App to Date. Carine Bernard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carine Bernard
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742760975
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bist umwerfend.«

      Jenny schluckte, eine Hitzewelle fuhr durch ihre Brust. »Du kennst mich doch gar nicht.«

      »Nein. Ich weiß. Entschuldige. Es war dumm von mir.« Er schlug die Augen nieder und hielt sie auf die Tischplatte gerichtet, bis der Kellner zwei Kaffee auf den Tisch stellte.

      »Danke«, sagte er, und Jenny murmelte etwas Zustimmendes.

      Jakob griff gleichzeitig mit ihr nach einer der beiden Tassen, und ihre Finger berührten sich.

      »Entschuldige«, sagten sie beide wie aus einem Mund und griffen nach der anderen Tasse. Jenny kicherte, und Jakob fasste nach ihrer Hand. Sie hielt den Atem an.

      »Feuerrotes Eichhörnchen.« Er fuhr mit der Fingerspitze über ihren Handrücken. »Hat das etwas mit der Haarfarbe zu tun?«

      Nein, hatte es ziemlich sicher nicht. »Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Jenny. Sie sollte ihm ihre Hand entziehen, aber es fühlte sich einfach gut an.

      Er tupfte auf die Sommersprossen, die auch hier ihre Haut sprenkelten. »Eigentlich bist du gepunktet«, stellte er fest.

      Jenny runzelte die Stirn und zog die Hand zurück. »Machst du dich über mich lustig?«, fragte sie.

      »Aber nein, ich finde sie wunderhübsch. Jede Einzelne von ihnen.«

      Jetzt musste sie lachen. »Du hast keine Ahnung, was du da sagst.«

      »Wahrscheinlich nicht. Aber ich könnte es herausfinden.«

      Seine braunen Augen sahen sie bittend an, und Jenny versank darin wie in einem Meer von Schokolade. Jetzt war sie sprachlos.

      Jakob hob langsam die Hand. Seine Finger berührten ihr Haar, spielten mit den Locken, kitzelten sie am Ohr. Sie fuhr zusammen, und er nahm die Hand wieder weg.

      Sie griff nach seinen Fingern und hielt sie fest. Ihr Herz klopfte, und sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss.

      »Langsam, Jakob«, flüsterte sie. »Ich habe das noch nie gemacht.«

      »Du hast noch nie einen Mann gedatet?« In seinen Augen funkelten goldene Sterne.

      »Doch, natürlich. Aber mir hat noch nie eine App gesagt, dass er …«

      »… dass er perfekt zu dir passt?«, vervollständigte Jakob ihren Satz. »Zu mir auch nicht.«

      Seine Augen ruckten zur Seite. Er log.

      Jenny ließ seine Hand los und lehnte sich zurück.

      »Nein, das stimmt nicht«, sprach er weiter. »Ich habe schon ein paar Grüne gedatet, aber es war noch nie so wie mit dir.« Er sah sie geradewegs an. Jetzt log er nicht.

      Jenny rührte in ihrem Kaffee, riss ein Zuckertütchen auf und kippte es hinein, obwohl sie süßen Kaffee gar nicht mochte. Rührte weiter, alles nur, um ihre Hände beschäftigt zu halten.

      »Und jetzt?«, fragte sie schließlich. »Wie geht es jetzt weiter?«

      »Wir lernen uns besser kennen«, schlug Jakob vor. »Natürlich nur, wenn du willst.«

      Er drängte sie nicht, das gefiel ihr. Langsam nickte sie.

      Jakob nahm einen Schluck von seinem Kaffee, der inzwischen kalt geworden war, und verzog das Gesicht. Er drehte sich um, sah zum Eingang. Wo blieb sie?

      Die Toiletten waren auf der Rückseite des Hauses und nur von außen zu erreichen, was wohl dem sommerlichen Terrassenbetrieb geschuldet war. Vor ein paar Minuten hatte Jenny mit den Worten »Ich bin gleich wieder da« ihren Parka angezogen und das Lokal verlassen.

      Er schaute auf die Uhr. Zehn Minuten. Ihre grüne Wollmütze lag noch auf dem Tisch, er nahm sie in die Hand und roch daran. Glaubte zu riechen, wie sich ihre Haare angefühlt hatten, sah ihre Sommersprossen vor sich, als er die Augen schloss.

      Nach einer halben Stunde gab er auf. Er bezahlte die beiden Kaffee und trat aus der Tür, umrundete das Gebäude und steckte den Kopf in die Damentoilette. Alles war still, der kleine Vorraum war leer, die Tür zur Kabine halb geöffnet. Ihr Name lag ihm auf der Zunge, aber er verkniff sich den Ruf und wandte sich ab. Er tastete nach der Mütze in seiner Jackentasche. Beim Gehen zerknüllte er die weiche Wolle.

      Es hatte wieder zu regnen begonnen. Nässe durchdrang seine Schuhe, als er eine Wiese überquerte, er achtete nicht darauf und ignorierte auch das Wasser, das ihm von oben in den Kragen rann. Ohne genaues Ziel lief er einfach weiter. Der Park war menschenleer, nur ein einsamer Jogger zog in einiger Entfernung seine Runde, die Kapuze seines Shirts tief ins Gesicht gezogen. Ob er Jenny gesehen hatte?

      Er blieb stehen und hielt sein Gesicht nach oben, die Tropfen fielen auf seine geschlossenen Lider und rannen über sein Gesicht. Er wusste nicht, wie lange er so stand. Als er die Augen öffnete, war der Jogger herangekommen. Seine rote Jacke leuchtete wie ein Fanal. Feuerrotes Eichhörnchen.

      Jakob riss das Handy aus der Tasche und rief die App auf, die die ganze Zeit im Hintergrund aktiv gewesen war. Mit quälender Langsamkeit baute sich die Kartenansicht auf, das Display war nass, bevor die ersten Punkte erschienen. Er wischte es ungeduldig an der Hose ab. Nur Gelbe und Rote. Nein, da unten im Südpark war ein Grüner, fast hätte er ihn vor dem grünen Hintergrund der Karte übersehen. Er tippte ihn an, doch nichts passierte.

      »Verdammte Scheiße«, entfuhr es Jakob. »Wie dämlich kann man eigentlich sein?«

      Sie hatten den Handshake vergessen. Ohne Handshake hatte er keine Chance, sie wiederzufinden. Außer … Er machte auf dem Absatz kehrt und rannte den gekiesten Weg entlang, machte sich nicht die Mühe, den Pfützen auszuweichen. Seine Schuhe waren ohnehin schon durchweicht und verursachten bei jedem Schritt quatschende Geräusche. Er folgte dem Weg in einem großen Bogen um den Friedhof herum und an einer Kleingartenanlage vorbei. Das Tempo hielt er nicht lange durch, und bald verfiel er in einen gleichmäßigen Trab, so wie sonst auf dem Laufband. Er blieb erst stehen, als er zwischen den Bäumen den Deichsee schimmern sah.

      Ein Blick auf das Handy zeigte – nichts. Die einzigen Punkte befanden sich weit im Norden. Offenbar fand im Alten Stahlwerk eine Veranstaltung statt, denn hier war eine ganze Wolke von Datern zu erkennen. Im Westen lag das Gelände des Uni-Klinikums, hier tummelten sich ebenfalls einige, Rote und Gelbe, aber nicht ein einziger Grüner. In und um den Park herum war alles leer, kein Wunder bei dem Wetter. Er stützte die Hände auf die Rückenlehne einer Parkbank und wartete, bis er wieder zu Atem kam.

      Seine bisherigen Dates kamen ihm in den Sinn. Das Hellgraue Mauswiesel, die Lachsrosa Amsel und die Libelle, die Farbe hatte er vergessen. Mit dem Wiesel hatte er sich sogar ein paar Mal getroffen, Jasmin war eine hübsche Fitnesstrainerin, aber zu mehr als ein paar gemeinsam verbrachten Nächten hatte es nicht gereicht.

      Im Grunde suchte er ja gar keine feste Partnerin. Anfangs hatte er deshalb in der App auch »Sex« gewählt. Da war die Auswahl zwar groß, aber entsprach nicht wirklich dem, was er sich vorstellte. Durch die Wahl von »Liebe« lernte er tatsächlich nette Frauen kennen, und wenn sich daraus mehr ergab, sollte es ihm recht sein. Mehr traute er der App nicht zu. Bis heute. Bis er Jenny getroffen hatte.

      Die anfahrende Straßenbahn warf Jenny regelrecht in ihren Sitz. Sie schnappte nach Luft, und das Herz klopfte ihr bis in die Ohren. Nur vom Laufen, redete sie sich ein. Sie war nichts mehr gewohnt, was sollte es sonst sein, wenn der kurze Sprint zur Haltestelle sie so außer Atem brachte.

      Sie zog das goldene Handy aus der Tasche und starrte auf den Bildschirm. Da war er, der grüne Punkt, genau über dem Bootshaus. Sie tippte ihn an. Grasgrüner Dobermann. Nur einen Moment lang zögerte sie, dann beendete sie die App und schaltete das Handy aus. Es fühlte sich an, als schaltete sie ihr Herz aus.

      Ob sie auch so reagiert hätte, wenn sie Jakob ohne Hilfe der App kennengelernt hätte? Wahrscheinlich nicht, gestand sie sich ein. Zwischen ihnen war etwas, das hatte sie ganz deutlich gespürt. Je länger sie sich unterhalten hatten, umso mehr hatte es sich angefühlt, als ob sie sich schon seit Jahren kannten. Jeden Satz, den er sagte, schien sie schon einmal gehört zu haben, jedes Wort aus seinem