2050. Jennifer Schumann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jennifer Schumann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783754927403
Скачать книгу
bei Filmen wie »High Life« mit Robert Pattinson oder »Annette« mit Adam Driver und Marion Cotillard.

      Zugriff

       Silvia Krautz

       »Es geht gleich los!«, flüsterte Tim ihm über Funk ins Ohr.

      Erik sah von seinem Pad auf. Er hasste die Warterei auf den Startbefehl. Besonders heute tat er das, denn dies würde ihr wichtigster Einsatz sein. Aber falls alles gut ging, dann war es ihr letzter.

      Seine Partnerin Linda verzog das Gesicht.

      »Das hast du uns schon zweimal gesagt, Tim. Aber jedes Mal ist einem der Konferenzteilnehmer ein weiteres Schlusswort eingefallen, das im Grunde keinen interessiert.«

      »Wohl wahr«, murmelte Erik. Die Stimme in seinen Ohrstöpseln schwieg. Erik wechselte einen Blick mit Linda und stellte sich darauf ein, noch weitere Minuten voller innerer Anspannung in der winzigen Abstellkammer zu verbringen. Mit einem leisen Seufzen schaute er wieder auf das Pad und verfolgte die Live-Übertragung aus dem Konferenzsaal.

      In Eriks Ohr rauschte es. Dann hörte er wieder die Stimme ihres Koordinators: »Die Reden sind vorbei. Zielperson Eins schüttelt die letzten Hände und begibt sich mit ihrem Wachpersonal zu den Autos. Zielperson Zwei nimmt noch ein paar Verbeugungen entgegen und – ja, sie geht jetzt auch.«

      Erik hörte, wie Tim tief Luft holte. Vermutlich schlug Tims Herz gerade genauso schnell wie sein eigenes. Er drehte den beiden Präsidenten, deren Eskapaden ihn nur noch anwiderten, Bild und Ton ab und verstaute sein faltbares Pad in einer Anzugtasche.

      »Ihr wisst, was von euch abhängt, Leute. Ich wünsche euch alles Glück, das ihr kriegen könnt! Lasst euch nicht schnappen, während ihr den Lauf der Geschichte verändert! Team Eins, Team Zwei – es geht los!«

      Erik erhob sich gleichzeitig mit Linda, die ihn breit angrinste.

      »Dann treten wir ihnen mal gehörig in den sprichwörtlichen Arsch!«

      Ein erwartungsvolles Gefühl löste das entnervende Warten ab. Routiniert zog Erik sich den elastischen Helm über, schloss am Hals die Kontakte zum Ganzkörperanzug und schaltete die Datenbrille vor seinen Augen live. Funkverbindung, Elektro-Stunner, ein letzter Check des Anzugnetzes, von dessen Funktionsfähigkeit alles abhing. Er drehte sich zu Linda um.

      »Fertig? Dann los!«

      Erik holte tief Luft und schaltete die Modulatoren ein. Es kribbelte eine Sekunde lang wie eine Schar Ameisen auf seiner Haut. Dann löste er sich in Luft auf. Neben ihm verschwand Linda. Nur die Umrissanzeige auf der Datenbrille zeigte ihren Standort an.

       Erik nahm Verbindung zur Kamera draußen im Flur auf. Sie projizierte ihr Bild direkt vor seine Augen. Erik sah den Gang ruhig und leer im Halbdunkel liegen. Ein Stockwerk unter ihnen schob ein Hotelangestellter einen defekten Reinigungsroboter in den Fahrstuhl. Die anderen Kameras, die sich auf ihrer geplanten Route befanden, meldeten keinerlei Schwierigkeiten.

      Erik öffnete die Tür. Auf Sohlen, die jedes Geräusch bis zur Unhörbarkeit dämpften, traten sie auf den Flur hinaus.

      ›Ich hoffe, Takeos Team bekommt für diese Erfindung einmal den Nobelpreis.‹

      Die Unsichtbarkeits-Modulatoren, die über seinen Ganzkörperanzug verteilt waren, vibrierten kaum merklich. Trotz des intensiven Trainings war es für ihn immer noch ein eigenartiges Gefühl, seine federnden Schritte zwar zu spüren, aber nicht mehr zu sehen, was seine Füße taten. Dass er Linda nur als Umriss auf seiner Datenbrille neben sich herlaufen sah, verstärkte dieses Gefühl. Zwei Einsätze hatte er jetzt hinter sich, aber richtig daran gewöhnen konnte er sich bisher nicht.

      Unbehelligt erreichten sie die Treppe. Erik musterte die Personenschützer, die auf jeder Etage am Treppenaufgang und vor den Fahrstühlen standen. Mit stoischen Mienen behielten sie ihre Umgebung im Auge. Er lobte in Gedanken den zweiten Nobelpreis aus, diesmal für Walids und Iras Firma, der sie die speziellen Schuhsohlen verdankten. Und einen dritten für Helge und Jerome, die ihre Körper auch für Wärmebildkameras unsichtbar gemacht hatten.

      Linda hielt sich direkt hinter Erik, während er die Stufen hinabging. Wie ruhig es hier oben war. Das Nobelhotel, in dem Zielperson Eins, der Präsident des amerikanischen Nordkontinents, residierte, konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit im Moment auf die Empfangshalle. Erik hörte von unten Stimmen und Gläserklirren. Das Summen der Videodrohnen, die sich bei der Ankunft des Präsidenten wie ein Schwarm Insekten auf ihn stürzen würden, dachte er sich dazu.

      Auf der linken Seite seiner Datenbrille leuchtete ein kleiner grüner Punkt auf.

      Erik lächelte. Auf der anderen Seite dieses Gebäudes war soeben Team Zwei in Aktion getreten. Jake und seine beiden Bodyguards hatten die Wartezeit in einer ähnlich winzigen, verborgenen Kammer verbracht. Jetzt befanden sie sich auf dem Weg zu ihrer Position, unsichtbar wie Linda und er.

      Grellrot blinkte die Gefahrenanzeige in Eriks Gedanken hinein.

      Gleichzeitig startete im unteren Teil seines Gesichtsfelds eine Kameraübertragung. Eine Tür klappte auf. Eine Dame im Blazer trieb einen verschüchtert aussehenden jungen Mann, der eine Videodrohne in den Händen hielt, auf den Flur hinaus. Die Stimme der Frau, die aus dem Stockwerk über ihnen erklang, hallte durch die Einspielung doppelt in Eriks Ohren wider: »Praktikanten! Nie wieder Praktikanten! Wenn das Ding jetzt nicht funktioniert, dann war das dein letzter Tag in unserem Sender!«

      Der junge Mann bog mit rotem Kopf um die Ecke und stolperte eilig die Treppe hinunter. Erik und Linda drückten sich rasch zu beiden Seiten an Geländer und Wand, um ihn vorbeizulassen. Bei der Blazerdame war das schon schwieriger. Immer noch schimpfend warf sie die Arme in die Luft und hätte Erik dabei fast eine Ohrfeige verpasst. Im letzten Moment zog er den Kopf ein und duckte sich unter ihrer Hand weg.

      Die Bodyguards auf diesem Treppenabsatz blickten dem ungleichen Paar kurz hinterher und erlaubten sich ein amüsiertes Grinsen. Erik ging ruhigen Schrittes an ihnen vorbei, das übliche nervöse Gefühl im Nacken, und lief weitere zwei Stockwerke die Treppe hinab.

      »Präsidenten-Suite« verkündete ein blankgeputztes Schild am Treppenaufgang. Doppelter Wachschutz, helle Beleuchtung – und eifriges Hantieren in einem der Zimmer, dessen Tür offenstand. Erik trat in eine Nische, in der man nicht im Weg herumstand. Linda folgte ihm. Beide äugten in alle Richtungen. Er schaltete sich mit einem Blinzeln auf die nächstgelegene Hotelkamera auf.

      In der Präsidenten-Suite waren die letzten Vorbereitungen im Gange. Eine Frau vom Hotelmanagement kontrollierte Bar und Schränke, eine andere zupfte die schweren Gardinen in Form. Zwei Angestellte fuhren einen Rollwagen mit Bettzeug aus dem Zimmer.

      Sie ließen die beiden vorbei. Dann beugte sich Lindas Umriss ein wenig vor und winkte Erik, ihr zu folgen. Er schloss sich ihr nach einem letzten Blick zu den Wachleuten an.

      Die Tür stand einladend offen. Linda spazierte als erste zwischen den Bodyguards hindurch in die Suite. Erik beobachte, wie sie sich an einem Tisch, Sesseln und einer ausladenden Fächerpalme vorbeischlängelte, dabei immer den hin und her wuselnden Kontroll-Damen ausweichend. Endlich war sie im Nachbarzimmer, ging in die Knie und schob sich unter das breite Doppelbett.

      Geschafft! Eine der Damen hockte sich nur Sekunden später hin und warf einen prüfenden Blick unter das Bett. Als sie weder Staubflusen noch Linda dort entdeckte, erhob sie sich wieder mit zufriedenem Gesicht.

      ›Den Nobelpreis werdet ihr wohl doch nicht kriegen, Takeo. Eure Erfindung kann niemand öffentlich machen! Aber ich gebe euch einen aus, wenn das hier vorbei ist!‹

      Jetzt war Erik an der Reihe. Die Jungs vom Wachdienst hatten ihre Posten wieder eingenommen, doch das störte ihn weitaus weniger als das übereifrige Hotelpersonal. Eine der Frauen sprang ihm ständig vor die Füße und wischte mit dem ausgestreckten Zeigefinger im hellen Handschuh mal hier, mal da auf Bilderrahmen, Bordüren oder Regalbrettern herum. Erik hatte seine liebe Not damit, ihr jedes Mal rechtzeitig