Weihnachtsmärchenwald. Verschiedene Autoren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verschiedene Autoren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754924617
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unter das Kinn fassend.

      Stets leutselig gegen die arbeitende Klasse – der Alderman Cute! Wußte, was ihnen gefiel! Kein bißchen stolz!

      „Wo ist ihre Mutter?“ fragte der würdige Gentleman.

      „Tot,“ antwortete Toby. „Ihre Mutter verfertigte Wäsche und wurde in den Himmel abberufen, als Meg auf die Welt kam.“

      „Vermutlich wird sie dort keine Wäsche verfertigen,“ bemerkte der Alderman scherzhaft.

      Toby konnte oder wollte sich vielleicht auch nicht seine Frau im Himmel ohne ihre gewöhnliche Beschäftigung vorstellen. Die Frage ist: wenn Frau Alderman Cute gegen Himmel gefahren wäre, würde sich Herr Alderman Cute seine Gattin so vorgestellt haben, daß sie dort Staat macht und eine hohe Stellung einnimmt?

      „Und Ihr macht ihr den Hof, he?“ fragte Cute den jungen Schmied.

      „Ja,“ entgegnete Richard hastig, denn die Frage brannte ihn wie eine Nessel. „Und wir werden am Neujahrstag heiraten.“

      „Was sagt Ihr da?“ rief Herr Filer scharf. „Heiraten?“

      „Nun ja, wir denken daran, Herr,“ versetzte Richard. „Ihr seht, wir müssen ein bißchen eilen, für den Fall, daß man uns vielleicht unser Vorhaben ›legen‹ würde.“

      „Ah!“ rief Filer mit einem Stöhnen. „Jawohl, Alderman, wenn Ihr dies legen könntet, so würdet Ihr etwas tun. Heiraten! heiraten!! Die Unwissenheit dieser Leute in den ersten Grundsätzen der Staatsökonomie, ihr Unverstand und ihre Gottlosigkeit sind, beim Himmel, genug, um – na, seht mir nur einmal dieses Paar an!“

      Ei ja, man durfte sie wohl ansehen – und das Heiraten schien eine so vernünftige und billige Handlung zu sein, daß sie es wohl in Betracht ziehen durften.

      „Man kann so alt werden wie Methusalem“, sagte Herr Filer, „und sich sein ganzes Leben über zum Besten solcher Leute abmühen; man kann berghoch Zahlen von Tatsachen, Zahlen von Tatsachen und Zahlen von Tatsachen aufhäufen, aber vergeblich hofft man, sie zu überzeugen, daß sie keine Befugnis und kein Recht haben, zu heiraten – ebensowenig als man sie zu belehren vermag, wie ihnen alle Befugnis abgeht, geboren zu werden. Und daß dies der Fall ist, wissen wir recht wohl, da wirs längst zu einer mathematischen Gewißheit erhoben haben.“

      Alderman Cute war ungemein aufgeräumt und legte seinen rechten Zeigefinger an die Seite seiner Nase, als wollte er zu seinen beiden Freunden sagen: „Seid nun so gut, auf mich achtzugeben. Richtet euer Augenmerk auf den praktischen Mann!“ – Dann rief er Meg heran.

      „Kommt her, mein Mädchen!“ sagte Alderman Cute. Das junge Blut ihres Liebhabers war in den letzten paar Minuten zornig aufgewallt, und er hatte keine Lust, sie gehen zu lassen. Dennoch tat er sich Zwang an, trat, als sich Meg näherte, mit einem großen Schritt vor und stellte sich an ihre Seite. Trotty hielt noch immer ihre Hand unter seinem Arm, blickte aber so wirr wie ein Schläfer im Traum von Gesicht zu Gesicht.

      „Ich will Euch jetzt ein paar Wörtchen als guten Rat geben, mein Mädchen,“ sagte der Alderman in seiner leichten, angenehmen Weise. „Ihr wißt, daß es mir zusteht, Rat zu erteilen, weil ich Friedensrichter bin. Es ist Euch wahrscheinlich bekannt, daß ich die Stellung eines Friedensrichters innehabe?“

      Meg antwortete schüchtern mit ja. Aber jedermann wußte, daß Alderman Cute ein Friedensrichter war – und, o mein Gott, welch ein tätiger Friedensrichter! Nie gab es einen so glänzenden Splitter im Auge der Öffentlichkeit als Cute.

      „Ihr wollt also heiraten , sagt Ihr?“ fuhr der Alderman fort. „Das ist sehr unschicklich und unzart von einer Person Eures Geschlechts! Doch reden wir nicht davon. Wenn Ihr geheiratet habt, werdet Ihr mit Euerm Mann streiten und ein unglückliches Weib werden. Ihr glaubts vielleicht nicht, aber Ihr werdet es mit der Zeit, weil ichs Euch sage. Ich warne Euch deshalb ehrlich und bemerke Euch zum voraus, daß ich mir vorgenommen habe, auch den unglücklichen Weibern einen Riegel vorzuschieben. Mir dürft Ihr nicht kommen. Ihr werdet Kinder kriegen – Jungen. Diese Jungen wachsen auf bösen Wegen auf und laufen ohne Schuhe und Strümpfe wild durch die Straßen. Merkt Euch dies, meine junge Freundin – ich werde sie samt und sonders summarisch einstecken lassen, denn ich bin entschlossen, auch den Buben ohne Schuhe und Strümpfe das Handwerk zu legen. Vielleicht stirbt Euer Mann jung (sehr wahrscheinlich) und läßt Euch mit einem Säugling zurück. Man weist Euch dann die Tür, und Ihr müßt auf der Straße umherwandern. Kommt aber nur mir nicht in die Nähe, meine Liebe, denn ich bin entschlossen, es allen wandernden Müttern zu legen. Ja, ich bin entschlossen, es allen jungen Müttern, welcher Art und von welchem Schlag sie sein mögen, zu legen. Glaubt nicht, Ihr könnt Euch mit Krankheit oder mit Säuglingen vor mir entschuldigen, denn ich habe mir vorgenommen, es allen kranken Personen und kleinen Kindlein (hoffentlich kennt Ihr die Stelle im Gebetbuch, ich fürchte aber, nein) zu legen; und wenn Ihr gar verzweifelt, undankbar, gottlos und betrügerisch einen Versuch macht, Euch zu ersäufen oder zu hängen, So will ich kein Mitleid mit Euch haben, denn ich bin festen Willens, es auch dem Selbstmord zu legen! Wenn es etwas gibt,“ fuhr der Alderman mit einem selbstgefälligen Lächeln fort, „von dem ich sagen kann, daß mein Sinn mehr darauf erpicht sei als auf etwas andres, so ist es das Legen des Selbstmordes. Probierts also nicht erst! Ha ha! Jetzt verstehen wir einander.“

      Toby wußte nicht, sollte er sich mehr grämen oder freuen, als er bemerkte, daß Meg totenblaß wurde und die Hand ihres Verlobten fallen ließ.

      „Und was Euch betrifft, Ihr junger Bullenbeißer,“ fuhr der Alderman fort, indem er sich mit erhöhter Heiterkeit und Leutseligkeit an den jungen Schmied wandte, „was fällt Euch denn ein, daß Ihr heiraten wollt? Wozu braucht Ihr überhaupt das Heiraten, Ihr einfältiger Mensch? Wenn ich ein hübscher, starker junger Bursche wäre wie Ihr, so würde ich mich schämen, so milchsuppig zu sein, um mich an die Schürzenbänder eines Weibes zu hängen! Sie ist ein altes Weib, bevor Ihr ein Mann in den besten Jahren seid! Und Ihr werdet dann eine schöne Figur machen, wenn Euch auf Schritt und Tritt eine Schmutzliese von Frau und ein Haufen krakeelender Kinder nachschreien!“

      Oh, wie angenehm wußte Alderman Cute mit den gemeinen Leuten zu scherzen!

      „So – jetzt packt Euch und bereut,“ sagte der Alderman. „Macht keine solchen Narren aus Euch, am Neujahrstag zu heiraten. Bevor sich dieser Tag jährt, seid Ihr längst andrer Meinung – so ein schmucker junger Bursche wie Ihr, nach dem sich alle Mädels den Hals ausrecken. Also! Geht jetzt!“

      Und sie gingen. Nicht Arm in Arm, Hand in Hand oder leuchtende Blicke austauschend: sondern sie in Tränen, er aber düster und niedergeschlagen. Waren dies die Herzen, die erst kürzlich noch das des alten Toby aufhüpfen machten aus seiner Schwäche? Nein, nein. Der Alderman – Segen über sein Haupt! – hatte es ihnen ›gelegt‹.

      „Da Ihr zufällig hier seid,“ sagte der Alderman zu Toby, „so könnt Ihr mir einen Brief besorgen. Wie stehts aber mit der Geschwindigkeit? – Ihr seid ein alter Mann.“

      Toby, der ganz betäubt Meg nachgesehen hatte, versuchte zu murmeln, daß er sehr hurtig und recht gut bei Kräften sei.

      „Wie alt seid Ihr?“ fragte der Alderman.

      „Sechzig vorbei, Sir,“ versetzte Toby.

      „Der Mann hat das Durchschnittsalter weit überschritten,“ fiel Herr Filer ein, als ob seine Geduld wohl einer Heimsuchung fähig sei, dies aber wirklich die Sache ein wenig zu weit treiben heiße.

      „Ich spüre wohl, daß ich zur Last bin, Sir,“ sagte Toby. „Ich – ich habs schon heute morgen geargwöhnt. Ach du mein Himmel!“

      Der Alderman unterbrach ihn, indem er einen Brief aus seiner Tasche zog und ihn Toby Veck übergab. Letzterer würde dazu auch einen Schilling erhalten haben; da aber Herr Filer deutlich bewies, daß er in diesem Fall eine gewisse gegebene Anzahl von Personen je um neuneinhalb Pence bringe, so erhielt er nur ein Sechspencestück und war schon darüber überglücklich.

      Dann gab der Alderman jedem seiner Freunde einen Arm und zog triumphierend von dannen;