Weihnachtsmärchenwald. Verschiedene Autoren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verschiedene Autoren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754924617
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„Eine hübsche Kleine! Ich wollte mir zwanzigfach ihr Gewicht aufladen lassen, ohne daß ich es besonders spürte. Sagt mir, ob ich vielleicht zu schnell für Euch gehe – ’s ist meine Gewohnheit zu eilen!“

      Während Trotty dies sagte, mußte er stets sechs von seinen kurzen Trabschritten während eines einzigen langen seines müden Gefährten hopsen; und seine dünnen Beine zitterten unter der Last, die er trug.

      „Ei, sie ist so leicht,“ sagte Trotty, dessen Worte ebenso rasch und stoßweise kamen, wie sein Schritt war, denn er wollte auf keine Danksagung hören und scheute sich, eine Pause eintreten zu lassen; „so leicht wie eine Feder, leichter als eine Pfauenfeder – viel leichter. So, da sind wir – jetzt geht’s da hinein, um die erste Ecke rechts, Onkel Will, an dem Brunnen vorbei und dann den Weg hinauf, dem Wirtshaus gegenüber. Jetzt über den Weg hinüber, Onkel Will, und dort auf den Nierenpastetenmann an der Ecke zu! Da wären wir! Nun an den Ställen hinunter, Onkel Will, und dann macht Ihr an der schwarzen Tür halt, über der ›Toby Veck, Dienstmann‹ auf einem Brett geschrieben steht. So, und jetzt sind wir da, jetzt sind wir wirklich da, und jetzt wirst du dich wundern, liebe Meg!“

      Mit diesen Worten setzte der atemlose Trotty das Kind unten in der Stube zu den Füßen seiner Tochter nieder. Der kleine Gast sah Meg an und lief, da er in ihrem Gesicht nichts zweifelerregendes fand, vertrauensvoll in ihre Arme.

      „So, da sind wir und da bleiben wir!“ rief Toby, keuchend im Zimmer umherlaufend. „Hier, Onkel Will – Ihr seht, hier ist ein Feuer! Warum kommt Ihr nicht ans Feuer? Ha, da sind wir und da bleiben wir! Meg, mein Herz, wo ist der Kessel? So – er wird augenblicklich kochen!“

      Trotty hatte wirklich während seines wilden Hin- und Herrennens den Kessel aufzuheben gewußt und über das Feuer gesetzt, während Meg in einer warmen Ecke vor dem Kind niedergekniet war, um ihm die Schuhe auszuziehen und mit einem Tuch die nassen Füßchen zu trocknen. Ja, und sie lachte auch über Trotty – so vergnügt, so herzlich, daß Trotty sie augenblicklich hätte segnen mögen, denn er hatte ja beim Eintreten gesehen, wie sie in Tränen vor dem Feuer saß.

      „Ei, Vater,“ sagte Meg, „du bist, glaube ich, diesen Abend ganz närrisch. Ich weiß nicht, was die Glocken dazu sagen würden. Die armen Füßchen – wie kalt sie sind!“

      „O, sie sind jetzt wärmer!“ rief das Kind. „Sie sind jetzt ganz warm!“

      „Nein, nein, nein,“ sagte Meg. „Wir haben sie noch nicht halb genug gerieben. Wir sind ja so fleißig! So fleißig! Und wenn sie ganz warm sind, dann wollen wir das feuchte Haar auskämmen. Sind wir damit fertig, so wollen wir mit ein bißchen frischem Wasser einige Farbe in das arme blasse Gesicht bringen, und dann wollen wir so froh, so heiter und glücklich sein!“

      Das Kind umschlang in einem Anfall von Schluchzen ihren Hals, streichelte mit seinen Händchen ihre Wange und sagte:

      „O Meg! o liebe Meg!“

      Tobys Segen hätte nicht mehr tun können. Wer wäre auch imstande gewesen, mehr zu tun?

      „Ei, Vater!“ rief Meg nach einer Pause.

      „Da bin ich und da steh ich, mein Lieb!“ sagte Trotty.

      „Gütiger Himmel!“ rief Meg, „er ist ganz von Sinnen! Setzt er da das Hütlein des lieben Kindes auf den Kessel und hängt den Deckel hinter die Tür!“

      „Ich habe dies nicht mit Absicht getan, mein Lieb,“ entgegnete Trotty, indem er hastig sein Versehen wieder gutmachte. „Meg, mein Kind?“

      Meg blickte nach ihm hin und sah, daß er sich mit Vorbedacht hinter den Stuhl seines männlichen Gastes gestellt hatte, wo er mit vielen geheimnisvollen Gebärden das Sechspencestück, das er eingenommen, in die Höhe hielt.

      „Als ich hereinkam,“ sagte Trotty, „habe ich irgendwo auf der Treppe eine halbe Unze Tee liegen sehen; auch glaube ich wahrhaftig, daß ein Stückchen Speck dabei lag. Ich entsinne mich nicht mehr recht auf den Platz, will aber hingehen und sehen, ob ich’s nicht finde.“

      Unter diesem unergründlich scharfsinnigen Vorwande entfernte sich Toby, um die besprochenen Lebensmittel für bares Geld bei Frau Chickenstalker zu kaufen. Er kam bald wieder zurück und sagte, er habe die Sachen anfangs in der Dunkelheit nicht finden können.

      „Aber da sind sie endlich,“ sagte Trotty, das Teegeschirr aufsetzend – „alles richtig! Ich wußte es ja, daß es Tee und eine schöne Schnitte war. Da, seht selbst. Meg, mein Herzchen, wenn du den Tee zurichten willst, während dein unwürdiger Vater den Speck röstet, so wird alles bald fertig fein. Es ist eine kuriose Sache,“ fuhr Trotty fort, indem er mit Hilfe der Röstgabel seine Kochkunst betrieb, „kurios, aber allen meinen Freunden wohlbekannt, daß ich für meine Person mir niemals weder aus Tee noch aus Speck etwas machte. Ich sehe es nur gern, wenn andre Leute sich’s dabei wohl sein lassen,“ Sagte er in sehr lautem Tone, um seinem Gast die Tatsache recht bemerklich zu machen, „obschon diese Nahrung mir selbst durchaus nicht behagt.“ Doch schnüffelte Trotty den Wohlgeruch des zischenden Specks ein – ah! – als ob er mit Freuden selbst hätte zulangen mögen, und als er das kochende Wasser in den Teetopf goß, blickte er sehnsüchtig in dessen Tiefe hinunter und ließ sich gern den würzigen Dampf um die Nase kräuseln und den Kopf von einer dichten Wolke bekränzen. Aber trotzdem genoß er nichts weiter davon, als im Anfang der Höflichkeit halber einen einzigen Bissen, der ihm ungemein gut zu schmecken schien, obschon er erklärte, daß er sich nicht das mindeste daraus mache.

      Nein, Trottys Beschäftigung bestand darin, Will Fern und Lilian essen und trinken zu sehen, und das gleiche war bei Meg der Fall. Und nie fand ein Zuschauer bei einem Stadt- oder Hofbankett einen solchen Hochgenuß darin, andre – ja, wäre es sogar ein König oder ein Papst gewesen – schmausen zu sehen, als unser Pärlein an jenem Abend. Meg lächelte zu Trotty hinüber, Trotty lachte Meg an. Meg nickte und tat, als klatsche sie mit den Händen, um Trotty ihren Beifall zu erkennen zu geben, während Trotty in stummer Zeichensprache Meg eine unverständliche Geschichte erzählte, wann und wo er seine Gäste gefunden hatte. Und sie waren glücklich – sehr glücklich.

      „Obgleich ich sehen muß, daß Megs Verlobung gelöst ist,“ dachte Trotty bekümmert, als er Megs Gesicht betrachtete.

      „Nun, jetzt werde ich Euch was sagen,“ begann Trotty nach dem Tee. „Die Kleine schläft bei Meg.“

      „Bei der guten Meg!“ rief das Kind, sie liebkosend. „Bei Meg.“

      „So ist’s recht,“ sagte Trotty. „Und es sollte mich nicht wundern, wenn sie Megs Vater einen Kuß gäbe. Was meinst du, Kind? Ich bin Megs Vater.“

      Trotty war hochentzückt, als sich ihm das Kind schüchtern näherte, ihn küßte und dann wieder zu Meg zurückkehrte.

      „Sie ist so verständig wie Salomo,“ sagte Trotty. „Da kommen und da gehen – nein, das meinte ich nicht – ich – was wollte ich denn sagen, meine liebe Meg?“

      Meg blickte auf ihren Gast, der sich an ihren Stuhl gelehnt hatte und, während er das Gesicht von ihr abwandte, den in ihrem Schoß verborgenen Kopf der Kleinen streichelte. „Natürlich,“ sagte Toby. „Natürlich! Weiß ich doch wahrhaftig nicht, was ich heute abend treibe. Ich bin heute ganz zerstreut, glaube ich. Will Fern, Ihr kommt mit mir, denn Ihr seid todmüde und völlig erschöpft, weil Ihr so lange nicht geruht habt. Kommt mit mir.“

      Der Mann spielte noch immer mit den Locken des Kindes, lehnte noch immer mit abgewandtem Gesicht an Megs Stuhl. Er sprach kein Wort , aber in seinen rauhen Fingern , die sich im Haar des Kindes ballten und wieder lösten, lag eine Beredsamkeit, die mehr als alle Worte sagte.

      „Ja, ja,“ fuhr Trotty fort, der unwillkürlich die Frage beantwortete, die auf Megs Gesicht stand. „Nimm sie mit dir, Meg. Bring sie zu Bett. So! jetzt will ich Euch zeigen, wo Ihr liegen könnt, Will. ’s ist zwar nicht viel Platz, sondern nur Heuboden; aber ein Heuboden ist, wie ich immer sage, die größte Bequemlichkeit, wenn man in Ställen wohnt; und bis dieser Schuppen und der Stall besser vermietet werden, leben wir hier sehr billig. Droben ist viel vortreffliches