Mord aus kühlem Grund. Achim Kaul. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Achim Kaul
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750231757
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fehlt auf deiner Liste, Penny, was ist das?«, fragte sie und betrachtete neugierig von allen Seiten einen kleinen schwarzen Kasten. Penny Stock räusperte sich verlegen.

      »Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie ich das Ding bezeichnen soll. Ist wohl irgendwas Technisches, aber ich will da ganz genau sein und erstmal im Internet recherchieren. Die Kollegen konnten mir auch nicht weiterhelfen.« Zweifel nahm den Kasten prüfend in die Hand.

      »Ähm, vielleicht …«, meldete sich der junge Bademeister zu Wort, »vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen.« Sie drehten sich alle drei zu ihm um. »Ich glaube, das ist ein Gerät, mit dem man alle möglichen Produkte erkennen kann, in Supermärkten, Geschäften, Kaufhäusern und so. Blinde benutzen sowas.«

      »Warum hab ich Sie nicht schon eher gefragt«, seufzte Penny Stock. »Jetzt müssen wir nur noch den blinden Besitzer ausfindig machen«, sagte Zweifel.« Außer dem Studentenausweis lässt sich ja sonst nichts von dem Zeug eindeutig zuordnen. Sie haben alles genau inspiziert, Penny?

      Irgendwelche Anhaltspunkte?« Sie schüttelte den Kopf. »Alles fotografiert?« Sie nickte. »Gut, die Sachen bleiben erstmal hier, bis diese Angelegenheit aufgeklärt ist. Wenn die Eigentümer sich melden sollten«, damit wandte er sich wieder an den jungen Bademeister, »dann notieren Sie bitte Namen, Adresse und Telefonnummer und sagen den Leuten, dass wir uns bei ihnen melden.« Es klopfte. Der Dienstälteste der sechs Beamten, die sich in der Zwischenzeit mit etwa fünfzig mehr oder weniger aufgeregten Badegästen unterhalten und die Personalien aufgenommen hatten, stand vor der Tür. Da Fischlis Büro mit vier Personen fast schon überfüllt war, ging Zweifel zu ihm hinaus auf den Flur des kleinen Verwaltungsbereiches.

      »Wir sind fertig mit den Befragungen, Herr Kommissar.« Er überreichte Zweifel einen Stapel DIN-A4-Blätter. »Das sind die Aussagen der Leute. Mehr oder weniger ähnliche Schilderungen. Wir haben alle befragt, die noch da waren.« Zweifel nickte anerkennend.

      »Also haben Sie mir keinen mehr übriggelassen?«, fragte er. Der Mann riskierte ein millimetergroßes Schmunzeln.

      »Doch, es gibt noch jemanden. Der will nur mit dem ›großen Boss‹ reden, wie er sagt.« Zweifel zog die Augenbrauen in die Höhe. »Ich nehme an, damit hat er Sie gemeint«, ergänzte der Mann, ohne eine Miene zu verziehen. Zweifel überflog die Blätter, während der Beamte neben ihm wartete. Die Aussagen waren allesamt wörtlich protokolliert worden:

      »So etwas hab ich noch nie gehört. Als wenn ein Tier abgeschlachtet wird.«

      »Markerschütternd. Ich hab Gänsehaut gekriegt.«

      »Wir konnten unseren Jungen gar nicht mehr beruhigen, so eine Angst hat er bekommen.«

      »Eine Schweinerei ist das, ich werde mich beschweren.«

      »Ein Albtraum, ein richtiger Albtraum. Ein Wunder, dass wir da heil rausgekommen sind.«

      »Die Schreie werd’ ich nie vergessen. Die krieg’ ich nie mehr aus meinem Kopf raus.«

      »Wir wollten einfach nur raus, nichts wie raus, aber da war kein Durchkommen, die Leute waren wie durchgedreht.«

      »Können Sie sich vorstellen, wie es ist, wenn man an so eine Glasscheibe gequetscht wird? Ich war absolut machtlos. Die haben mir die Luft aus den Lungen gequetscht.«

      »Mein Mann ist ohnmächtig geworden, und ich bin ja nur ’ne alte Frau. Ich konnt’ ihm nicht helfen. Ich dachte, es ist vorbei. Jetzt ist es vorbei.« Zweifel hob seinen Blick und schaute den Beamten an. Der nickte ernst.

      »Es ist unglaublich, dass niemand ernsthaft verletzt wurde.«

      »Was ist das für einer, der nur mit mir reden will?«

      »Ich führ sie zu ihm.« Melzick stand bereits hinter Zweifel. Sie nahm ihm die Blätter ab.

      »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, wie Sie von der Sache hier Wind bekommen haben«, sagte Zweifel, während sie dem Beamten folgten.

      »Erzähl ich später«, antwortete sie.

      »Das hab ich heute schon mal gehört.«

      »Versprochen!«

      »Hier entlang, Herr Kommissar.« Sie waren in der Massageabteilung angekommen. Hier gab es eine Reihe von kleinen, abgeteilten Räumen, die sich sehr gut für die Befragungen geeignet hatten. Einige Angestellte standen, mit Plastikbechern in der Hand in der Nähe herum, nervös und ratlos und auf irgendwas wartend. Zweifel ignorierte sie. Der Beamte führte ihn und Melzick hinter die Empfangstheke und einen schmalen Gang entlang. Links und rechts die Kabinen waren alle leer. Schließlich blieb er stehen und nickte dem Kommissar zu.

      »So, Herr Mayrhubr, ohne ›e‹, hier kommt der ›große Boss‹.« Auf einer Massagebank lag ein Zweizentnerkoloss um die sechzig auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er richtete sich rasch auf und streckte Zweifel eine schwer beringte Pranke entgegen. Bei seinem Anblick blieb Melzick die Spucke weg. Silbergraue Haarmähne bis auf die Schultern, schwarze Sonnenbrille mit runden Gläsern, beidseitig silberne Ohrringe, breites, schwarzes Stirnband, grobkariertes, bis zu den Ellbogen hochgekrempeltes Holzfällerhemd, verblasste Tattoos auf den muskulösen Unterarmen. Auch der Rest der schwarzen Kleidung – Weste mit silbernen Knöpfen und langen Fransen, breiter Gürtel mit großer Silberschnalle, klobige Motorradstiefel – war stilecht. Mit einem Wort: Ein lupenreiner Altrocker.

      »Ich habe Sie schon erwartet, Kommissar. Sie sind doch Kommissar?«, ließ er eine angenehme Bassstimme ertönen. Zweifel ergriff seine Hand, die irgendwo zwischen ihnen schwebte.

      »Ja, das bin ich. Adam Zweifel.«

      »Von A bis Z ein Polizist, das hört man sofort.«

      »Das ist meine Assistentin, Melzick.« Der Mann ließ die Hand einfach in der Luft hängen, wo Zweifel sie losgelassen hatte. Sein Gesicht mit den schwarzen Augengläsern blieb unbewegt, bis Melzick zögernd seine Hand ergriff.

      »Ah, junge Verstärkung, bin begeistert«, sagte er in seinem ruhigen Ton und hielt ihre Hand für Melzicks Geschmack ein paar Sekunden zu lange fest. »Wie Ihr Kollege schon sagte, ich bin der Mayrhubr und zwar ganz ohne ›e‹. Ist wohl irgendwann im Lauf der Jahrhunderte verlorengegangen. Als Ausgleich hat mein alter Herr meinem Vornamen ein ganz großes ›E‹ verpasst. Von der Stimme her haben Sie das passende Alter, um von selbst darauf zu kommen, Kommissar.« Zweifel tauschte mit Melzick einen amüsierten Blick. Dann räusperte er sich.

      »Na ja, ich vermute mal, zu Ihrem Nachnamen passt Elvis wohl am besten.«

      »Ha!«, ließ Mayrhubr einen Schrei los und klatschte in die Hände. »Ich sehe schon, wenn Sie mir die Behauptung gestatten, Herr Kommissar, ich habe es mit Intelligenz zu tun.«

      »Dann sind wir ja sozusagen auf Augenhöhe«, entgegnete Zweifel und nickte Melzick zu. Die verstand und verschwand. Elvis grinste und nickte langsam.

      »Falls es hier drinnen einen Stuhl gibt, dann setzen Sie sich doch, Herr Kommissar. Ist mir lieber so.« Zweifel schnappte sich einen kleinen Hocker.

      »Sie machen einen ziemlich entspannten Eindruck, Herr Mayrhubr.«

      »Sagen’s Elvis zu mir. Bei Mayrhubr macht meine Prostata Klimmzüge.«

      »Gut, dann also Elvis. Sie hat das Ganze ziemlich kalt gelassen?« Elvis fing an, mit den Fingern der rechten Hand einen langsamen Rhythmus auf seinem Oberschenkel zu trommeln. Er nahm sich Zeit für seine Antwort.

      »Hab ich Ihre Assistentin in die Flucht gejagt, Herr Kommissar?«

      »Ach wissen Sie, die lässt sich nicht so leicht verscheuchen. Ich denke, sie ist gerade dabei, eine Überraschung für Sie zu organisieren.«

      »Ist das so?« Zweifel nickte. »Ich nehme an, Sie haben gerade genickt. Elvis hat gute Antennen, Herr Kommissar und die Signale werden komplett hier oben eingescannt.« Er tippte mit einem enorm dicken Zeigefinger an seine Stirn.

      »Was ist passiert und wo waren Sie, als es passierte?«, fragte Zweifel und beugte sich vor. Elvis hörte auf zu trommeln.