Im Spiegel meiner Seele. Christina Enders. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christina Enders
Издательство: Bookwire
Серия: New Yorker Upperclass
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753195124
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Neue zu wagen, war es ganz plötzlich, ganz schnell gegangen, freute sich für ihre neu gewonnene Freundin.

       Sie setzt sich zurück an den Tisch, der mit Abstand schwerste Brief, war der an Sam. Sie setzte den Stift an.

      „Liebe Sam, allerbeste Freundin, wenn du den Brief in deinen Händen hältst, bin ich nicht mehr hier, ich gehe erst einmal auf Reisen, schaue mir vielleicht die Welt an, suche einen neuen Sinn meines Lebens.“

      Strich den letzten Satz wieder und zerknüllte anschließend das Papier. Nicht das letzte Papier, was sie heute vernichtete und entschied, dass sie erst einmal etwas frische Luft brauchte. Sie ging vor der Tür und schaute rüber zu ihrer Nachbarin. Margrit sah sie und ging zu ihr.

      «Wird langsam ernst, oder?»

      «Ja, das sind die Möbel, die ich mitnehme, die Sachen, die ich nicht mehr gebrauchen kann, holt morgen eine Organisation ab. Es ist auch irgendwie befreiend sich von manchen Dingen trennen zu können, das macht irgendwie Luft in der Seele und schafft Freiräume.»

      «Stimmt, wir Menschen hängen zu oft an die verschiedensten Dinge, ohne zu sehen, dass sie einem die Luft nehmen oder am wahren Leben hindern.»

      «Mein Armin schäumt sicherlich vor Wut, weil ich seine Drehbank verschenkt habe. Er war immer sehr stolz drauf, weil sie noch von seinem Vater war, aber ich habe keinerlei Verwendung dafür.»

      «Sie wird ja nicht einfach entsorgt, sondern bekommt ihre neue Bestimmung, eine Drehbank sollte benutzt werden.»

      «Ja, die Jugendlichen in dem Freizeitzentrum werden sie gut gebrauchen können. Wann geht deine Reise los?»

      «Sjena nickte in ein paar Tagen …»

      «Aber dass du dich nicht einfach so davonschleichst, du verabschiedest dich noch von mir oder.»

      «Natürlich, ich will doch sehen, wie du dich in deiner neuen Wohnung eingerichtet hast.»

      «Ich hoffe es funktioniert, das Kennenlernfest war jedenfalls sehr angenehm, es fühlte sich gut an, wieder ein Teil von etwas Ganzen zu sein, das habe ich dir zu verdanken.»

      «Nein, du hast im Geheimen sicherlich schon lange eine Lösung für deine Einsamkeit gesucht und dann eine Chance wahrgenommen.»

      «Na ja, etwas Angst habe ich schon, es war eine reifliche, aber auch eine sehr schnelle Entscheidung.»

      «Sind manchmal die Besten. Ich muss dann wieder, ich muss noch einiges für meine Reise vorbereiten.»

      Margrit nickte und ließ Sjena gehen.

      Sjena hatte endlich den Brief an ihrer Freundin fertig geschrieben. Hoffentlich findet sie die Bitte, sich um ihr Haus zu kümmern, nicht zu übergriffig, doch sie wusste auch, dass sie in der Wohnung, in der sie momentan lebte, nicht ewig wohnen konnte, da sie aus sicherer Quelle wusste, dass das Haus abgerissen werden sollte. So musste sie sich nichts Neues suchen und konnte sich hier frei entfalten. Später würde sie alles in ihren Nachlass klären. Morgen hatte sie ein Termin mit ihrem Notar, der ihr Testament neu aufsetzen würde.

      Als sie die Briefe fertig hatte, holte sie eine Kiste aus dem Keller und räumte alle persönlichen Dinge weg, Fotos, das Lieblingsspielzeug ihres Sohnes, was immer im Wohnzimmer lag, den ersten Prototyp einer Maschine, den ihr Mann entwickelt hatte.

       Ging anschließend zu ihrem Notebook, zog alle Fotos auf einen Stick und löschte sie von der Festplatte. Dabei kam sie auf ein Video, das sich plötzlich ohne ihr Wollen abspielte, sie starrte auf ihren Sohn, der im Garten herumrannte. Pass auf, du brichst dir noch die Nase, wenn du so umherrennst. Hörte sie sich reden, da kam Ben in den Garten, stand vor ihr und küsste sie. Sam, die das Video gemacht hatte, schimpfte. Könnt ihr auch noch etwas anderes als küssen, wenn ihr euch seht?»

      Ben blickte zu Sam. «Neidisch?», schaute er wieder zu seiner Frau und gab ihr einen gehörig feurigen Kuss. Sie hielt das Video an. Tränen rollten ihr vom Gesicht, sie waren richtig glücklich. Toby war drei Jahre und sie entschied, langsam wieder zu arbeiten. Ein Fehler, der sie langsam entfremden ließ. Plötzlich waren sie für die Liebe viel zu beschäftigt, nahmen sie hin, als wäre sie etwas Gewöhnliches, was immer bleibt. Ben hatte sich ein zweites Kind gewünscht, eine kleine Tochter, die er verwöhnen konnte. Doch sie empfand, dass sie komplett waren, was für eine Dummheit. Durfte sie heute noch einmal entscheiden, würde sie nicht nach drei Jahren wieder arbeiten, sondern würde Ben mit einer erneuten Schwangerschaft glücklich machen. Doch das war vorbei, die Summe ihrer Entscheidung war vernichtend.

      Sie starrte noch einmal auf das küssende Paar, damals waren sie so richtig glücklich … dann fingen sie sich an zu streiten über die unmöglichsten Dinge und verloren sich, ohne es wirklich zu merken. Der Alltag frisst Seelen auf, war ihr nächster Gedanke. Sie zog auch dieses Video auf ihrem Stick, löschte es anschließend ebenso von der Festplatte und verwahrte alles in der Kiste mit den Sachen der Erinnerung. Klebte sie anschließend zu und brachte sie in den Keller.

      Um von ihren Gedanken in der Stille nicht auf gezerrt zu werden, fing sie an zu putzen und zu räumen. Sam sollte ein möglich sauberes Haus vorfinden.

      Da ging sie an das Kinderzimmer ihres Sohnes vorbei. Das Zimmer, was sie seit seinem Tod nicht mehr betreten hatte, das war die letzte Etappe, die zu erfüllen war. Sie nahm die Hand und drückte die Klinke nach unten. Noch war die Tür zu, war sie schon bereit, die Tür zu öffnen? Wenn sie für Sam nicht einen unberührten Schrein hinterlassen wollte, musste sie da irgendwann rein. Jetzt war es genauso schlimm wie morgen oder in ein paar Tagen. Sie trat ein und hielt für einen Moment die Luft an. Das Bett war noch mit der Bettwäsche überzogen, als er das letzte Mal drin geschlafen hatte, aber es war alles sauber und gemacht, da sie ja das Wochenende bei ihren Schwiegereltern verbringen wollten. In dem Fall bestand Ben immer darauf, dass Toby sein Zimmer aufräumte, bevor sie fuhren. Auf dem Schreibtisch lag noch ein Bild. Für Mommy … und ihr kamen die Tränen, als sie das Bild farbenfroh und bunt sah. Sie schluckte und holte eine neue Kiste. Räumte auch hier alle Erinnerungen zusammen, klebte die Kiste zu und schrieb Toby darauf. Sie setzte sich kurz auf das Bett, was sie grade abgezogen hatte. In einem Jahr wäre er zur Schule gegangen, er war so aufgeregt, als er ihr zeigte, dass er schon seinen Namen schreiben konnte, bald gehöre ich zu den Großen, dann kann ich richtig lesen und schreiben. Sie zitterte innerlich, musste hier raus. Brachte nur schnell die Kiste nach unten in den Keller, ging schnell in ihr Schlafzimmer, zog sich ihre Joggingsachen an und lief nach draußen, bevor sie innerlich explodiert, musste sie sich äußerlich auspowern.

      Als sie zurückkam, riss sie sich die Kleider vom Körper und stellte sich unter die Dusche und ließ sich an die Wand nach unten gleiten. Das Wasser prasselte auf sie und sie ließ es einfach laufen. Als plötzlich die Tür aufging und eine erschrockene Sam vor ihr stand.

      «Was soll das werden. Drehte sie den Hahn zu.»

      Sjena schaute auf. «Wo kommst du denn jetzt her?»

      «Du meldest dich ja nicht, hast du vergessen, dass ich einen Ersatzschlüssel habe?»

      «Nein …»

      Sam reichte ihr ein Handtuch. «Ich dachte, dir geht es schon etwas besser …»

      «Hm, ich habe heute Tobys Zimmer aufgeräumt», fiel sie in die Arme ihrer Freundin. Die hielt sie fest und spürte die Tränen ihrer Freundin. Jetzt verstand sie ihren Zustand.

      «Warum machst du so was allein, du hättest mich anrufen können.»

      «Nein», schniefte sie in ihr Taschentuch, es gibt Dinge, die muss man allein machen. Ich war danach joggen.»

      «Und hast dich danach in der Dusche verkrochen, wie lange würdest du da noch sitzen, wenn ich nicht gekommen wäre?

      «Weiß nicht …»

      «Na ja, jetzt bin ich ja da und ich lass dich auch nicht mehr allein.»

      «Was heißt das?»

      «Dass ich für dich da sein werde. Es war wohl falsch, dich