App to Date. Carine Bernard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carine Bernard
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742760975
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ein kleiner Teil des Systems.« Er schob sich rückwärts aus der Öffnung. In der Hand hielt er eine Festplatte, die er vorsichtig wie ein rohes Ei auf einen Tisch zu den anderen legte. »Die Server laufen wie ein Uhrwerk.« Er deutete mit der Hand auf die Rückwand des Raums, an der sich eine Schrankwand mit Glastüren bis zur Decke zog. Hinter dem Glas waren graue Computergehäuse zu sehen, unzählige Kabel, Anschlussleisten und weitere Bauteile, die für Jenny ein undefinierbares technisches Gewirr ergaben. Nigel schien jedoch jedes einzelne mit Vornamen zu kennen und ging jetzt hinüber, um den ersten Schrank zu tätscheln.

      »Das hier ist unser Baby. Alles andere, was du hier siehst«, er umfasste mit seinem Arm den restlichen Raum, »ist nur die Sicherung. Falls etwas ausfällt, dürfen keine Daten verloren gehen. Es muss alles weiterlaufen.«

      Grüne Lichter blinkten in einem nicht erkennbaren Rhythmus, und Jenny seufzte erleichtert.

      »Dann ist es ja gut.«

      Nigel setzte sich an den Computerarbeitsplatz, der rechts an der Wand stand. »Moment noch.«

      Zahlenkolonnen liefen über den Bildschirm und Nigel musterte sie angespannt. Dann schloss er die Applikation und schaltete den Monitor aus. »Sieht aus, als wäre alles in Ordnung. Bis morgen früh muss das System jetzt mit einem einfachen Satz von Platten auskommen.«

      Er erhob sich und wandte sich zur Tür. Jenny trat einen Schritt zur Seite, aber er ging trotzdem so dicht an ihr vorbei, dass sich ihre Schultern berührten. Er stieß die Tür auf und ließ Jenny vorangehen.

      In seinem Zimmer gab sie ihm ihr goldenes Telefon, und er pfiff anerkennend durch die Zähne. »Wow, das ist schon das neue Modell«, stellte er fest. »Wo hast du das her?«

      »Mein Bruder hat es mir geschenkt.«

      »So einen Bruder hätte ich auch gerne«, erwiderte er und zwinkerte ihr zu.

      Jenny grinste. »Er arbeitet in der Marktforschung. Sie bekommen immer die neuesten Modelle, noch bevor sie in den Verkauf kommen.«

      Nigel verband das Handy mit dem Computer, und ein leises »Pling« ertönte. Er klickte sich durch mehrere Verzeichnisse, bis er eines fand, das »Jenny« hieß, und kopierte von da die Installationsdatei in den Gerätespeicher des Handys.

      »Es ist schon die neue Version, ich habe am Wochenende das Update verteilt.«

      »Du warst am Wochenende hier?«

      »Ja, klar. Da habe ich wenigstens meine Ruhe.«

      Jenny lachte. »Als ob du hier in deiner Höhle so viel Publikumsverkehr hättest.«

      »Ja das stimmt wohl. Aber es kommt immer jemand vorbei und will etwas von mir.«

      »So wie ich?« Jenny zog die Brauen hoch.

      »Dich meinte ich nicht, du bist natürlich jederzeit willkommen.« Er lächelte sie an, und Jenny grinste zurück. Sie mochte Nigel, und seine ungeschickten Flirtversuche waren inzwischen zu einem Spiel zwischen ihnen geworden.

      »So, fertig«, sagte er und befreite das Handy vom Kabel. »Starte es mal neu.«

      Jenny gehorchte und rief anschließend die App auf. Sie sah genauso aus wie die, die sie vorhin gelöscht hatte, doch als ihr Avatar geladen werden sollte, erschien nur ein weißer Kreis.

      »Deine Profile kannst du einfach aufspielen, so wie immer. Das Update ist rückwärtskompatibel. Es werden jetzt ein paar Daten mehr erfasst, und die Kartenansicht sollte schneller laden.«

      »Danke, Nigel.«

      »Es war mir ein Vergnügen.« Er stand auf und vollführte eine formvollendete Verbeugung. Er sah aus wie ein kleiner Bär in einem karierten Hemd, der einen Zirkustrick zeigte.

      Jenny lachte. Sie ließ zu, dass er sie kurz umarmte, erwiderte seinen kratzigen Wangenkuss und lächelte immer noch, während sie die Tür hinter sich schloss.

      Als sie sich umwandte, stand Carsten hinter ihr. Erschrocken fuhr sie zusammen.

      »Na, hast du mal wieder Nigel besucht?« Seine dunklen Augen schienen sich in ihre zu bohren, doch dann lächelte er unvermittelt, und Jenny lächelte zurück.

      »Er hat die Master-App auf meinem neuen Handy installiert«, erklärte sie. »Ich wollte heute Abend noch einen Testlauf machen.«

      »Das ist gut. Mit welchem Profil?«

      Er ging hinter ihr her und folgte ihr in ihr Arbeitszimmer. Es war leer, Dana und Piet waren nicht da, und Jenny ging zu ihrem Schreibtisch.

      »Ich wollte Rosalie nehmen. Ich habe letzte Woche ein paar Anpassungen vorgenommen und wollte testen, wie sie funktionieren.«

      »Die perfekte Frau. Du hast die Idee noch immer nicht aufgegeben?«

      »Nein. Ich bin inzwischen bei knapp fünfzig Prozent Grünen, und ich glaube, ich kann sie noch weiter verbessern.«

      »Hundert Prozent kannst du nicht erreichen, das ist unmöglich.«

      »Das weiß ich doch. Darum geht es mir auch gar nicht.«

      »Was versprichst du dir dann davon?«

      »Wissenschaftliche Erkenntnisse natürlich.« Jenny grinste ihn an. »Stell dir vor, wenn wir ein Profil zur Verfügung hätten, das für – sagen wir – siebzig Prozent aller Männer die perfekte Partnerin ist. Dann besäßen wir so etwas wie einen Katalog von allgemeingültigen Eigenschaften, die zwischen zwei Menschen quasi immer funktionieren. Ich finde, das wäre ein großer Fortschritt in der Beziehungsforschung.«

      »Ja, da hast du recht.« Carsten sah sie sinnend an. »Möchtest du deine Master-Thesis entsprechend ändern?«

      Jenny sah ihn überrascht an. »Aber nein, daran habe ich gar nicht gedacht.«

      »Gut. Das wäre nämlich eine umfangreiche Erweiterung deines Themas und eher etwas für deine Promotion.«

      Jenny zögerte kurz. Promotion?

      Dann sagte sie: »Die Datenerhebung für meine Masterarbeit ist schon fast abgeschlossen und letzte Woche habe ich mit der Auswertung begonnen. Ich werde daran jetzt bestimmt nichts mehr ändern.«

      Jakob sah zum gefühlt dreißigsten Mal auf die Uhr. Der große Zeiger schien an der Neun zu kleben, es war Viertel vor vier. Fünfzehn Minuten noch. Er brachte die Kaffeetasse und die leere Wasserflasche in die kleine Spülküche, stellte die Tasse in die Spülmaschine und die Flasche in den Kasten. Den offenstehenden Schrank schloss er, räumte einen Löffel und zwei weitere Tassen in den Geschirrspüler, die auf der Arbeitsfläche neben der Spüle standen, und sah sich in dem kleinen fensterlosen Raum um. Nichts mehr zu tun. Er schaltete die Neonbeleuchtung aus und schloss die Tür.

      »Jakob, gut, dass du noch da bist!«, ertönte eine Stimme vom anderen Ende des Flurs. Er wandte sich um. Betty hatte ihren massigen Körper hinter ihrem Schreibtisch vorgewuchtet und stand in der Tür zum Sekretariat. »Kannst du mir mal helfen?«

      Er seufzte resigniert. Seit das Geografische Institut komplett auf Linux umgestiegen war, hatte sich sein Aufgabenbereich schlagartig geändert. Vom einfachen Sachbearbeiter, der den Tag mit der Eingabe und Auswertung von Geodaten verbrachte, war er zum Mädchen für alles geworden, was die Computer der Mitarbeiter betraf. Nicht dass man seinen Arbeitsvertrag deshalb angepasst hätte oder er gar besser bezahlt worden wäre, nein. Man nutzte einfach sein Wissen über das neue Betriebssystem aus.

      Professor Baumgarten, der Institutsvorstand, nahm es hin, dass die Datenerfassung nun komplett an den beiden studentischen Hilfskräften hängen blieb. Genau genommen machten die beiden jetzt den Job, mit dem Jakob hier vor neun Jahren begonnen hatte, und der dafür verantwortlich war, dass er sein Geografiestudium nie beendet hatte.

      Im Grunde genommen war er froh über die neuen Aufgaben. Er saß nicht mehr den ganzen Tag vor dem Bildschirm, sondern war oft im Institut unterwegs, installierte dort ein neues Programmpaket, spielte da ein Update ein oder kümmerte sich um den großen Farbkopierer am Ende des Flurs. Darüber hinaus erstellte er Präsentationen