2050. Jennifer Schumann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jennifer Schumann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783754927403
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Schwarzen Loch näherten, umso schwieriger wurde es, das Shuttle zu kontrollieren.

      »Steph. Zieh deinen Anzug an. Ich habe das Gefühl, es wird eine Notlandung werden.«

      Stephanie schaute immer noch nach vorn, Normans Worte ignorierend.

      »Stephanie?«

      Sie erwachte aus ihrer Trance, nickte und machte sich auf den Weg zu dem Raum im hinteren Teil des Shuttles, wo vier Anzüge hingen. Sie schlüpfte in einen hinein. Erst war er ihr zu groß, aber dann passte er sich ihrem Körper an. Er war wie eine zweite Haut. Sie nahm den Helm unter den Arm, zog ihre Erkennungsmarken hervor und kehrte zu Norman zurück.

      »Los.«

      Während Norman seinen Anzug anlegte, betrachtete Stephanie weiter die Finsternis vor ihr. Er kam mit einem Foto ihres Sohnes zurück.

      »Norman?«

      »Ja?«

      Sie schauten weiter nach vorne.

      »Stört es dich, dass ich diesen Anblick so sehr liebe?«

      Nun drehte sich Norman zu seiner Frau, die genau in das schwarze Auge starrte. Er legte das Foto beiseite und antwortete nicht. Im Moment hatte er andere Dinge im Kopf.

      »Was, wenn es zu spät ist?« Stephanie blickte immer noch nach vorne. »Fünfzehn Jahre sind keine lange Zeit. Was ist, wenn wir kein neues Zuhause finden können?«

      Plötzlich begann das Shuttle zu vibrieren. Die Gravitation des Wurmlochs wurde stärker. Sie flogen weiter darauf zu, bis die Elektronik versagte und sie von der Kraft des Schwarzen Lochs eingesogen wurden. Das Licht eines weit entfernten Sterns erlosch und die beiden fanden sich in totaler Finsternis wieder. Ein kalter Schauer lief Norman den Rücken hinunter, gefolgt von Gänsehaut und Tränen. Dieses Gefühl. Beunruhigend. Verstörend. Sie konnten nichts hören. Sie befanden sich in totaler Stille und Finsternis. Es war nicht ganz das, was sie erwartet hatten. Es war nicht viel anders, als wenn ihr Shuttle in der Schwerelosigkeit des Alls schweben würde.

      »Dada!«

      Eine kindliche Stimme ertönte hinter Stephanie und Norman. Beide reagierten nicht. Absichtlich.

      »Mama! Dada!« Langsam drehte Norman den Kopf nach rechts und hielt den Atem an.

      Ihr Sohn David saß auf der anderen Seite des Cockpits und lächelte sie an. Ein süßes, unschuldiges Lächeln. Norman drehte seinen Kopf nach vorn und blickte in die Finsternis.

      »Du siehst ihn auch, oder?« Norman nickte vorsichtig. Stephanies Augen wurden nass.

      »Norman. Ich habe Angst. Ich habe Angst, meinen Sohn anzusehen.«

      »Mama!« Norman antwortete ihr leise.

      »Ich auch.«

      Beide schauten weiter geradeaus, als sie hörten, wie David auf sie zu krabbelte.

      »Ich habe mein Leben lang auf die Wissenschaft vertraut. Ich glaube nicht an Übernatürliches oder an eine höhere Macht, die von oben auf uns herabsieht. Aber eines weiß ich mit Sicherheit.«

      Stephanie schaute zu ihrem Mann hinüber. Er bewegte sich in ihrem Augenwinkel. Wie ein Schatten, der immer näher kam. Ein sehr kleiner Schatten. Der Schatten ihres Sohnes. Eine Träne rannte über Stephanies Wange, als Norman weitersprach.

      »Es gibt Orte, an denen wir nicht sein sollten. An denen kein Mensch sein sollte.«

      »Mama! Dada!« David krabbelte schneller. Stephanie weinte. Norman nahm ihre Hand.

      »Egal, was passiert, dreh dich nicht um.« David würde sie jede Sekunde erreichen.

      Beide schlossen ihre Augen und drückten sich tiefer in ihre Sitze, als das Krabbeln plötzlich aufhörte. Eine weitere Minute lang wagten sie nicht, sich zu bewegen, dann öffneten sie die Augen. Schweiß lief ihnen die Stirn hinab. Vorsichtig drehte Norman sich um und sah den leeren Bereich hinter ihnen. David war fort. Die Gänsehaut verschwand und er beruhigte sich.

      »Norman.« Stephanie flüsterte. Norman sah sie an und sein Herz begann von Neuem heftig zu schlagen. David kletterte auf Stephanies Schoß und spielte mit den Erkennungsmarken an ihrem Hals.

      »Norman.« Eine weitere Träne lief über ihre Wange. »I… Ich kann seine Hände spüren. Sein Gewicht auf meinem Schoß. Warum passiert das?«

      Norman konnte sich nicht rühren. Seine Hände waren kalt und nass.

      »Ich weiß es nicht. Es tut mir leid.«

      Plötzlich stürzte das Shuttle ab. Als würde ein Stein von einer Klippe hinuntergeworfen werden. Norman und seine Frau wurden nach oben gedrückt, aber die Gurte hielten sie in ihren Sitzen. Adrenalin schoss durch ihre Körper. Es drehte ihnen die Eingeweide um und beide verspürten einen heftigen Brechreiz. Sie schrien und hofften auf ein schnelles Ende, aber egal wie laut sie waren, sie konnten das Weinen ihres Sohnes nicht übertönen.

       Norman schnappte noch einige Augenblicke nach Luft, bevor er wieder normal zu atmen begann. Er lag auf dem Rücken und sah in den weißen Himmel über ihm. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war das abstürzende Shuttle. Er konnte Meeresrauschen hören und nahm einen komischen Geruch wahr. Er war nicht eklig, nur undefinierbar. Norman erhob sich und schaute geradeaus. Dieser Ort sah aus wie ein Strand. Der Sand hatte eine dunkelblaue Farbe und die Dünen, die sich vor ihm erstreckten, schienen unendlich. Norman berührte den blauen Sand. Er konnte ihn durch die Handschuhe hindurch nicht fühlen, aber er sah genauso aus wie der Sand auf der Erde. Dieselbe körnige Struktur. Dann betrachtete er das Meer zu seiner Linken. Es war weiß. Weiß wie Milch und weiß wie der Himmel über ihm. Dann sah er es. Er sah ihr Shuttle im Wasser treiben und es sank.

      »Steph!« Er rannte zum Wasser, sprang hinein und schwamm, so schnell er konnte.

      Das Shuttle war jetzt komplett unter Wasser. Norman atmete tief ein und tauchte ab. Zu seiner Überraschung konnte er in dem weißen Meer gut sehen. Die Tür fehlte und die Flüssigkeit füllte bereits das ganze Raumschiff aus.

      Er schwamm hinein und weiter zu seiner Frau, die immer noch an den Sitz gegurtet war. Sie sanken immer schneller. Er durchschnitt den Gurt, packte sie und bewegte sich zum Ausgang. Für einen Moment dachte er, er hätte Davids kleinen Körper im Cockpit gesehen. Er war sich nicht sicher und wollte es auch nicht herausfinden. Er drückte sich vom Shuttle weg und versuchte mit Stephanie in seinen Armen, an die Oberfläche zu gelangen.

      Während er sie hielt, sah er hinab auf den Meeresgrund. Seine Augen weiteten sich, als er erkannte, was da unten lag. Etwas, das er nicht erklären konnte. Das Shuttle war auf anderen Raumschiffen gelandet. Da waren Tausende und sie bedeckten bereits den ganzen Meeresboden. Manche sahen alt und zerstört aus, während andere genau ihrem eigenen Shuttle glichen. Dann sah Norman es, er sah die Ähnlichkeit all dieser Raumschiffe. Alle hatten den Name BLUM auf der Seite aufgedruckt. Jedes einzelne davon war ihr Shuttle.

      Als wären er und seine Frau hier schon früher gelandet. Mehr als ein Mal. Es spielte keine Rolle, was hier passierte oder was sich im Inneren der Shuttles auf dem Meeresgrund befand. Er musste seine Frau retten.

      Norman brauchte Luft, er war schon viel zu lange unter Wasser. Er drückte Stephanie an seine Brust und schwamm auf das Licht zu. Als sie endlich an der Oberfläche waren, rang er nach Luft. Er legte sie auf den blauen Sand und fing an, auf ihre Brust zu drücken.

      »Eins. Zwei. Drei.« Er legte seinen Kopf auf ihre Brust und hoffte auf einen Herzschlag. Nichts passierte und er versuchte noch einmal, sie zurück ins Leben zu holen. Er öffnete ihren Mund, presste seine Lippen an ihre und blies hinein.

      »Bitte. Bitte, wach auf!« Nichts passierte, so sehr er es auch versuchte. Er fing an zu weinen. »Bitte!«

      Nichts. So sehr er sie auch retten wollte. So sehr er es versuchte. Es gab keine Hoffnung mehr. Die Gravitation, der Sturz oder die Flüssigkeit hatte sie getötet. Norman nahm den Leichnam in seine Arme und küsste sie auf die Stirn. Sein Körper zitterte, seine Brust schmerzte. Er schloss seine Augen.

      »Steph.