Das Informationszentrum für genetische und seltene Krankheiten (GARD) ist ein US-amerikanisches Programm des Nationalen Zentrums zur Förderung der translationalen Wissenschaften (NCATS) und wird von zwei Teilen der Nationalen Gesundheitsinstitute (NIH) der USA finanziert: NCATS und dem Nationalen Institut für Humangenomforschung (NHGRI) ). GARD bietet der Öffentlichkeit Zugang zu aktuellen, zuverlässigen und leicht verständlichen Informationen über seltene oder genetisch bedingte Krankheiten.
1.2 Verbreitung (Epidemiologie)
Prävalenz und Inzidenz der Migräne mit Hirnstammaura sind weitgehend unbekannt. Das heißt, es liegen keine Daten vor, die Aufschluss darüber geben, wie viele Betroffene es in Deutschland gibt oder bisher gab. In einer Studie zeigte sich rechnerisch, dass etwa 0,04 Prozent der dänischen Gesamtbevölkerung betroffen sind (vgl. Yamani et al 2019). Wie oft die Erkrankung neuerlich in der Bevölkerung auftritt, ist nicht erhoben. Festgestellt wurde jedoch, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer.
Altersstruktur der Betroffenen
Obwohl in der Kindheit prinzipiell jede Form der Migräne auftreten kann, sind basiläre neurologische Symptome besonders häufig bei der kindlichen Migräne zu beobachten (vgl. Göbel 2012).
Grundsätzlich kann die Basilarismigräne in jedem Alter auftreten. Häufiger wird sie offenbar bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen beobachtet. In der Fachliteratur wird angegeben, dass sich die Erkrankung normalerweise im Alter zwischen 7 bis 20 Jahren präsentiert. In Patientenforen und anderen Medien, in denen über die Migräne mit Hirnstammaura berichtet wird, treten jedoch häufiger Erwachsene über 30 in Erscheinung. Das liegt vermutlich daran, dass erst ab diesem Alter eine gewissen „Mediennutzungskompetenz“ vorhanden ist und Austausch auf diesem Wege in Betracht gezogen wird. Die überwiegende Mehrheit der in den sozialen Medien Rat- und Hilfesuchenden sind weiblich (z.B. 61 von 63 Mitgliedern einer deutschen Hirnstammaura-Facebookgruppe).
1.3 Prognose
Aufgrund der Seltenheit dieser Migräneart liegen nur begrenzt Daten zu Langfrist-Prognosen der Betroffenen vor. Einige Untersuchungen legen nahe, dass die Häufigkeit von Migräne mit Hirnstammaura mit dem Alter abnimmt. Bei vielen Betroffenen verändert sich die Migräne im Verlauf auch zu Episoden typischerer Migräneformen oder Mischformen.
In Betroffenen-Foren wird häufig berichtet, dass sich nach extrem hochfrequenten Hirnstammaura-Phasen, die vor allem vor und während der noch unklaren Diagnosephase auftreten, Phasen mit deutlich weniger starken Symptomen anschließen können.
2 Symptome
Wie äußert sich eine Hirnstammaura?
Die Symptome der Migräne mit Hirnstammaura ähneln einerseits weitaus gefährlicheren Krankheitsbildern, wie z. B. Schlaganfall oder Hirntumor, können aber als solche auch in Verbindung mit Angst und Hyperventilation auftreten.
Aufgrund der existentiell bedrohlich wirkenden Symptome, erleiden Betroffene häufig zusätzlich Panikattacken, die jedoch nicht Auslöser der Hirnstammaura sind. Durch sorgfältige Anamnese und (ggf. stationär durchgeführte) gründliche Diagnostik ist eine Abgrenzung gut möglich.
Symptomliste
Zur neurologischen Symptompalette, die in der Fachliteratur geschildert werden, gehören:
• extremer (Dreh-)Schwindel (spezieller Vertigo, der im Vergleich zum Schwindel bei der „normalen“ Migräne deutlich stärker auftritt) - auch bis mehrere Tage nach dem Anfall anhaltend
• Übelkeit und Erbrechen (Nausea)
• Sprachstörungen (Dysarthrie /Aphasie) - auch tagelang anhaltend
• Gleichgewichtsstörungen
• Ohrgeräusche, Tinnitus und Hörminderung
• Sehstörungen: Doppelbilder (Diplopie), Lichtblitze (Photopsie), Gesichtsfeldausfälle (Skotome) oder vorübergehende Blindheit auf beiden Augen (Amaurosis fugax)
• unwillkürliche Augenbewegungen (Nystagmus)
• Störungen der Bewegungsabläufe (Ataxie / zerebelläre ataktische Störungen), Zittern in den Beinen, unwillkürliche Bewegungen oder anormale Reflexe (Pyramidenbahnzeichen)
• Bewusstseinsstörung, Verwirrtheit und Desorientiertheit, vorübergehender Gedächtnisverlust (Amnesie)
• (Körper-)Wahrnehmungsstörungen (z.B. Metamorphosie: Gegenstände werden anders wahrgenommen als sie real sind – z. B. größer oder in Bewegung; auch „Alice-im-Wunderland-Syndrom“)
• gleichzeitige beidseitige Missempfindungen, Taubheitsgefühle, Kribbeln (Parästhesien und Sensibilitätsstörungen)
Lähmungserscheinungen oder Schwächegefühle (unvollständige Paresen) werden heute als Diagnosekriterien für andere Migräneformen (hemiplegische Migräne) aufgeführt. Manche Betroffenen schildern ihre Symptome trotzdem mit diesen Begriffen, möglicherweise, weil die Unterscheidung zwischen einer muskulären Schwäche und einem Sensibilitätsverlust ohne genaue Kenntnis der medizinischen Begrifflichkeiten und Zusammenhänge kaum möglich ist. Typisch ist beispielweise eine motorische Schwäche beider Arme, die sich von den Schultern abwärts, Richtung Hand ausbreitet und nach 10-15 Minuten allmählich wieder verschwindet (vgl. Göbel 2012).
Weitere Symptome, die vor, während oder nach einem Anfall auftreten können, sind: Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, Blässe und Todesangst (Angor Animi), sowie alle möglichen Veränderungen des Affektes. Dazu können neben Angst und Panik auch gegenteilige Gefühlsausbrüche, wie Euphorie und besondere Freude gehören.
Alle Symptome bilden sich vollständig wieder zurück, d.h. sie sind vollständig reversibel und hinterlassen in aller Regel keine bleibenden Schäden.
Die in über 90 Prozent auftretenden, schweren Kopfschmerzen (häufig am Ende des akuten Anfalls, als starker Druck empfunden), sind im Hinterkopf lokalisiert. Die Aurasymptome und die ggf. auftretenden Schmerzen nehmen (anders als bei anderen Migräneformen) Betroffene beidseitig wahr. Dies ist auch ein relativ eindeutiges Zeichen für das Vorliegen einer Hirnstammbeteiligung, da sie somit beiden Hirnhälften (Hemisphären) gleichzeitig zuzuordnen sind.
Aus den Erfahrungsberichten von Betroffenen lassen sich noch weitere Symptome ableiten, die jedoch oftmals von den Ärzten erst entsprechend in die Diagnosekriterien „übersetzt“ werden müssen. Diese „Übersetzungsarbeit“ kann entscheidend zur korrekten Diagnosefindung beitragen. Ein Grund dafür, dass Symptomschilderungen nicht immer sofort zur korrekten Diagnose führen, ist die unterschiedlich „hinterlegte“ Definition der Bezeichnungen von Körpersensationen. Wenn ein Patient beispielsweise sagt: „Mir ist schwindelig“, müsste es in manchen Fällen medizinische korrekt heißen: der Patient hat „Wahrnehmungsstörungen“ oder ein „Benommenheitsgefühl“.
Vor allem im akuten Fall, der sich für Betroffene oft lebensbedrohlich anfühlt, ist es jedoch schwer bis unmöglich, die gerade vorliegenden Symptome sachlich korrekt und für ärztliches Personal eindeutig zu schildern. Dies führt häufig zu Missverständnissen und begünstigt Fehldiagnosen. Darüber hinaus wird in vielen Notfallambulanzen oder Arztpraxen allein aus Zeitmangel selten dezidiert nachgefragt, um die „Feinheiten“ der Patientenschilderungen herauszuarbeiten und komplexe Abläufe in Hinblick auf die neurologische Bedeutsamkeit zu erfassen. Vor allem unerfahrene Ärzte scheitern hier oft am eigenen (nicht