Peter Simpel. Frederick Marryat Marryat. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frederick Marryat Marryat
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175859
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welche ich hörte, und aus der Art, wie unsere Matrosen, welche man zu diesem Dienste verwendete, gewöhnlich geschlagen und verwundet wurden. Die Leute, welche gepreßt wurden, schienen ebenso hartnäckig zu kämpfen, um nicht zum Dienste gezwungen zu werden, als sie es für die Ehre des Landes thaten, wenn sie einmal eingeschifft waren. Ich hatte große Lust, mit von der Partie zu sein, ehe das Schiff absegelte, und bat O'Brien, der überhaupt sehr freundlich gegen mich war und niemand als sich selbst erlaubte, mich zu walken, ob er mich nicht mitnehmen wolle, was er auch in der darauf folgenden Nacht that. Ich schnallte meinen Degen um, sowohl um als Offizier kenntlich zu sein, als zu meinem Schutze. Als die Dämmerung eintrat, fuhren wir an die Küste und landeten bei Gosport. Die Matrosen waren alle mit scharfen Messern bewaffnet und trugen erbsengrüne Jacken, sehr kurze Kittel von sogenanntem Flushing. Wir hielten uns an den Grogläden der Stadt nicht auf, da es noch zu früh war, sondern wandelten ungefähr drei Meilen in den Vorstädten herum, bis wir zu einem Hause kamen, dessen Thür verschlossen war. Allein wir brachen augenblicklich mit Gewalt hinein und beeilten uns, den Durchgang zu besetzen, wo die Hausfrau bereit stand, uns den Eintritt zu wehren. Der Durchgang war lang und schmal, sie aber ein sehr großes korpulentes Weib, so daß ihr Leib denselben fast ausfüllte. In der Hand hielt sie einen langen Bratspieß auf uns gerichtet, mit welchem sie uns im Schach hielt. Die Offiziere, welche die Vordersten waren, wollten ein Weib nicht angreifen; sie dagegen machte mit ihrem Bratspieße solche Ausfälle, daß einige derselben bald zum Rostbraten fertig gewesen wären, wenn sie sich nicht zurückgezogen hätten. Die Matrosen, welche draußen standen, lachten, und überließen es den Offizieren, die Sache abzumachen, wie sie konnten. Endlich rief die Wirtin ihrem Manne zu:

      »Sind sie alle fort, Jem?«

      »Ja«, versetzte dieser, »alle in Sicherheit.«

      »Nun dann«, gab sie zur Antwort, »will ich bald mit diesen fertig sein.« Und mit diesen Worten machte sie einen solchen Ausfall auf uns mit ihrem Bratspieße, daß, wären wir nicht zurückgewichen und übereinander gepurzelt, sie sicherlich den zweiten Leutnant durchgerannt hätte, welcher die Abteilung kommandierte. Der Gang war im Augenblicke gesäubert. Sobald wir alle auf der Straße waren, schloß sie uns hinaus; so waren wir, drei Offiziere und fünfzehn bewaffnete Leute von einem alten Drachen gänzlich geschlagen; die Matrosen, welche in dem Hause getrunken hatten, waren unterdessen anderswohin entronnen. Allein ich sehe nicht ein, wie es anders kommen konnte; entweder hätten wir das Weib töten oder verwunden müssen, oder sie hätte uns durchbohrt, so entschlossen war sie. Wäre ihr Mann in dem Gange gewesen, mit dem hätte man kurzen Prozeß gemacht; allein was kann man mit einem Weibe anfangen, welches um sich schlägt wie der Teufel, zugleich aber doch die Rechte und Privilegien des zarten Geschlechtes in Anspruch nimmt? Wir gingen alle sehr verdrießlich hinweg, und O'Brien bemerkte, wenn er das nächste Mal wieder an diesem Hause anklopfe, so wolle er die alte Katze umsegeln, denn er werde dann ihre Ladyschaft von hinten angreifen.

      Wir besuchten hierauf andere Häuser, wo wir ein paar Leute aufgriffen, aber die meisten entkamen durch die Fenster und Hinterthüren, wenn wir vorne hereintraten. Es war noch ein Grogladen da, das beliebteste Stelldichein der Matrosen auf den Kauffahrteischiffen, wohin sie sich gewöhnlich zurückzogen, wenn sie hörten, daß die Preßgänge los wären. Unsere Offiziere wußten dies wohl, und machten sich deshalb nicht viel aus dem Entwischen der Leute, indem sie voraussahen, sie würden alle nach jenem Platze eilen und sich im Vertrauen auf ihre Zahl mit uns schlagen. Um ein Uhr glaubte man, es sei Zeit, dahin zu gehen; wir marschierten ohne Geräusch vorwärts, allein sie hatten Leute auf der Lauer, und so wie wir um die Ecke des Gäßchens bogen, wurde Lärm gemacht. Ich fürchtete, sie möchten davonlaufen, und wir würden sie verlieren, allein sie hatten sich im Gegenteil in dieser Nacht sehr stark versammelt und waren entschlossen, ein Treffen zu liefern. Die Männer blieben in dem Hause zurück, aber eine Avantgarde von ungefähr dreißig ihrer Weiber empfing uns mit einem Hagel von Steinen und Kot. Einige von unseren Matrosen wurden verwundet, aber sie schienen von dem, was die Weiber thaten, keine Notiz zu nehmen. Sie drangen vor und wurden dann von den Weibern mit Fäusten und Nägeln empfangen. Dessenungeachtet lachten die Matrosen nur dazu und trieben die Weiber mit den Worten auf die Seite: »sei ruhig; Polly; nicht närrisch, Molly; aus dem Wege, Sukey, wir wollen Dir Deinen Liebsten nicht nehmen«, obschon das Blut von ihren zerkratzten Gesichtern herablief. So versuchten wir, uns mit Gewalt einen Weg durch sie zu bahnen, aber ich kam bei dieser Gelegenheit mit genauer Not davon. Ein Weib ergriff mich beim Arme und zog mich gegen sich hin; wäre mein Quartiermeister nicht gewesen, so wäre ich von meiner Partie getrennt worden; allein gerade, als sie mich wegrissen, hielt er mich am Beine fest und hinderte sie. Pack ihn, Grete, rief das Weib einer anderen zu, wir wollen dieses kleine Seekadettchen nehmen, ich brauche ein solches Püppchen für eine Säugamme. Es kamen ihr noch zwei Weiber zu Hilfe, welche mich am anderen Arme festhielten, und sie würden mich der Hand des Quartiermeisters entrissen haben, hätte er nicht seinerseits auch um Hilfe gerufen, worauf zwei Matrosen mein anderes Bein ergriffen. Das war ein Zerren, Stoßen und Ziehen, alles auf meine Kosten; bisweilen gewannen die Weiber ein paar Zoll, dann wieder die Matrosen. Einmal glaubte ich, es sei alles mit mir vorbei, und im nächsten Augenblicke befand ich mich mitten unter meinen eigenen Leuten. »Zieh den Teufel, reck' den Bäcker!« schrie das Weib, und dann brachen sie in ein Gelächter aus, in welches ich, wie ich versichern kann, keineswegs einstimmte; denn ich glaube wirklich, ich sei um einen Zoll größer gezogen und meine Kniee und Schultern schmerzten mich entsetzlich. Zuletzt lachten die Weiber so sehr, daß sie mich nicht mehr festhalten konnten. Dadurch kam ich in die Mitte unserer eigenen Matrosen, wo zu bleiben ich mich sorgfältig bemühte. Nach einigem Quetschen und Schlagen wurde ich durch den Haufen in das Haus gedrängt; die Matrosen von den Kauffahrern hatten sich mit Knitteln und anderen Waffen versehen, und auf den Tischen Posto gefaßt. Es waren mehr als zwei gegen einen von uns, und es erhob sich ein furchtbarer Kampf, indem sie einen ganz verzweifelten Widerstand leisteten. Unsere Matrosen mußten ihre Schlitzmesser brauchen, und in einigen Minuten war ich durch das Schreien und Fluchen, Stoßen und Balgen, Ringen und Fechten ganz verwirrt; dabei erhob sich ein Staub, welcher mich nicht nur blendete, sondern beinahe erstickte. Während mir der Atem fast aus dem Leibe gepreßt wurde, gewannen unsere Matrosen die Oberhand. Kaum hatte die Wirtin und die übrigen Weiber dies bemerkt, so löschten sie alle Lichter aus, so daß ich nicht sagen konnte, wo ich war; unsere Matrosen aber hatten jeder seinen Mann gefaßt, und suchten sie aus der Thür hinaus zu ziehen, wo sie gesammelt und verwahrt wurden. Nun war ich wieder in großer Not; man hatte mich zu Boden geworfen und auf mich getreten. Als ich mich endlich wieder auf die Beine stellen konnte, wußte ich nicht, in welcher Richtung die Thür lag. Ich fühlte überall an der Wand herum und kam zuletzt an eine Thür (das Zimmer war nämlich damals fast leer, indem die Weiber den Männern aus dem Hause gefolgt waren). Ich öffnete sie, fand aber, daß es nicht die rechte war, sondern in ein kleines Nebenzimmer führte, wo ein Feuer brannte, aber kein Licht.

      Ich hatte eben meinen Irrtum entdeckt und wollte mich zurückziehen, als ich von hinten hineingeschoben wurde und der Schlüssel sich drehte.

      Hier war ich nun ganz allein, und ich muß gestehen, in großer Angst, da ich an die Rache dachte, welche die Weiber an mir nehmen würden. Ich glaubte, mein Tod sei gewiß und ich werde, wie ich einst von Orpheus in meinen Büchern gelesen, von diesen Bacchantinnen in Stücke zerrissen werden. Doch stellte ich mir wieder vor, daß ich ein Offizier in Seiner Majestät Diensten sei, und die Pflicht es mir gebiete, im Notfalle mein Leben für König und Vaterland zu opfern. Meine arme Mutter fiel mir ein; da mich jedoch dieser Gedanke trostlos machte, so suchte ich ihn zu vertreiben, und mir alles ins Gedächtnis zurückzurufen, was ich von der Tapferkeit und dem Mute verschiedener großer Männer gelesen hatte, wenn ihnen der Tod ins Angesicht blickte. Ich blinzelte durch das Schlüsselloch und bemerkte, daß die Lichter wieder angezündet und nur Weiber in dem Zimmer waren, welche alle zugleich sprachen und nicht an mich dachten. Allein ein paar Minuten darauf kam ein Weib von der Straße herein mit langen, schwarzen, über die Schulter herabhängenden Haaren und ihrer Haube in der Hand.

      »Gut!« schrie sie, »sie haben mir meinen Mann weggeschnappt; aber ich will mich auffressen lassen, wenn ich nicht das Seekadettchen in diesem Zimmer eingeschachtelt habe, und er soll seinen Platz einnehmen.«

      Ich glaubte, ich müsse sterben, als ich das Weib ins Auge faßte und sie nebst einigen anderen auf die Thür zukommen