App to Date. Carine Bernard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carine Bernard
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742760975
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viel gemacht hatte.

      Das rote Eichhörnchen erschien auf dem Display, und Jenny tippte es an. Die Kartenansicht erschien. Der Park, in dem sie sich befand, war als gelbgrüne Fläche dargestellt, die von gepunkteten Linien, den Wegen, durchzogen war. Sie zoomte in die Karte hinein und fand sogar die Bank, auf der sie saß; ein blauer Pin markierte ihre Position.

      In dem Kartenausschnitt waren kaum Punkte zu sehen. Die App förderte direkte Kontakte, weswegen andere Dater nur in einem Umkreis von eineinhalb Kilometern angezeigt wurden. Um Details wie den Avatar zu sehen und ein Treffen zu vereinbaren, musste man sich sogar auf 300 Meter annähern. Das sollte verhindern, dass sich ein enttäuschter Dater auf die Suche nach seinem Date machte.

      Jenny musterte das Display und verzog das Gesicht. Außerhalb des Parks waren vereinzelte rote und gelbe Punkte zu erkennen. Vielleicht sähe das Bild anders aus, wenn sie nicht Liebe, sondern Freundschaft gewählt hätte, denn die Parameter für Freundschaft waren andere. Oder gar Sex, denn um guten Sex zu haben, brauchte es nur wenige Gemeinsamkeiten.

      Sie schüttelte den Kopf und hatte den Finger schon erhoben, um die App zu schließen, als am äußersten Rand des Kartenausschnitts ein grüner Punkt aufblitzte und sofort wieder verschwand.

      Sie hob die Brauen. Da war er wieder, und genauso schnell war er wieder weg.

      Sie schaute sich um und orientierte sich. Er musste irgendwo in den Straßen jenseits des Parks unterwegs sein und schien sich genau am Rand des Anzeigebereichs aufzuhalten. Sie erhob sich und ging langsam in Richtung Westen, die Augen auf das Display gerichtet. Da war er wieder!

      Der Punkt bewegte sich langsam nach Norden, weg vom Park. Sie beschleunigte ihre Schritte. Der Punkt hatte angehalten. Wartete er auf sie? Nein, jetzt setzte er sich wieder in Bewegung. An der nächsten Straßenkreuzung bog er ab und kam ihr entgegen. Sie waren noch ungefähr 800 Meter voneinander entfernt, und unwillkürlich wurde sie schneller.

      Himmel, was tat sie da eigentlich?

      Sie blieb stehen und versuchte, ihr Verhalten zu analysieren. Gegen das Jagdfieber war offenbar auch sie nicht immun. Dieser Aspekt ihrer Arbeit war ihr völlig neu, denn emotionales Engagement war in ihrem Job verpönt. Und trotzdem lief sie jetzt durch den Park und verfolgte diesen grünen Punkt. War es das, was die Menschen antrieb? War das der Grund, warum die App binnen weniger Monate solch einen Hype ausgelöst hatte?

      Der grüne Punkt war inzwischen so nahe, dass sie ihn anwählen konnte. Grasgrüner Dobermann. Ein Hund? Sie schüttelte den Kopf. In diesem Augenblick vibrierte das Handy in ihrer Hand. Ein Popup öffnete sich, und die Dating-Anfrage erschien. Sie schloss die Augen, ihr Herz klopfte bis zum Hals. Sollte sie es tun oder nicht?

      Ihr Zeigefinger schwebte über dem OK-Button, der Daumen lag auf dem Ausschaltknopf. Es war eine Mischung aus Trotz und Neugierde, wie sie sich eingestand, als sie das Display berührte.

      Jakob betrat das Lokal und sah sich suchend um. Feuerrotes Eichhörnchen. Er hatte bis eben krampfhaft vermieden, sich zu genaue Vorstellungen von der Person hinter diesem Avatar zu machen. Zu oft war er inzwischen enttäuscht worden. Aber nun war er in ihrer Hand.

      Normalerweise versuchte er, bei solchen Treffen der Erste zu sein. Derjenige, der zuerst da war und die Tür des Lokals im Auge behielt, war eindeutig im Vorteil, denn er konnte meist erkennen, wenn sich das Date näherte. Aber wer als Zweiter kam, hatte diese Möglichkeit nicht und musste raten, wer von den Gästen sein Date war.

      Er blieb stehen und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Worauf bezog sich das rote Eichhörnchen? Auf die Haarfarbe? Die Kleidung? Die – Gott bewahre – Schneidezähne? Oder war sie schon abgehauen, als er zur Tür hereingekommen war?

      Er hatte das selbst schon gemacht. Tintenblaue Brillenschlange war keine in Blau gekleidete Brillenträgerin gewesen, sondern eine fette Punkerin mit blauen Haaren und einem Tribal-Tattoo um das linke Auge. Er hatte sich nicht zu erkennen gegeben, sondern auf der Toilette abgewartet, bis sie aufgab. Das hatte ziemlich lange gedauert, und er fand es gar nicht witzig.

      Der kleine Tisch in der hintersten Ecke weckte seine Aufmerksamkeit. Eine junge Frau nahm ihre Mütze ab, und ihre lockigen roten Haare leuchteten wie ein Signalfeuer quer durch den Gastraum. Er atmete tief durch und setzte sich in Bewegung. Der Weg schien ihm mit jedem Schritt länger zu werden. Sie hatte ihn bemerkt, und sie lief bei seinem Anblick nicht weg, sondern schaute ihm entgegen.

      Mit seinem Aussehen war er im Allgemeinen auch zufrieden. Als Jugendlicher war er klein und dünn gewesen, das hatte er gehasst, doch seit er begonnen hatte, regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen, hatte er an Schultern und Brustkorb zugelegt. Er war noch immer nicht sehr groß, aber damit hatte er sich abgefunden. Und wenn er seine Haare etwas länger trug, so wie jetzt, kringelten sie sich im Nacken zu braunen Locken, was die Mädchen zu mögen schienen.

      Ihr breiter Mund verzog sich zu einem Lächeln, Sommersprossen tanzten, und er musste unwillkürlich an Pippi Langstrumpf denken. Er trat an ihren Tisch, sie stand auf und reichte ihm die Hand.

      «Hallo, ich heiße Jenny«, sagte sie.

      «Jakob«, antwortete er und erwiderte ihren Händedruck.

      Sie war klein, fast einen Kopf kleiner als er, und ihre Hand verschwand in seiner. Ihre Finger waren kühl, aber sie fühlten sich perfekt an. Am liebsten hätte er sie gar nicht mehr losgelassen, doch sie entzog sie ihm, als sie sich wieder setzte.

      Er tastete nach einem Stuhl und ließ sich ihr gegenüber nieder. Er war sprachlos.

      Jenny musterte ihr Gegenüber unauffällig. Er sah nett aus. Braunes Haar, lockig und etwas zu lang, ein zauseliges Bärtchen auf Oberlippe und Kinn, wie es jetzt viele trugen, braune Augen, nette Augen, ein nettes Lächeln. Sympathisch. Aber er schien stumm zu sein, sah sie einfach nur an.

      »Bist du öfter hier?«, fragte sie, um das Schweigen zu brechen.

      Er schüttelte den Kopf. »Nein. Du?«

      Sie nickte. »Ich gehe oft hier spazieren.«

      Genau genommen war sie noch nie im Bootshaus gewesen, hatte bisher immer nur draußen auf der hölzernen Terrasse gesessen, die sich zum Volksgartensee hin öffnete, aber da hatten auch andere Temperaturen geherrscht.

      »Was meinst du, hat uns zusammengebracht?« Sie biss sich auf die Unterlippe und ärgerte sich über sich selbst. Das war eine der Standardfragen, wenn sie die App testete. Doch Jakob schien sich nicht daran zu stören.

      »Ich habe keine Ahnung«, sagte er und hob die Schultern. »Was glaubst du denn?«

      Jenny überlegte fieberhaft. Für ihre Testprofile hatte sie eine Legende parat, hatte einen Katalog von Fragen und ein klar umrissenes Gesprächsziel. Jetzt ging es auf einmal um ihre eigene Person, und darauf war sie nicht vorbereitet.

      »Ich fotografiere gern«, sagte sie schließlich. »Die App sieht wahrscheinlich, wie viele Fotos ich gespeichert habe.«

      Jakob nickte. »Ganz bestimmt sogar. Ich fotografiere nämlich auch, aber nicht mit dem Handy.«

      Jenny strahlte ihn an. »Das ist ja cool!«, sagte sie und meinte es auch so.

      »Manchmal verkaufe ich sogar ein Bild an eine Zeitung, und das weiß die App sicher auch.«

      »Da kann ich nicht mithalten. Ich knipse nur mit dem Handy.«

      »Das macht doch nichts. Es kommt aufs Ergebnis an und nicht auf das Werkzeug.«

      Jenny nickte. Dass er nicht mit seiner Ausrüstung protzte, gefiel ihr. »Gibt es etwas, das du besonders gern fotografierst?« Mist, es klang schon wieder wie ein Interview, aber Jakob gab bereitwillig Auskunft.

      »Ich mache am liebsten Streetfotografie. Ich fotografiere Menschen auf der Straße, Fahrräder, Tauben, Mülleimer. Ich versuche, das Besondere im Alltäglichen zu zeigen.«

      »Das klingt schön.«

      Jakob sagte nichts, sondern schaute sie schon wieder nur an.

      »Was ist los? Warum siehst du mich so