Weihnachtsmärchenwald. Verschiedene Autoren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verschiedene Autoren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754924617
Скачать книгу
zu kümmern?“

      Herr Fish bat um Verzeihung, nahm Toby den Brief ab und überreichte ihn mit großer Ehrfurcht.

      „Von Alderman Cute, Sir Joseph.“

      „Ist dies alles? Habt Ihr sonst nichts, Austräger?“ fragte Sir Joseph.

      Toby antwortete verneinend.

      „Habt Ihr keinen Wechsel, keine Forderung an mich, von welcher Seite her es auch sein mag?“ sagte Sir Joseph. „Mein Name ist Bowley – Sir Joseph Bowley; wenn Ihr etwas habt, so gebt es her. Herr Fish hat ein Scheckbuch neben sich liegen. Ich lasse nichts ins neue Jahr hinübergehen. Jede Art Rechnung muß in diesem Haus am Schluß des alten beglichen werden, damit, wenn der Tod – wenn der Tod ...“

      „Mich wegraffen sollte,“ ergänzte Herr Fish.

      „Die Saite meines Daseins zerreißen sollte, Sir,“ erwiderte Sir Joseph mit großer Strenge – „meine Angelegenheiten hoffentlich im Zustande der Vorbereitung gefunden werden.“

      „Mein teurer Sir Joseph!“ sagte die Dame, die viel jünger war als der Gentleman. „Wie entsetzlich!“

      „Mylady Bowley,“ entgegnete Sir Joseph, der wie unter der ungeheuerlichen Tiefsinnigkeit seiner Bemerkungen hin und wieder stockte, „zu dieser Zeit des Jahres müssen wir an – an – uns selbst denken. Wir sollten Einsicht nehmen in – in unsre Rechnungen. Wir sollten fühlen, daß jede Wiederkehr einer so ereignisvollen Periode im menschlichen Leben Dinge mit sich führt – Dinge von tiefer Bedeutung zwischen dem Menschen und seinem – und seinem Bankier.“ Sir Joseph entledigte sich dieser Worte in einer Weise, als fühle er die volle Moralität derselben und wünsche, daß sogar Trotty Gelegenheit habe, sich an einem derartigen Gespräch zu erbauen. Vielleicht lag dies in seiner Absicht, weil er immer das Siegel des Briefes noch uneröffnet ließ und zu Trotty sagte, er solle noch eine Minute warten.

      „Mylady, Sie wollten Herrn Fish schreiben lassen...“, bemerkte Sir Joseph.

      „Herr Fish hat es, glaube ich, schon geschrieben,“ versetzte die gnädige Frau, nach dem Brief hinsehend. „Aber auf mein Wort, Sir Joseph, ich glaube nicht, daß ich es zulassen kann. Es ist so kostspielig.“

      „Was ist kostspielig?“ fragte Sir Joseph.

      „Dieser Wohltätigkeitsverein, mein Lieber. Sie gestatten nur zwei Stimmen für eine Unterzeichnung von fünf Pfund. Das ist in der Tat zu arg.“

      „Mylady Bowley,“ entgegnete Sir Joseph, „Ihr setzt mich in Erstaunen. Steht der Hochgenuß des Gefühls im Verhältnis zu der Anzahl der Stimmen, oder steht er für eine edle Seele im Verhältnis zu der Anzahl der Bewerber und der ganzen Gesinnung, in die sie durch ihre Bewerbung versetzt werden? Liegt nicht Aufregung der reinsten Art in dem Umstand, unter fünfzig Personen über zwei Stimmen zu verfügen?“

      „Ich gestehe, für mich nicht, denn man langweilt sich dabei,“ entgegnete die gnädige Frau. „Außerdem kann man sich keine Freunde verbinden. Doch ich weiß ja, Ihr seid des armen Mannes Freund, Sir Joseph, und denkt anders.“

      „Ich bin allerdings des armen Mannes Freund,“ bemerkte Sir Joseph, nach dem anwesenden armen Mann hinblickend. „Als solchen mag man mich immerhin verhöhnen, wie man mich schon verhöhnt hat; ich verlange dennoch keinen ändern Titel!“

      „Gott segne diesen edlen Gentleman!“ dachte Trotty.

      „Mit Cute da zum Beispiel bin ich nicht einverstanden,“ sagte Sir Joseph, indem er den Brief ausstreckte. „Ebensowenig sagt mir Filers Partei zu. Ich will nichts von einer Partei wissen. Mein Freund, der arme Mann, hat nichts mit irgend etwas dieser Art zu schaffen, und solche Dinge gehen ihn auch durchaus nichts an. Mir liegt mein Freund, der arme Mann in meinem Distrikt, am Herzen, und kein Mensch und keine Parteigruppe, mögen ihrer auch noch so viele sein, haben ein Recht, sich zwischen mich und meinen Freund zu drängen. Dies ist das Feld, von dem ich nicht weiche. Ich stehe meinem Freunde in der – in der Eigenschaft eines Vaters gegenüber und sage zu ihm: „mein guter Bursche, ich will väterlich an dir handeln.“

      Toby hörte mit großem Ernst zu – es wurde ihm nachgerade wohler zumute.

      „Mein guter Freund,“ fuhr Sir Joseph fort, indem er zerstreut nach Toby hinblickte, „du hast in diesem Leben nichts – ganz und gar nichts zu tun, als dich auf mich zu verlassen, und brauchst dich nicht zu bemühen, über irgend etwas nachzudenken. Ich will für dich denken, denn ich weiß, was gut für dich ist, und bin stets dein Vater. Dies ist die Fügung einer allweisen Vorsehung! Du bist nicht dazu geschaffen, um zu schlemmen, zu trinken und wie das Vieh deine Lust im Essen zu suchen“ – Toby dachte mit Gewissensbissen an seine Kuttelflecke – „du sollst nur die Würde der Arbeit fühlen. Geh aufrecht hinaus in die erfrischende Morgenluft und – und bleibe daselbst. Lebe spärlich und mäßig, benimm dich respektvoll, übe dich in der Selbstverleugnung, erziehe deine Familie mit fast nichts, zahle deine Steuer so regelmäßig als die Uhr schlägt, sei pünktlich in deinem Verkehr – ich gebe dir darin ein gutes Beispiel, denn du wirst Herrn Fish, meinen Geheimschreiber, stets mit einer Geldtruhe vor sich sehen – und du kannst auf mich als auf deinen Freund und Vater bauen.“

      „In der Tat, saubere Kinder, Sir Joseph,“ sagte die Dame mit einem Schauder. „Rheumatismen, Fieber, verkrümmte Beine, Asthma und dergleichen Schrecken.“

      „Mylady,“ versetzte Sir Joseph mit Feierlichkeit, „nichtsdestoweniger bin ich des armen Mannes Freund und Vater. Nichtsdestoweniger soll er aus meinen Händen Ermutigung erhalten. An jedem Vierteljahrstag kann er sich mit Herrn Fish besprechen. An jedem Neujahrstag werde ich mit Freunden auf seine Gesundheit trinken. Einmal im Jahr werden ich selbst und meine Freunde tief empfundene Worte an ihn richten. Einmal in seinem Leben kann er vielleicht öffentlich und in Anwesenheit der Honoratiorenschaft sogar eine Kleinigkeit von einem Freund erhalten. Und wenn er, nicht mehr durch derartige Antriebe und durch die Würde der Arbeit aufrechtgehalten, in sein trostreiches Grab sinkt, dann, Mylady“ – hier blies Sir Joseph seine Nase auf – „werde ich unter denselben Bedingungen ein Freund und Vater sein – seinen Kindern.“

      Toby fühlte sich tief bewegt.

      „O! Da habt Ihr auch eine dankbare Familie, Sir Joseph!“ rief seine Gattin.

      „Mylady,“ versetzte Sir Joseph in majestätischem Ton, „Undank ist bekanntermaßen die Sünde dieser Klasse. Ich erwarte keinen andern Lohn.“

      „Ah! schon als schlecht geboren!“ dachte Toby. „Nichts kann unser verhärtetes Gemüt rühren.“

      „Was ein Mensch tun kann, geschieht von meiner Seite aus,“ fuhr Sir Joseph fort. „Ich erfülle meine Pflicht als des armen Mannes Freund und Vater und bemühe mich, seinen Geist zu bilden, indem ich ihm bei allen Gelegenheiten die eine große moralische Lehre, die diese Klasse braucht, ans Herz lege. Das heißt, unbedingte Abhängigkeit von mir. Sie haben durchaus nichts mit – mit sich selbst zu schaffen. Aber auch wenn gottlose und hinterlistige Personen sie eines andern belehren wollen – wenn sie ungeduldig und unzufrieden werden, sich eines unbotmäßigen Betragens und schwarzen Undanks schuldig machen, was ohne Zweifel der Fall sein wird, bleibe ich dennoch ihr Freund und Vater. Es ist so von der Vorsehung verordnet und liegt in der Natur der Dinge.“

      Mit diesem großartigen Gefühl öffnete er den Brief des Alderman und las ihn.

      „In der Tat sehr höflich und aufmerksam!“ rief Sir Joseph. „Mylady, der Alderman ist so verbindlich, mich zu erinnern, daß er die ›ausgezeichnete Ehre‹ hatte – er ist sehr gütig – mich in dem Haus unsres gemeinschaftlichen Freundes, des Bankiers Deedles, zu treffen, und erweist mir die Gunst, anzufragen, ob es mir angenehm sei, wenn er Will Fern das Handwerk lege.“

      „Höchst angenehm!“ versetzte Lady Bowley. „Der Schlimmste von allen! Hoffentlich hat er einen Raub begangen.“

      „Ei nein,“ entgegnete Sir Joseph, in den Brief blickend. „Nicht ganz. Zwar nahe daran, aber nicht ganz. Es scheint, daß er nach London kam, um sich nach Arbeit umzusehen (sich zu verbessern,