Peter Simpel. Frederick Marryat Marryat. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frederick Marryat Marryat
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175859
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      »Was verstehen Sie unter einer Eselfregatte?« fragte ich.

      »Ich meine eines von unsern Schiffen mit achtundzwanzig Kanonen, welche so heißen, weil zwischen ihnen und einer wirklichen Fregatte, wie diejenige, auf welcher wir segeln, ein so großer Unterschied ist, wie zwischen einem Esel und einem Rennpferde.«

      »Das Schiff war nicht sobald auf die Werft gebracht, als unser Kapitän zu ihm herabkam – ein kleiner, dürrer, unansehnlicher Mann, aber dessenungeachtet ein Mann von Gewicht, denn er führte eine große Wage bei sich und wog alles, was an Bord gebracht wurde. Ich vergaß seinen eigentlichen Namen, aber die Matrosen tauften ihn Avoirdupoids Handelsgewicht, das Pfund zu 16 Unzen.. Er hatte ein großes Buch, in welches er das Gewicht des Ballastes, der Munition, des Wassers, der Lebensmittel, der Kohlen, des stehenden und laufenden Takelwerks, der Taue und dergleichen, eintrug. Ferner wog er alle Matrosen, alle Seekadetten und alle Kisten derselben, auch alle Offiziere mit allem, was ihnen gehörte. Zuletzt wog er sich selbst, was übrigens die Hauptsumme nicht sehr vermehrte. Ich weiß nicht genau, wozu dies geschah, allein er sprach immer von dem Mittelpunkt der Schwere, vom Verrücken flüssiger Körper, und Gott weiß was! Ich glaube, er wollte die Länge oder so etwas ausfindig machen: allein ich blieb nicht lange genug auf dem Schiffe, um die wahre Absicht zu erfahren; denn eines Tages brachte ich ein paar neue Stiefel an Bord und vergaß sie anzumelden, damit sie in die Wage gelegt würden, welche im Gange hing; ob nun der Kapitän dachte, sein Schiff würde dadurch sinken, oder was sonst kann ich nicht sagen – kurz, ich erhielt den Befehl, sogleich das Schiff zu verlassen.

      »Jetzt war ich wieder ohne Bestimmung. Ich packte meine Siebensachen zusammen, ging ans Land, zog zum Trotz meine neuen Stiefel an, trat in alle Pfützen und Lachen, welche ich nur finden konnte, um sie zu strafen, und ging von Plymouth bis zum Dock so lange auf und ab, bis ich müde war; in vierzehn Tagen waren die Schlingel abgetragen.

      »Einmal war ich auf der Schiffswerft und betrachtete einen Zweidecker in dem Bassin, welcher gerade zum Dienste hergebracht worden war. Ich fragte nach dem Kapitän. Man sagte mir, er heiße O'Connor. ›Dann ist es ein Landsmann von mir‹, dachte ich, ›und ich will mein Glück versuchen.‹ Ich ging also nach Gouds Hotel, wo er logierte, und verlangte mit ihm zu sprechen. Ich wurde vorgelassen und erzählte ihm unter meiner bestmöglichen Verbeugung, ich sei als Freiwilliger auf sein Schiff gekommen und hieße O'Brien. Da zufällig einige Stellen leer waren und er meinen Dialekt liebte, fragte er mich, auf welchen Schiffen ich gedient hätte. Ich nannte sie ihm und ebenso meinen Grund, warum ich das letzte verließ, nämlich, weil man mich verabschiedet hatte. Ich erzählte die Geschichte von den Stiefeln; er stellte Untersuchungen an und fand alles wahr; dann gab er mir eine Stelle als Schiffmanns-Gehilfe. Wir waren nach Südamerika bestimmt und die Passatwinde trieben uns sehr schnell vorwärts. Ich liebte meinen Kapitän und die Offiziere sehr, und was noch besser war, wir machten einige gute Prisen. Aber ich weiß nicht, wie es kam, ich hatte nie das Glück, lange auf einem Schiffe zu bleiben, und zwar nicht aus eigener Schuld, wenigstens diesmal nicht. Alles ging so gut als möglich von statten, bis uns eines Tages der Kapitän auf einer unserer ruhigen Strecken zu einem Balle ans Land nahm. Wir verlebten eine sehr lustige Nacht, aber wie es das Schicksal wollte, ich hatte die Morgenwache und mußte die Schiffe reinigen lassen, und da ich nie meine Pflicht vernachlässigte, so brach ich ungefähr morgens um drei Uhr, gerade bei Tagesanbruch, auf, um an Bord des Schiffes zurückzukehren. Ich ging den Strand entlang, dachte an das hübsche Mädchen, mit welchem ich soeben getanzt, und hatte ungefähr den halben Weg bis zum Schiffe zurückgelegt, als drei spanische Marodeure hinter einem Felsen hervorkamen und mich mit ihren Säbeln und Bajonetten angriffen. Ich hatte nur meinen Degen, aber ich wollte mich auch nicht umsonst durchbohren lassen, daher focht ich mit ihnen, so gut ich konnte. Ich machte einem Kerl den Garaus, aber zuletzt überwältigten sie mich, denn ein Bajonett fuhr mir durch den Leib und das Bewußtsein schwand mir. Es wollte mir scheinen, daß sie, nachdem sie mich getötet hatten, mich nackt auszogen und in den Sand vergruben; den Leichnam ihres Kameraden schleppten sie mit sich fort. So war ich nun tot und begraben.«

      »Aber O'Brien«, sagte ich.

      »Pst – halt den Mund, Du hast das Ende noch nicht gehört. Ich war ungefähr eine Stunde begraben, aber nicht sehr tief, wie es schien, denn sie hatten zu große Eile, als ein Schiffer mit seiner Tochter auf dem Wege nach seinem Boote den Strand herabkamen, und die Tochter, Gott segne sie! that mir den Gefallen, auf meine Nase zu treten. Es war klar, daß sie noch nie vorher auf eines Irländers Nase getreten hatte, denn es überraschte sie und sie schaute zu Boden, um zu sehen, was da wäre, und weil sie nichts sah, so versuchte sie es wieder mit ihrem Fuße, scharrte dann den Sand weg und entdeckte mein hübsches Angesicht. Ich war noch ganz warm und atmete noch, denn der Sand hatte das Blut gestillt und verhinderte, daß ich mich nicht zu Tode blutete. Der Fischer grub mich heraus, und trug mich auf seinem Rücken in das Haus, wo der Kapitän und die Offiziere noch tanzten.

      »Als man mich hineinbrachte, entstand unter den Damen ein großes Geschrei, nicht weil ich ermordet, denn daran ist man in jenen Ländern gewöhnt, sondern weil ich nackt war, was ihnen als eine viel bedenklichere Sache vorkam. Ich wurde ins Bett gebracht und ein Boot an Bord abgeschickt, um unsern Doktor zu holen; in einigen Stunden war ich im stande, zu sprechen und den Vorfall zu erzählen. Allein ich war noch zu schwach, um gehen zu können, als das Schiff absegelte, was in einigen Tagen darauf geschehen mußte; daher gab der Kapitän mir meinen Abschied und ließ mich hier. Es war eine französische Familie, bei welcher ich ein halbes Jahr lang blieb, bevor ich eine Gelegenheit zur Überfahrt nach Hause erhalten konnte; während dieser Zeit lernte ich ihre Sprache und noch ziemlich viel spanisch obendrein. Als ich in England ankam, erfuhr ich, daß die Prisen verkauft waren und das Geld zur Austeilung bereit lag. Ich zeigte meine Certificate vor und empfing als meinen Anteil hundertsiebenundsechzig Pfund. ›So ist es zuletzt doch gekommen‹, dachte ich.

      »Ich hatte nie in meinem Leben eine solche Hand voll Geld, allein ich hoffe, es wird bald wieder der Fall sein. Sobald ich nach Hause gekommen war, schüttete ich es auf den Tisch, betrachtete es, und sagte dann zu mir selbst: ›Nun, Terenz O'Brien, willst du das Geld für Dich behalten, oder nach Hause schicken?‹ Dann dachte ich an Pater M'Grath und den Stuhl, welcher nach meinem Kopfe geworfen worden, und war nahe daran, es alles wieder einzustreichen und in meine Tasche zu stecken. Aber dann fiel mir meine Mutter wieder ein, die Kühe, das Schwein und der Hausrat, welche fort waren, und meine Brüder und Schwestern, welche nichts zu nagen und zu beißen hatten, und ich gelobte mir, ihnen jeden Heller zu schicken; Pater M'Grath würde dann auch nicht länger Anstand nehmen, mir Absolution zu erteilen. Ich schickte ihnen das Ganze und behielt für mich bloß den Sold, den ich empfangen hatte, der sich auf dreißig Pfund belief. Nie in meinem Leben fühlte ich mich glücklicher, als damals da ich das Geld auf dem Postbüreau in Sicherheit und glücklich aus meinen Händen wußte. Ich schrieb zugleich ein Briefchen an meinen Vater, folgenden Inhalts:

      »›Geehrter Vater!

      Seit unserm letzten angenehmen Zusammentreffen, bei welchem Ihr den Stuhl nach meinem Kopfe warfet, die Taube fehltet und die Krähe trafet, bin ich gestorben und begraben worden, aber nun befinde ich mich, Gott sei Dank, ganz wohl, und brauche keine Absolution von Pater M'Grath, den Unheil treffen möge. Was aber die Hauptsache ist, ich habe eben meinen Anteil am Prisengeld empfangen, das erste, welches mir eingehändigt wurde, seitdem ich in Seiner Majestät Diensten stehe. Ich sende Euch hiermit jeden Pfennig, damit Ihr Eure alten Kühe, das Schwein und die übrigen Gegenstände zurückerhalten könnt, welche verpfändet wurden, um meine Ausrüstung zu bezahlen. Fraget also nicht mehr, ob ich mich nicht vor mir selbst schämen wolle, schämet vielmehr Ihr Euch, daß Ihr einen gehorsamen Sohn, wie mich, mißhandelt, welcher auf Euer Geheiß zur See ging und seitdem nie eine wirklich gute Kartoffel in seinem Munde gehabt hat. Ich bin ein echter O'Brien, sagt das meiner Mutter, und gedenke nicht, Protestant zu werden, sondern die Religion meines Landes aufrecht zu erhalten, obschon der Teufel Pater M'Grath holen mag und sein Weihwasser auch dazu. Ich werde nicht zu Euch zum Besuche kommen, da Ihr vielleicht einen andern Stuhl für mich in Bereitschaft habt und das nächste Mal besser treffen könntet. So viel für jetzt von Eurem zärtlichen Sohn

      Terenz O'Brien

      »Ungefähr drei Wochen darauf