Der Schiffsmeister war der Offizier, welcher die Aufsicht über die Wache hatte, der ich zugeteilt war. Es war ein ziemlich rauher Seemann, der im Dienste eines Kauffahrers erzogen worden war, und sein Äußeres verriet nicht viel von einem Gentleman, aber er war sehr gutmütig und ein großer Freund von Grog. Er hatte immer mit dem Bootsmann zu zanken und erklärte, der Dienst müsse zum Teufel gehen, seitdem Unteroffiziere weiße Hemden anzögen und Krausen daran trügen. Allein der Bootsmann kehrte sich nicht daran; er verstand seinen Dienst und that ihn, und wenn der Kapitän zufrieden sei, sagte er, so könne die ganze Schiffsmannschaft brummen. Was den Schiffsmeister anbelangt, so sagte er, derselbe sei ein sehr ordentlicher Mann, aber auf einem Kohlenschiff auferzogen worden, und deshalb könne man auch nicht viel Feinheit von ihm erwarten; »in der That,« bemerkte er, indem er seinen Hemdkragen heraufzog, »es ist unmöglich, aus einem Schweinsohr eine seidene Börse zu machen.« Der Schiffsmeister war sehr artig gegen mich und schickte mich gewöhnlich zu meiner Hängematte hinab, bevor meine Wache halb vorüber war. So lange ging ich mit O'Brien auf dem Verdecke auf und ab. Er war ein sehr unterhaltender Gesellschafter, und lehrte mich alles, was er wußte und auf meinen Beruf Bezug hatte. In einer Nacht, als er die Mittelwache hatte, sagte ich ihm, es wäre mir sehr lieb, wenn er mir seine Lebensgeschichte zum besten geben wollte.
»Dies will ich, mein lieber Junge,« versetzte er, »alles, was ich noch davon weiß, obschon ich nicht zweifle, daß ich den besten Teil davon vergessen habe. Es ist noch fünf Minuten bis Glock zwei; wir wollen also den Log auswerfen und auf der Tafel bemerken; dann will ich Dir eine Geschichte preisgeben, welche uns vom Einschlafen bewahren soll.«
O'Brien meldete dem Schiffsmeister die Segelgeschwindigkeit, bemerkte sie auf der Logtafel und kam dann zurück.
»Nun, mein Junge, will ich an der Marssegelfalltaurolle vor Anker gehen, und Du kannst Dein kleines löschpapiernes Geripp unter meine Leeseite stecken, dann will ich Dir alles erzählen. Zuerst und vor allem mußt Du wissen, daß ich von dem großen O'Brien Borru abstamme, welcher seiner Zeit König war, so gut, als der große Fingal vor ihm. Du hast natürlich von Fingal gehört?«
»Könnte es nicht sagen,« versetzte ich.
»Nichts von Fingal gehört! – Mordio – wo mußt Du Dein ganzes Leben gewesen sein? Nun denn, um Dir einen Begriff von Fingal zu geben, will ich Dir zuerst erzählen, wie Fingal den großen schottischen Riesen hinter das Licht führte, und dann an meine eigene Geschichte gehen.
»Fingal, mußt Du wissen, war selbst ein Riese und dazu kein dummer; wer ihn beleidigte, durfte sich darauf verlassen, durchgeprügelt zu werden, so wahr ich jetzt die Mittelwache halte; aber es war ein Riese in Schottland, so groß als der Hauptmast, etwas mehr oder weniger, wie man sagt, wenn man es nicht ganz gewiß weiß, da es davor schützt, mehr Lügen zu sagen, als gerade notthut. Nun denn, dieser Riese hörte von Fingal und wie jeder von ihm geschlagen werde, und sprach: ›wer ist dieser Fingal? bei Jesus! ich will hinüber gehen und sehen, aus was er gemacht ist.‹ So watete er mitten durch den irischen Kanal und landete eine halbe Meile von Belfast, allein ob er auf den Grund kam oder nicht, kann ich nicht sagen; doch glaube ich, daß seine Füße nicht trocken blieben.
»Als Fingal vernahm, daß dieser große Lümmel herüber komme, hatte er teufelmäßig Furcht, denn man sagte ihm: der Schottländer sei um einige Fuß größer. Riesen, mußt Du wissen, messen sich nach Fußen und brauchen sich nicht um einige Zoll zu bekümmern, wie wir kleine Teufel thun müssen. Fingal hielt nun eine scharfe Wacht vor dem Schottländer; aber an einem schönen Morgen kam dieser den Hügel herauf, gerade auf Fingals Haus zu. War Fingal vorher erschrocken, so hatte er mehr Grund, in Furcht zu geraten, als er den Burschen erblickte; denn er sah gerade aus wie ein Monument auf einer Entdeckungsreise. Fingal rannte sogleich in sein Haus hinein und rief sein Weib Schaia. ›Meine Liebe,‹ sprach er, ›spute dich nur, da kommt gerade der schottische Lümmel den Hügel herauf. Decke mich mit den Bettlaken zu, und wenn er fragt, wer im Bett liege, so sage ihm, es sei das Kind.‹ Fingal legte sich nun ins Bett nieder und sein Weib hatte kaum Zeit, ihn zuzudecken, als der Schotte herein trat; aber obschon er sich bückte, stieß er doch seinen Kopf an der Thüre an.
»›Wo ist Fingal, die Bestie?‹ fing er an, indem er sich die Stirne rieb, ›zeige mir ihn, damit ich ihn durchprügeln kann.‹
»›Pst! Pst!‹ rief Schaia, ›Ihr weckt mir da das Büblein auf, und daß Ihr sagt, Ihr wollet ihn prügeln, wird Euer Tod sein, wenn er hereinkommt.‹
»›Ist dies der Bube?‹ rief der Schotte voll Erstaunen, indem er auf die große Gestalt im Bette blickte.
»›Allerdings,‹ versetzte Schaia, ›und dazu noch Fingals Bube. Wecket ihn nicht auf, oder Fingal wird Euch augenblicklich das Genick brechen.‹
»›Bei dem Kreuze des heiligen Andreas,‹ versetzte der Riese, ›dann ist es für mich Zeit, daß ich fortgehe, denn wenn dies sein Bube ist, so werde ich für den Kerl selbst nur ein Maul voll sein. Guten Morgen, Frau.‹
»Also rannte der schottische Riese aus dem Hause und hielt nimmer an, um zu essen oder zu trinken, bis er zu seinen eigenen Bergen zurückkam. Dabei wäre er fast ertrunken, weil er in seiner großen Eile die Furt durch den Kanal verfehlt hatte.
»Nun stand Fingal auf und lachte, so viel er konnte über seine eigene List; damit endigt meine Geschichte von Fingal. – – Nun will ich von mir selbst anfangen. »Wie ich vorhin bemerkte, so stamme ich von dem großen O'Brien ab, welcher seiner Zeit ein großer König war; allein diese Zeit ist vorbei. Ich vermute aber, da die Welt sich ringsum dreht, meiner Kindeskinder Nachkommen werden wieder Könige sein, obwohl es jetzt gerade nicht den Anschein dazu hat; allein es geht aufwärts und abwärts, auf der großen Leiter sowohl, als in der Geschichte des einzelnen Mannes, und das Glücksrad dreht sich zum Troste derjenigen, welche gerade so, wie ich jetzt, auf der untersten Leiter stehen. Um die Geschichte abzukürzen, so will ich gleich zu meinem Urgroßvater überspringen, welcher mit seinen zehntausend Pfund jährlich, wie ein echter Gentleman lebte, was er auch war. Endlich starb er, und achttausend von den zehnen, wurden mit ihm begraben. Mein Großvater folgte seinem Vater im Verlaufe der Zeit, und hinterließ meinem Vater nur etwa hundert Morgen Sumpf, um die Würde der Familie aufrecht zu halten.
»Ich bin der jüngste von zehn und der Teufel soll mich holen, wenn ich einen Pfennig mehr habe, als meinen Sold, oder wahrscheinlich jemals erhalten werde. Man spricht wohl von absteigender Linie, aber eine herabsteigendere Familie, als die weinige, hat nie existiert; denn ich bin hier mit fünfundzwanzig Pfund jährlich und einem künftigen halben Sold von ›Nichts täglich bei Selbstbeköstigung‹, während mein großer Ahnherr mit ganz Irland und jedermann darin anfangen konnte, was ihm gut dünkte.
»Aber dies ist alles nichts, und ich will nur damit beweisen, daß ich keinen Schilling Vermögen habe, was auch der Grund ist, warum ich mich zu Seiner Majestät Diensten herablasse. Pater M'Grath, der Priester, welcher bei meinem Vater lebte, lehrte mich die Elemente, wie man es heißt; ich hatte damals Elemente genug; aber ich habe seither ein gut Teil mehr davon gesehen.
»›Terence,‹ sagte mein Vater eines Tages zu mir, ›was willst Du anfangen?‹ –
»›Mein Essen zu mir nehmen,‹ antwortete ich, denn ich war nicht wenig hungrig.
»›Das sollst du heute, mein Lieber,‹ versetzte mein Vater, ›allein in Zukunft mußt Du etwas treiben, um Dein Essen selbst zu verdienen; hier ist nicht genug Futter für euch alle. Willst Du zur See gehen?‹
»›Ich will sogleich hinunter gehen und danach sehen,‹ sagte ich, denn wir lebten nur sechzehn irische Meilen von der Küste. Als ich mein Mahl beendigt hatte, welches aus Mangel an Stoff nicht lange währte, trabte ich nach dem Hafen hinab, um zu sehen, was für ein Schiff mir gefallen möchte, und traf zufällig ein ziemlich großes an; denn es lag ein Dreidecker mit einer Admiralsflagge am Fockmaste