Weihnachtsmärchenwald. Verschiedene Autoren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verschiedene Autoren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754924617
Скачать книгу
es mir angenehm sei, daß man es Will Fern endlich lege, so schätze er sich glücklich, mit ihm den Anfang zu machen.“

      „Jedenfalls soll ein Exempel an ihm statuiert werden,“ entgegnete die gnädige Frau. „Als ich letzten Winter unter den Männern und Knaben des Dorfes als eine hübsche Abendbeschäftigung das Spitzen und Öhren der Nadeln einführte und bei dieser Gelegenheit den Vers

      O laßt uns unsre Arbeit üben,

      Den Squire und dessen Haus stets lieben,

      Von unserm Tagsverdienste leben,

      Uns unsres Stands nicht überheben

      in Musik setzte, damit sie ihn dazu sängen, langte derselbige Fern – ich kann ihn noch sehen – an seinen Hut und sagten ›Bitt demütig um Verzeihung, Mylady, aber ist nicht doch noch ein Unterschied zwischen mir und einem großen Mädchen?‹ Natürlich erwartete ich dies, denn von dieser Klasse ist doch nichts als Unverschämtheit und Undank vorauszusehen. Doch warum sollte ich mich auch ereifern! Sir Joseph, laßt ein Exempel an ihm statuieren.“

      „Hm!“ hustete Sir Joseph. „Herr Fish, wollen Sie so gut sein, aufzumerken ...“

      Herr Fish ergriff augenblicklich seine Feder und schrieb, wie ihm Sir Joseph diktierte.

      „Privat.

      Mein teurer Sir!

      Ich bin Euch für Eure Höflichkeit in der Sache dieses William Fern, von dem ich leider nichts Günstiges sagen kann, sehr verpflichtet. Ich habe mich ihm gegenüber stets im Lichte eines Vaters und Freundes gesehen, bin aber (wie es leider nur zu gewöhnlich der Fall ist) mit Undank und beharrlicher Opposition gegen meine Pläne belohnt worden. Er ist ein unruhiger, rebellischer Geist. Sein Charakter duldet kein Erforschen. Nichts wird ihn dazu vermögen, glücklich zu sein, da er es doch so gut könnte. Unter diesen Umständen gestehe ich, daß Ihr meiner Ansicht nach der Gesellschaft einen Dienst leisten und ein heilsames Beispiel in einem Land geben würdet – wo, sowohl um derer willen, die im guten oder im bösen Ruf eines Vaters und Freundes der Armen stehen, als auch mit Rücksicht auf die irregeleitete Klasse selbst, Beispiele so nötig sind – wenn Ihr diesen Mann für einige Zeit als Vagabunden einsperren ließet, falls sich derselbe, wie er Euch in dem Verhör versprochen hat (und ich zweifle nicht, daß er Wort halten wird), wieder bei Euch einstellen sollte. Ich verbleibe“ usw.

      „Es kommt mir vor,“ bemerkte Sir Joseph, als er diesen Brief unterzeichnet hatte und Herr Fish ihn eben versiegelte, „als ob dies wahrhaftig eine Verordnung der Vorsehung sei. Am Schluß des Jahres kann ich sogar mit William Fern meine Rechnung begleichen und meine Bilanz aufstellen.“

      Trotty, dem der Mut schon längst wieder ganz und gar entsunken war, trat jetzt mit einer Jammermiene vor, um den Brief in Empfang zu nehmen.

      „Mit meinem Kompliment und meinem Danke,“ sagte Herr Joseph. „Halt!“

      „Halt!“ wiederholte Fish.

      „Ihr habt vielleicht gewisse Bemerkungen gehört,“ fuhr Sir Joseph orakelhaft fort, „zu denen ich mich durch den feierlichen Zeitpunkt, an dem wir angelangt sind, und durch die gebieterische Pflicht, in einem solchen Augenblick alle häuslichen Angelegenheiten zu ordnen, verleiten ließ. Ihr habt bemerkt, daß ich mich nicht hinter meine hohe Stellung in der Gesellschaft verschanze, sondern daß Herr Fish – dieser Gentleman da – ein Scheckbuch neben sich liegen hat und nur dazu hier ist, um mich in den Stand zu setzen, ein vollkommen neues Blatt aufzuschlagen, damit die neue Epoche mit einem vollkommen reinen Buche angetreten werden kann. Nun, mein Freund, seid Ihr gleichfalls imstande, Eure Hand aufs Herz zu legen und zu sagen, daß Ihr Eure Vorbereitungen für ein neues Jahr getroffen habt?“

      „Ich fürchte, Sir,“ stammelte Trotty, ihn demütig anblickend, „daß ich mit der Welt ein – ein – wenig im Rückstand bin.“

      „Im Rückstand mit der Welt?“ wiederholte Sir Joseph Bowley in einem Ton von erschreckender Deutlichkeit.

      „Ich fürchte, Sir,“ stotterte Trotty, „daß da noch zehn oder zwölf Schilling sind, die ich Frau Chickenstalker schuldig bin.“

      „Frau Chickenstalker schuldig?“ wiederholte Sir Joseph in demselben Ton wie zuvor.

      „Sie hält einen Laden, in dem alles zu haben ist,“ entgegnete Toby. „Auch ein – ein wenig fehlt noch an der Hausmiete. Nur sehr wenig, Sir. Ich weiß, wir sollten nichts schuldig sein, aber es ist uns wahrhaftig recht schlimm ergangen.“

      Sir Joseph musterte zweimal seine Gattin, Herrn Fish und Trotty im Kreis, worauf er mit beiden Händen eine trostlose Gebärde machte, als gebe er die Sache ganz und gar auf.

      „Wie kann ein Mann, sogar einer aus dieser unbekümmerten und unpraktischen Rasse – ein alter Mann, ein grauer Mann, einem neuen Jahre ins Gesicht sehen, während seine Angelegenheiten sich in einem solchen Zustand beenden! Wie kann er sich nachts zu Bett legen und am Morgen wieder aufstehen, während – da!“ fügte er bei, indem er Trotty den Rücken zuwandte – „nehmt den Brief, nehmt den Brief!“

      „Wollte Gott, es wäre anders, Sir,“ sagte Trotty, der sich sehnlichst zu entschuldigen wünschte. „Aber wir sind bitter heimgesucht worden.“

      Da Sir Joseph noch immer sein „Nehmt den Brief, nehmt den Brief!“ wiederholte, und Herr Fish nicht nur das gleiche sagte, sondern auch der Aufforderung dadurch einen weitern Nachdruck gab, daß er gegen die Tür wies, blieb dem armen Trotty nichts übrig, als daß er seine Verbeugung machte und das Haus verließ. Auf der Straße angelangt, zog er seinen alten, abgenützten Hut ins Gesicht, um den Schmerz zu verbergen, den er darüber fühlte, daß er nirgends dem Neujahr einen Halt abgewinnen konnte.

      Er hob seine Kopfbedeckung nicht einmal, um an dem Glockenturm hinaufblicken zu können, als er auf dem Rückweg an der alten Kirche vorbeikam. Für einen Augenblick blieb er gewohnheitshalber stehen. Er wußte, daß es dunkel wurde und der Kirchturm schwach und undeutlich über ihm in die trübe Luft stieg; auch wußte er, daß die Glocken alsbald erschallen würden, und daß sie zu einer solchen Zeit wie Stimmen aus den Wolken in seine Ohren zu tönen pflegten. Aber er beeilte sich nur um so mehr, den Brief an den Alderman abzuliefern und ihnen aus dem Wege zu kommen, ehe sie anfingen, denn er fürchtete, in ihrem Bimmeln nichts andres als den ewigen Refrain „Freunde und Väter, Freunde und Väter“ zu hören.

      Toby sputete sich daher nach Kräften, seinen Auftrag auszurichten, und trabte dann nach Hause. Sein Gang war aber im besten Fall linkisch und wurde durch den tief ins Gesicht gedrückten Hut nicht verbessert, weshalb er nach kurzer Zeit gegen jemand anprallte, der ihn taumelnd auf den Fahrweg hinausschleuderte.

      „Ich bitte um Verzeihung !“ sagte Trotty, in großer Verwirrung seinen Hut in die Höhe ziehend, dessen zerrissenes Futter aber auf der Stirn sitzen blieb, so daß sein Kopf wie in einem Bienenkorb steckte. „Hoffentlich habe ich Euch nicht verletzt?“

      Toby war kein so absoluter Samson, daß er möglicherweise irgend jemand hatte beschädigen können; dagegen lag die Wahrscheinlichkeit weit näher, daß er selbst Schaden genommen hatte, denn er war wie ein Feuerball auf die Straße hinausgeflogen. Dennoch hatte er eine so hohe Meinung von seiner eignen Kraft, daß er um den andern wirklich besorgt war und noch einmal fragte:

      „Hoffentlich habe ich Euch nicht verletzt?“

      Der Mann, gegen den er angerannt war, ein sonnverbrannter, muskulöser Bauer mit grauen Haaren und rauhem Kinn, stierte ihn einen Augenblick an, als glaube er, Toby wolle sich mit ihm einen Scherz erlauben. Sobald er jedoch dessen ehrliche Miene gesehen hatte, antwortete er:

      „Nein, mein Freund, Ihr habt mich nicht verletzt.“

      „Und auch das Kind nicht?“ fragte Trotty.

      „Auch das Kind nicht,“ erwiderte der Mann. „Ich danke Euch sehr.“

      Bei diesen Worten blickte er auf das kleine Mädchen, das er schlafend in seinen Armen trug, beschattete ihr Gesicht mit dem langen Ende seines zerrissenen Halstuches und ging langsam weiter.

      Der