Die verschiedenen Aurasymptome folgen gewöhnlich einer bestimmten Reihenfolge. Meistens beginnend mit visuellen Symptomen, gefolgt von Sensibilitätsstörungen und gegebenenfalls gestörter Sprache (Aphasie). Allerdings sind auch andere Reihenfolgen möglich und dokumentiert.
Für die meisten Aurasymptome beträgt die anerkannte Dauer ca. 60 Minuten. Motorische Symptome dauern häufig länger an.
Diagnostische Kriterien der Migräne mit Aura
Als diagnostische Kriterien der Migräne mit Aura gelten laut IHS / ICHD-3:
Kriterium A: Mindestens zwei Attacken, die das Kriterium B und C erfüllen
Kriterium B: Ein oder mehrere der folgenden vollständig reversiblen Symptome
1. visuell
2. sensorisch
3. Sprechen und/oder Sprache
4. motorisch
5. Hirnstamm
6. retinal
Kriterium C: Mindestens drei der folgenden sechs Merkmale sind erfüllt:
1. wenigstens ein Aurasymptom entwickelt sich allmählich über ≥5 Minuten hinweg
2. zwei oder mehr Aurasymptome treten nach einander auf
3. jedes Aurasymptom hält 5 bis 60 Minuten an
4. mindestens ein Aurasymptom taucht einseitig auf
5. mindestens ein Aurasymptom ist positiv
6. die Aura wird von Kopfschmerz begleitet, oder dieser folgt ihr innerhalb von 60 Minuten
Kriterium D: Nicht besser erklärt durch eine andere ICHD-3-Diagnose.
3.2 Diagnostik
Die Symptome der Hirnstammaura können einige schwerwiegende Krankheitsbilder wie Schlaganfall, Tumore und Infektionen imitieren. Es ist daher wichtig, einen Arzt oder eine Notfallambulanz aufzusuchen, wenn sich die Symptome einer Hirnstammaura zum ersten Mal zeigen oder wenn sich die Schwere und Häufigkeit der Symptome ändert, um solche schwerwiegenden Erkrankungen auszuschließen.
Es gibt keinen Blutwert oder eine typische Erscheinung der Hirnstammaura, die durch bildgebende Verfahren wie Röntgen oder Magnetresonanztomografie (MRT) sichtbar gemacht werden könnten. Die Migräne mit Hirnstammaura kann daher nur als Ausschlussdiagnose nach gründlicher Befragung (Anamnese) und Abklärung von Differenzialdiagnosen (s.u.) gestellt werden. Bei der Ausschlussdiagnostik werden im Allgemeinen folgende diagnostische Verfahren genutzt:
MRT/CT/Angiographie
Eine Bildgebung mit MRT oder Magnetresonanzangiographie (MRA) des Kopfes oder eine Computertomographie (CT)-Angiographie ist jedoch angezeigt, um andere Pathologien, wie Schlaganfall, Gefäßfehlbildungen (atrioventrikuläre Fehlbildung) des Hirnstamms (auch „AV-Missbildungen“) und Tumore auszuschließen.
EEG
Ein Elektroenzephalogramm (EEG) kann darüber hinaus andere Anfallsgeschehen (zum Beispiel Epilepsien) ausschließen. Dies kann besonders dann wichtig sein, wenn der Bewusstseinszustand des Patienten schwankt oder der Bewusstseinsgrad abnimmt.
EKG
Manchmal ist ein 24-Stunden-Echokardiogramm (EKG) („Holter-Überwachung“) erforderlich, um Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) auszuschließen, die ebenfalls für ähnliche Symptome verantwortlich sein könnten.
Blutwerte
Die Bestimmung verschiedener Blutwerte kann Hinweise auf Entzündungen oder andere Krankheiten geben.
Bei vielen Migränepatienten wird im Zuge dieser Standard-Blutuntersuchungen in Notfallambulanzen ein Magnesiummangel festgestellt, der jedoch nicht als Ursache für die Anfälle gesehen werden kann. Der Versuch einiger Notfallmediziner, mit Gabe eines Magnesiumpräparates den Anfall zu „therapieren“ bleibt in diesen Fällen naturgemäß ursächlich erfolglos. Besserungen des Zustands nach Gabe einer Magnesiumbrausetablette sind in diesen Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit zufällig, da ein Migräneanfall mit Hirnstammaura ohnehin meist innerhalb eines Zeitfensters von etwa 60 Minuten abklingt. Statistiker sprechen in solchen Fällen von Korrelation (= zufälliger Zusammenhang von Erscheinungen). Es kann hieraus keine kausale (also ursächlich begründende) Beziehung zwischen der Magnesiumeinnahme und dem Rückgang der Hirnstammaura-Symptomatik abgeleitet werden.
Dennoch kann die Gabe/Einnahme von Magnesium als Migräneprophylaxe und Unterstützung der Akuttherapie zu Beginn eines Anfalls sinnvoll sein (siehe Kapitel 8 Therapie und 9 Selbsthilfe).
3.3 Abgrenzung / Differenzialdiagnosen
Unter Differentialdiagnosen verstehen Mediziner Krankheiten, die ähnliche Symptome bzw. Symptomkomplexe aufweisen. Diese Krankheiten müssen bei einer korrekten Diagnosestellung (neben der ursprünglichen Verdachtsdiagnose) in Betracht gezogen worden sein. Ziel der Differentialdiagnostik ist es, Erkrankungen mit ähnlichem Erscheinungsbild voneinander abzugrenzen („Ausschluss-Diagnostik“), um letztlich sicher zu sein, mit welcher zugrundeliegenden Erkrankung man es tatsächlich zu tun hat. Nur so ist eine fachgerechte Therapie möglich.
3.3.1 andere Migräneformen
Die Abgrenzung der Migräne mit Hirnstammaura zu anderen Migräneformen gestaltet sich oftmals schwierig. So gibt es vor allem große Ähnlichkeiten der Symptome mit der in bisherigen Klassifizierungssystemen noch beschriebenen Migräne vestibularis bzw. vestibulären Migräne und der (familiären) hemiplegischen Migräne. Hinzu kommen Uneinigkeiten der Fachmediziner aufgrund der nicht abschließend geklärten Ursachen und leider auch die generelle Unkenntnis vieler Fachärzte, die dafür sorgen, dass nicht immer „saubere“ Diagnosen gestellt werden.
3.3.1.1 vestibuläre Migräne
Die unterschiedlichen Klassifikationssysteme und ihre Fassungen verkomplizieren eine genaue Beschreibung der verschiedenen Migränearten. Dies gilt vor allem für die Beschreibung der vestibulären Migräne im Unterschied zu bzw. Zusammenspiel mit der Migräne mit Hirnstammaura.
Manche Autoren sehen die Basilarismigräne bzw. Migräne mit Hirnstammaura seit langem als besondere Form der vestibulären Migräne. Diese wird auch als Migräne mit vestibulärer Aura, migranöser Schwindel, vertiginöse Migräne, migräne-assoziierter Schwindel, episodische Schwindelattacken bei Migräne (Engl.: vestibular migraine, migrainous vertigo, migraine with vestibular aura) bezeichnet.
Als Symptome der vestibulären Migräne gelten in weiten Teilen der aktuellen Fachliteratur:
• Drehschwindel, aber auch Bewegungsgefühl (Schwanken, Kippen)
• Gang- oder Standunsicherheit
• Dauer zwischen 30 Sekunden und Stunden, selten mehrere Tage
• Schwindel tritt häufig isoliert als einziges Symptom auf
• Auftreten meist ohne begleitende oder nachfolgende Kopfschmerzen
• Zunahme des Schwindels bei Änderung der Körperlage möglich
• Begleitend Gangunsicherheit, Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen möglich
• Licht- oder Geräuschempfindlichkeit begleitend möglich
• Schwindelattacken können gelegentlich mehrfach pro Tag auftreten
• Visuell-induzierter Schwindel (Betrachtung sich bewegender Objekte)
• Kopfbewegungsinduzierter Vertigo
• Gelegentlich Sehstörung in Form eines verschwommenen Sehens
• Bei begleitendem Kopfschmerz, kann Schwindel Migräne vorausgehen, überlappend auftreten oder nachfolgen
• Gelegentlich