2050. Jennifer Schumann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jennifer Schumann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783754927403
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sein. Vielleicht haben wir ihn gefunden. Oder er ist nur ein weiterer Außerirdischer aus einer anderen Galaxis. Wir wissen es nicht. Er spricht nicht mit uns. Er hilft uns nicht. Er ist bloß da. Er sieht nur zu.«

      Ein Schauer rannte Norman den Rücken hinab. Der Mann war keine Einbildung von ihm. Er war da, er war real. Er sah wahrscheinlich jetzt gerade zu und Norman konnte nichts dagegen tun.

      »Es gibt nur zwei Dinge, die ich mit Sicherheit weiß. Ich weiß, dass du noch lebst. Wir haben dein Schiff nie gefunden, weil du noch nicht gelandet bist. Ich hoffe, dass dieses Video dir helfen und gleichzeitig eine Warnung sein wird. Wir haben noch ein Wurmloch gefunden. Du findest die Koordinaten im Cockpit. Einige von uns versuchten, durch das Schwarze Loch zurückzukehren, aber ich glaube, dass es niemandem gelungen ist. Ich hoffe, du hast mehr Glück. Ansonsten gibt es nichts weiter in dieser Galaxis. Keine anderen Planeten, wo wir hingehen könnten. Keine Chance zu überleben.« David nahm die Kamera runter, um die Aufnahme zu beenden, aber dann fiel ihm noch eine Sache ein. »Ich weiß nicht, warum wir hier sind. Warum wir überhaupt am Leben sind. Dieses Leben hat keine Bedeutung. Ich weiß nicht, warum wir überhaupt existieren. Seit unserer Landung habe ich alles gesehen, wozu ein menschliches Wesen in der Lage ist. Mord. Vergewaltigung. Tausende von Leichen. Tote Kinder am Strand. Die Menschheit verdient es nicht zu überleben.«

      David hielt kurz inne. Sein Blick ging zuerst runter, doch dann wendete er sich wieder der Kamera zu. Ein Blick, den Norman zu deuten wusste. Der Blick eines Mannes, der mit allem fertig war.

      »Also …«

      David zog eine Pistole und schoss sich in den Mund.

      Norman schloss die Augen und hielt seine Hand an die Stirn. Jetzt verstand er, warum hier so viele Skelette herumlagen. Der Wald musste voller Leichen sein, begraben unter Matsch und Pflanzen. Er blieb einige Minuten neben dem Skelett seines Sohnes sitzen. Was blieb ihm auch anderes übrig? Immer wieder spielte er Davids Worte in seinem Kopf ab. Norman konnte auf diesem Planeten nicht überleben, niemand könnte es. Doch was liegt da oben? Was liegt da oben jenseits des weißen Himmels? Sie alle waren gestorben, aber Norman würde hier nicht den Tod finden. Er würde eher beim Versuch, durch das Schwarze Loch zu entkommen, sterben, als sich selbst das Leben zu nehmen. Er stand auf, setzte sich nach vorne und startete das Shuttle. Obwohl das Raumschiff neu für ihn war, so verfügte es doch über denselben Steuerungsmechanismus, der beim Bau seines Shuttles verwendet wurde. Überraschenderweise hob das Raumschiff seines Sohnes ab.

      Norman sah noch ein letztes Mal hinab und erblickte den Mann im schwarzen Mantel, der ihn direkt anstarrte. Er bewegte sich nicht, schien noch nicht einmal zu atmen. Er schaute nur. Norman hatte keine Ahnung, wer er war, aber falls dieses Ding wirklich Gott war, wollte er ihn für immer hinter sich lassen.

      Als er weit genug oben war, konnte er das grüne Meer aus Bäumen sehen, das den Großteil des Planeten zu bedecken schien. Norman machte sich bereit für die Heimreise. Das Shuttle stieg weiter. Er flog durch den Regen und die Atmosphäre zurück ins All. Er war erleichtert, die Sterne und die Finsternis der Galaxis wiederzusehen. Hinter ihm lag der Planet, der ihm so viel Schmerz bereitet hatte. Es sah aus wie ein Planet, aber es hätte genauso gut die Hölle sein können. Er checkte die Koordinaten und brauchte nur ein paar Stunden, um das Tor zu seiner Vergangenheit zu erreichen. Er hatte noch nie einen Planeten gesehen, der so nah an einem Schwarzen Loch lag. Er konnte nicht erklären, was er da unten gesehen hatte. Was am Strand passiert war. Nichts davon sollte existieren, nichts davon war wissenschaftlich zu erklären. Doch er konnte sich nicht ablenken lassen, er musste zurückkehren.

      Norman sah die vor sich liegende Finsternis und war bereit, erneut in sie einzutauchen. Egal, wer diesmal im Cockpit erschien, er würde sich nicht ablenken lassen. Er würde zur Erde zurückkehren und seinen Sohn retten. Er kam näher an das Phänomen heran, und wieder hörte das Raumschiff auf zu funktionieren, während die Gravitation ihn in die unendliche Finsternis hineinzog. Norman machte es sich auf dem Sitz bequem und schloss die Augen. Es war vollkommen ruhig und das Einzige, was er hörte, war sein eigener Herzschlag.

      Nach ein paar weiteren Sekunden, Minuten oder Stunden, Norman konnte es nicht sagen, begann das Shuttle zu vibrieren. Das Schiff flog hoch. Norman wurde in seinen Sitz gedrückt. So viele unbeantwortete Fragen kreisten in seinem Kopf herum. Warum war sein Sohn im Shuttle? Warum hatte er sich nicht selbst getroffen, wenn da so viele Shuttles auf dem Meeresgrund lagen?

      So sehr er es auch versuchte, er würde nie eine Erklärung für all das, was passiert war, finden. Er schloss seine Augen und verstand, dass er keinen Einfluss hatte auf das, was in den nächsten Minuten geschehen würde. Entweder würde er überleben oder hier sterben. Manchmal war es so einfach.

      Norman erwachte und bemerkte neben einem schrillen Geräusch ein rotes Licht über seinem Kopf. Er schaute nach vorn und sah den Mond. Den Erdenmond. Er war überglücklich, etwas Bekanntes zu sehen, aber ihm war klar, dass er schnell handeln musste. Er betätigte die Notbremse und versuchte, das Shuttle zu verlangsamen. Aber es war zu spät, er war schon zu nah an der Mondoberfläche. Das Schiff krachte auf den Boden und prallte leicht ab, knallte erneut auf den Boden und prallte wieder ab. Schnell betätigte Norman die Gravitationsanlage des Schiffes. Er klappte das Fahrwerk aus und das Shuttle setzte schließlich auf der Oberfläche auf. Er atmete tief durch und lächelte verhalten. Er war zu Hause.

      Er kontrollierte den Treibstoff im Shuttle. Es war nichts mehr übrig. Er konnte weder die Raumstation noch die Erde erreichen. Nun saß er zunächst einmal auf dem Mond fest. Norman schaute nach vorn, konnte allerdings nur einen hohen Berg ausmachen, der ihm die Sicht nahm. Er setzte einen Notruf ab, zog den Raumanzug und den Helm an. Sobald er drinsteckte, konnte er auf dem kleinen Bildschirm, der sich in dem Helm befand, seinen Pulsschlag sehen und wie viel Luft ihm noch blieb. Er war froh darüber, wie weit die Technologie nach ihrer Abreise vorangeschritten war und dank ihm würde sie sogar noch weiter fortschreiten. Er hatte es getan, er war durch das Schwarze Loch zurückgekehrt und konnte die Vergangenheit ändern, um die Zukunft Tausender Menschen zu retten. Er musste alle vor den Schrecken warnen, die ihnen auf dem Kepler-Planeten begegnen würden.

      Er öffnete die Tür und sprang hinaus. Der Anzug passte sich der Umgebung an und schützte ihn vor der kalten Atmosphäre des Alls. Er sah sich um, auf der Suche nach der Erde, aber er konnte den Planeten nicht finden. Die Erde musste hinter dem Berg liegen.

      Er tat den ersten Schritt und erinnerte sich daran, wie angenehm es war, auf dem Mond zu laufen. Er fühlte sich so leicht und frei, während er einen Schritt nach dem anderen machte. Es schien, als flöge er über die Oberfläche. Norman kletterte den Berg hinauf und lächelte. Es war das erste positive Gefühl, das er seit Beginn dieser Reise hatte. Gleich würde er die Erde wiedersehen. Das blaue Meer und die gelben Dünen. Die letzten Schritte waren schwer, aber er kam voran. Er würde jeden Augenblick den Gipfel erreichen.

      Er schob sich hoch und stand auf dem Berggipfel. Er stand fest auf seinen Füßen und schaute nach vorne. Seine Augen waren weit geöffnet und er blinzelte nicht. Er lächelte wieder. Doch die Werte in seinem Helm verschlechterten sich drastisch. Seine Herzfrequenz war dabei zu explodieren und er atmete schneller. Er atmete, als ob er keine Luft mehr bekäme. Er schaute auf ein Meteoritenfeld. Norman hoffte, dass er woanders gelandet war. Vielleicht in der Andromeda-Galaxie oder einem Ort, der wie die Milchstraße aussah. Doch das war nicht der Fall. Er war am richtigen Ort, aber zur falschen Zeit. Er hatte diese Galaxie vor der Invasion verlassen. Nun kam er viel zu spät. Millionen von Jahren zu spät. Es war definitiv die Milchstraße und bei dem Meer aus Steinen vor ihm handelte es sich um die Überreste des Planeten, den er einst als sein Zuhause bezeichnet hatte. Es war kein Meteoritenfeld. Es war die Erde. Er war allein.

       ENDE

      Nikita Vasilchenko wurde am 03.08.1994 in Tashkent, Usbekistan geboren. Im Jahre 2000 kam er mit seinen Eltern nach Deutschland und lebte zunächst in Oberhausen. Nach dem Abitur im Jahre 2013 begann er sein Studium an der Macromedia University of Applied Sciences in Köln. Dort studierte er Film & Fernsehen mit dem Schwerpunkt Drehbuch und Regie. Eins seiner Drehbücher namens »Seoul Trinity« wurde auf diversen internationalen Festivals in der Kategorie »Best Short