke spinnt. Er führt dennoch zusammen, was er einander bestimmte, er legt in uns den starken Mut und Willen, die Träume unsers Herzens wahr zu machen! So denke Du nur auch, und dass Jeany Dein sein kann, wenn Du der Mann nur bist, ehrlich und frohen Vertrauens um sie zu ringen!«

      Edward, der staunend, brennenden Auges ihn angeblickt, stand still und ließ ihn los.

      »Du — Du liebst Jeany also nicht? Du stellest Dich meinem Glück nicht in den Weg, bist nicht mein Gegner und mein Feind?!«

      Er schlug entsetzt die Hände zusammen.

      »Hätte ich Jeany je geliebt, Dir hätt’ ich’s doch gewiss zuerst gesagt. Nein, nein, mir ist so ruhiges Glück, wie sie Dir bereiten mag, nicht beschieden. Meine Bahn geht weit davon, und ich werde vielleicht im fernen Kampfestaumel enden, während Du, der Herr vom Druryhause, der reiche behäbige Alderman, neben Jeany nichts von der Zwietracht der Welt empfindest. Wir sind am Barbican. Es ist die höchste Zeit, lass’ uns eilen.«

      Er bot Edward