Weihnachtsmärchenwald. Verschiedene Autoren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verschiedene Autoren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754924617
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das würzige Mahl vor ihm, sondern schnitt ab und aß, schnitt ab und trank, schnitt ab und kaute, kam von den Kuttelflecken zu den heißen Kartoffeln und von den heißen Kartoffeln wieder zu den Kuttelflecken mit breitem, unermüdlichem Behagen zurück. Als er endlich um die Straßenecke sah, um sich zu überzeugen, ob man nicht von irgendeiner Türe oder einem Fenster nach einem Dienstmann winkte, begegneten seine Augen auf dem Rückweg dem Mädchen, das mit verschlungenen Armen ihm gegenüber saß und mit glücklichem Lächeln seinem emsigen Geschäft zusah. „Ach, Gott verzeih mir!“ rief Trotty, indem er sein Messer und seine Gabel fallen ließ. „Meg, mein Täubchen, warum sagst du mir nicht, was ich für ein Vieh bin?“

      „Vater!“

      „Sitze ich da“, fuhr Trotty in reuiger Erklärung fort, „und stopfe mich voll, während du vor mir bist, ohne auch nur ein bißchen dein Fasten zu unterbrechen noch den Wunsch dazu zu äußern, während ...“

      „Aber ich habe mein Fasten schon gebrochen, Vater, und zwar ausgiebig,“ unterbrach ihn seine Tochter lachend. „Ich habe mein Mittagessen bereits gehabt.“

      „Sprich keinen Unsinn,“ versetzte Trotty. „Zwei Mittagessen an einem Tag? Nicht möglich! Du könntest mir ebensogut sagen, daß zwei Neujahrstage auf einmal kommen, oder daß ich mein ganzes Leben über ein Goldstück gehabt habe, ohne es je wechseln zu lassen.“

      „Dennoch habe ich schon zu Mittag gegessen, Vater,“ sagte Meg, näher herankommend; „und wenn du deines weiter ißt, will ich dir sagen, wie und wo dein Mittagessen zustande kam und – und noch etwas andres dazu.“

      Toby machte noch immer eine ungläubige Miene; aber sie sah ihm mit ihren klaren Augen ins Gesicht, legte ihre Hand auf seine Schulter und winkte ihm, weiterzuessen, solange das Fleisch noch warm sei. Trotty nahm daher Messer und Gabel wieder auf und schickte sich zur Arbeit an; sie ging aber viel langsamer vonstatten als zuvor, und er schüttelte den Kopf, als sei er durchaus nicht mit sich zufrieden.

      „Ich habe schon gespeist, Vater,“ sagte Meg nach einigem Zögern, „mit – mit Richard. Er ißt früh, und da er sein Mittagessen mitbrachte, als er mich besuchte, so – so verzehrten wir es miteinander, Vater.“

      Trotty nahm ein Schlücklein Bier und schmatzte mit den Lippen. Dann sagte er „oh!“ – weil sie darauf wartete.

      „Und Richard sagt, Vater ...“, nahm Meg wieder auf. Dann stockte sie abermals.

      „Was sagt Richard, Meg?“ fragte Toby.

      „Richard sagt, Vater ...“ Neues Stocken.

      „Richard braucht lange, bis er etwas sagt,“ bemerkte Toby.

      „Nun ja, Vater, er sagt,“ fuhr Meg fort, indem sie endlich ihre Augen erhob und in bebendem, obschon völlig deutlichem Ton sprach, „es sei wieder ein Jahr beinahe herum, und was es nütze, von einem Jahr auf das andre zu warten, wenn es doch so unwahrscheinlich ist, daß es uns je besser als jetzt ergehen werde. Er sagt, Vater, wir seien jetzt arm und würden auch dann arm sein; aber wir seien jung, und die Jahre würden uns alt machen, ehe wir es wüßten. Er meint, wenn Leute in unsrer Lage warten wollten, bis wir unsern Weg klar vor uns sähen, so würde er wohl recht eng werden – der gemeinschaftliche Weg – das Grab, Vater.“

      Sogar ein kühnerer Mann als Trotty Veck hätte alle seine Kühnheit zusammennehmen müssen, um dies in Abrede zu stellen; er blieb daher lieber still.

      „Und wie hart ist es, Vater, alt zu werden und zu sterben, wenn wir daran denken, daß wir einander hätten Freude machen und helfen können! Wie hart ist es, sein ganzes Leben über einander liebzuhaben und sich doch getrennt zu sehen, jeden für sich abhärmen zu sehen und zuschauen zu müssen, wie der andre arbeitet, sich verändert, alt und grau wird. Selbst wenn ich es überwinden und ihn vergessen könnte, was nie möglich ist – o lieber Vater, wie schwer wäre es dann, ein Herz zu haben, so voll wie das meinige jetzt ist, und das Leben langsam, tropfenweise verrinnen zu sehen, ohne einen Rückblick auf einen einzigen glücklichen Augenblick, der mich trösten und besser machen könnte!“

      Trotty blieb mäuschenstill. Meg trocknete ihre Augen und fuhr heiterer fort – das heißt manchmal unter Lachen und manchmal unter Schluchzen und dann wieder lachend und Schluchzend zu gleicher Zeit:

      „Richard sagt daher, Vater, da er gestern für soundso lange eine feste Beschäftigung erhalten habe und ich ihn schon volle drei Jahre liebe – ach, es ist schon länger her, wenn er es nur wüßte! – So solle ich mich am Neujahrstag mit ihm zusammengeben lassen: der beste und glücklichste Tag im ganzen Jahr, sagt er, einer, bei dem man fast sicher annehmen kann, daß er Glück mit sich bringt. Das ist eine kurze Frist – nicht wahr, Vater? – aber ich habe ja kein Vermögen in Ordnung zu bringen und keine Hochzeitskleider machen zu lassen, wie die vornehmen Damen; nicht wahr, Vater? – Und er sagte so viel und sagte es in so nachdrücklicher, ernster, aber doch so sanfter und freundlicher Weise, daß ich ihm versprach, ich wolle mit dir darüber sprechen, Vater. Und da mir ganz unerwarteterweise heute morgen das Geld für meine Arbeit ausbezahlt wurde, und du während der ganzen Woche nur ein armseliges Essen gehabt hast, und ich den Wunsch nicht zurückdrängen konnte, daß etwas getan werden müßte, was dir den heutigen Tag zu einem Feiertag macht, wie er für mich ein glücklicher Tag ist, so kochte ich diesen Festschmaus und brachte ihn dir als Überraschung.“

      „Und siehst nun, wie er ihn auf der Treppe kalt werden läßt!“ ließ sich eine andre Stimme vernehmen.

      Es war die Stimme desselbigen Richard, der unbemerkt herangekommen war und nun vor Vater und Tochter stand. Er blickte mit einem Gesicht auf sie nieder, so glühend wie das Eisen, auf dem täglich sein schwerer Schmiedehammer erklang. Richard war ein schöner, wohlgebauter, kräftiger Bursche mit Augen, die gleich den rotglühenden Funken eines Essenfeuers sprühten. Sein schwarzes Haar kräuselte sich üppig um die dunklen Schläfen, und sein Lächeln – ein Lächeln, das Megs Lob über seinen Konversationsstil beträchtlich unterstützte.

      „Und siehst, wie er ihn auf der Treppe kalt werden läßt!“ sagte Richard. „Meg weiß nicht, was er liebt – nein, gewiß nicht!“

      Voll Behendigkeit und Feuer reichte Trotty augenblicklich Richard die Hand und wollte eben eine hastige Erwiderung geben, als unversehens die Haustür aufging und ein Bedienter beinahe seinen Fuß in die Kuttelflecke setzte.

      „Aus dem Wege da! Müßt Ihr Euch denn immer auf unsre Stufen setzen, und könnt Ihr nicht auch einmal die eines Nachbars dazu nehmen? Ich frage, ob ihr den Weg räumen wollt!“

      Genau genommen war die letzte Aufforderung ganz unnötig, weil sie ihr bereits nachgekommen waren.

      „Was gibts da?“ sagte der Gentleman, für den die Tür geöffnet worden war, und der jetzt mit jenem leichtschweren Tritt aus dem Hause kam, den man so häufig bei Gentlemen antrifft, die die zweite, absteigende Hälfte ihres Lebens sorgenlos genießen, wenn sie, ohne ihrer Würde etwas zu vergeben, mit knarrenden Stiefeln, Uhrketten und reinen Hemden aus ihren Häusern kommen und in ihrer Miene ausdrücken, daß sie irgendwo eine wichtige, viel Geld einbringende Beschäftigung haben. „Was gibts da? Was gibts da?“

      „Muß man Euch denn immer auf den Knien bitten,“ fuhr der Bediente mit großem Nachdruck gegen Trotty Veck fort, „unsre Türtreppen sein zu lassen? Warum kommt Ihr denn immer wieder? Könnt Ihr nicht einmal wegbleiben?“

      „Schon gut! Das genügt! Das genügt!“ sagte der Gentleman. „Heda, Dienstmann!“ Er bedeutete Trotty Veck durch eine Kopfbewegung, näher zu treten. „Kommt her da. Was ist dies – Euer Mittagessen?“

      „Ja, Sir,“ versetzte Trotty, seine Schüssel in einer Ecke stehen lassend.

      „Laßt es nicht dort, sondern bringt es her, bringt es her!“ rief der Gentleman. „So; das ist also Euer Essen, wie?“

      „Ja, Sir,“ antwortete Trotty, mit festem Blick und wässerndem Mund den letzten Brocken ängstlich verfolgend, den er sich als köstlichen Schlußbissen aufgehoben hatte, und den nun der Gentleman an dem Gabelende um und um drehte.

      Mit