Im Spiegel meiner Seele. Christina Enders. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christina Enders
Издательство: Bookwire
Серия: New Yorker Upperclass
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753195124
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ich soll mich etwas um dich kümmern.»

      «Sollst du also.»

      «Ja, ich hatte gestern wirklich kein gutes Gefühl dich allein zu lassen, aber deine Mutter war ja noch da.»

      «Nein, sie ist gleich nach dir gegangen.»

      «Hm … hätte ich mir denken können.» Biss sie leicht auf ihre Nudeln herum. «Du hast das Gefühl, dass dir der Job deine Familie genommen hat.»

      «Ist es nicht so? Ich hätte mit in dem verdammten Auto sitzen müssen, aber mir war ja dieser Job wichtiger als ein Wochenende mit meiner Familie.»

      «Ben war doch auch immer und oft beschäftigt, es war Zufall, dass diesmal du die warst, die zu beschäftigt war.»

      «Nein, Schicksal, ich …» sie legte die Gabel nieder. Zog ihr Lippen etwas spitz, «kannst du verstehen, dass ich jetzt erst einmal allein sein möchte.»

      «Aber das Alleinsein wird dir nicht guttun.»

      «Doch, ich muss mein Leben neu sortieren, das kann ich nur, wenn ich allein bin.»

      Sam nickte, «das verstehe ich, dann ist es wohl auch besser, ich begleite Leon bei seiner Geschäftsreise, obwohl er es lieber sieht, wenn du nicht allein bist.»

      «Hätte nicht gedacht, dass er sich so Sorgen um mich macht, aber du kannst Leon sagen, dass es mir gut geht.»

      «Aber nur so gut, wie es gehen kann oder?»

      «Ja, aber keine Sorge, ich komme zurecht, ich packe das schon. Du hast auch dein Leben und kannst meinetwegen deinen Job nicht vernachlässigen.»

      «Hm, es ist ein Großkunde, kannst du mir vielleicht ein paar Tipps geben, wie ich es umsetzen könnte, ich glaube, Leon erwartet auch von mir ein paar kreative Ideen.»

      «Ich verstehe, aber dafür fehlt mir gerade der Kopf, ich …»

      «Schon gut, war dumm zu fragen, ich bekomme das schon hin, aber denke darüber nach wieder zur Arbeit zu kommen, vielleicht tut es dir ja gut mal auf andere Gedanken zu kommen.»

      «Nein, diese Art von Ablenkung ist es nicht, die ich momentan brauche.» Begleitete sie Sam zur Tür.

      Als die Tür hinter Sam zu fiel, rutschte sie an der Tür herunter wie eine Träne. Für alle ging das Leben weiter, nur nicht für sie, dachte sie, schaute auf den Stapel Briefe, nahm sie an sich und schlitzte sie der Reihe nach auf. Von wegen Geld, dachte sie, als sie eine Karte nach der anderen öffnete. Alles nur seichte Worte, die nur wenig Trost spendeten. Mit dem deprimierten Gedanken warf sie die Briefe auf dem Altpapier zurück und ging in ihr Arbeitszimmer, machte ihren Rechner an und schaute bei der Gelegenheit ihr Postfach durch. Auch da gab es nur Müll und eine Menge Beileidsbekundungen, die nur ein schwacher Trost sein konnten. Löschte alles Unwichtige. Danach klappte sie den Deckel zu, schaute auf den Platz gegenüber, der Stuhl auf dem Ben oft gesessen hatte und Tränen stoben in ihr auf. Eine schiere Kraftlosigkeit nahm von ihr Besitz und sie ging aus dem Zimmer, zurück in ihr Schlafzimmer und schob sich in die Kissen.

      

      Tage vergingen, die sie nicht richtig wahrnahm. Sie ging nur ab und zu zur Toilette, trank was und knabberte an irgendwelche Reste, die sie im Vorratsschrank zu liegen hatte. Allmählich verschwand sie und sie empfand es für einen wahren Segen nichts mehr fühlen zu müssen. Doch irgendwann war auch die letzte Schokolade aufgegessen und sie musste sich mal wieder etwas mehr bewegen, sich vielleicht mal wieder duschen, vor allem aber ihrer Vorräte auffüllen. Aber nicht heute, dachte sie und schob sich tiefer unter die Decke. So verging ein weiterer Tag. Am nächsten Morgen stieg sie aus ihrem Bett und stolperte über ihre leere Weinflasche und im Spiegel sah sie, was für eine bedauernswerte Person sie abgab. Reiß dich endlich zusammen, hauchte sie es sich selbst zu und ging als Erstes unter die Dusche und war danach wieder ein Stückchen mehr Mensch. Sie ging nach unten und sah, dass ihr Anrufbeantworter aufblinkte. Sie hörte die Nachricht ab. Es war wieder ihre Mutter.

      «Schatz, denkst du an meinen Schal, du weißt, wie wichtig er mir ist. By.»

      Du mich auch, dachte sie. Schaute kurz zu den Mülltonnen, die schon entleert wurden. Sorry, aber der Schal ist futsch, ging ihr ein ehrliches Lächeln über den Lippen und es fühlte sich richtig gut an.

      Sie griff nach ihren Autoschlüssel und ging nach draußen. Für einen Moment stach die Sonne in ihren Augen und empfand es fast unerträglich, dass sie überhaupt noch so hell strahlen konnte. Sie setzte sich in ihr Auto, holte als erstes ihre Sonnenbrille aus dem Handschuhfach. Setzte sie auf. Schon besser, dachte sie und startete den Motor und fuhr in den Supermarkt eine Ortschaft weiter, weil sie keine Lust hatte, mit irgendjemand über ihre Situation zu reden. Ihr Sinn war mehr nach Anonymität, was in den kleinen Ortschaften kaum möglich war. Noch immer ziemlich planlos und auch etwas ziellos schleifte sie sich durch die Gänge, ertappte sich dabei, die Frühstücksflocken einzukaufen, die ihr Sohn immer mochte, stellte sie aber sofort wieder zurück. Packte alles, was sie brauchte in den Wagen und ging an die Kasse und floh zurück zu ihrem Auto. Blieb einen Moment unbewegt sitzen und fuhr los. Zu Hause angekommen stellte sie ihr Auto ab, stieg aus und grüßte ihre Nachbarin, die gerade ihren Briefkasten entleerte. Doch bevor diese ein Wort verlieren konnte, schnappte Sjena ihren Einkauf und verschwand in ihrem Hausinnern und räumte geschäftig ihre Sachen weg. Ging anschließend mit einer XXL-Dose Schokoeis auf ihr Sofa. Tippte sich durch die Programme und blieb bei einem Spielfilm stehen, der sie zum Nachdenken anregte. «Ein Tag und eine Nacht» hieß der Film. Eine Frau, die Mitte 30-ig erst ihren Job verloren hatte, ein Mann hatte, der sie mit der besten Freundin betrog. Zu allen übel war es seine Wohnung und landete so auch noch auf die Straße, allein mit ihrem Koffer. Auf dem Konto hatte sie kaum 300 Dollar und ein paar Cent im Portemonnaie. Was für ein lausiges Gefühl, nichts zu haben und nichts zu sein. Aus dieser Laune heraus, beschloss sie, Schluss mit dem Leben zu machen, verbrauchte den letzten Dollar auf ihrem Konto, kleidet sich schick ein und buchte sich eines der teuersten Suiten in der Stadt. Als die Sonne am Aufgehen war, stand sie auf dem Dach eines Luxushotels und wollte sich im Höhepunkt ihres Lebens fallen lassen. Nun bei der Protagonistin ging es gehörig schief, sie wurde zu früh entdeckt und verliebte sich letztlich in ihren Lebensretter und segelte mit ihm anschließend in den Sonnenuntergang. Das war der schwülstige Teil des Filmes, der ihn irgendwie ruinierte. Im wahren Leben sah das sicherlich anders aus … aber die Idee war gut. Den Höhepunkt des Lebens anstreben, was für ein befreiender, berauschender Gedanke. Keine unterdrückten Wünsche, kein Zwang, um dann einfach loszulassen, vom Leben. Sie lächelte, ein guter Plan, der ihr die Farbe auf ihrem Gesicht gedeihen ließ. Machte den Fernseher aus und räumte auf, um zeitig ins Bett zugehen. Feilte aber gedanklich an der Idee, vom Leben loszulassen. Schlief darüber hinaus ein. Am nächsten Morgen wachte sie auf und hatte einen Plan.

      Zunächst musste sie dafür sorgen, dass auf dem Friedhof alles gerichtet war, musste die Gräber bepflanzen. Die Anteile ihres Mannes verkaufen, das Haus hier konnte sie Sam überlassen. Sollte Briefe an ihre Mutter und Freunde schreiben. Aber ihr Ableben sollte nicht hier stattfinden, sondern an einem Ort, an den sie sich treiben ließ. Sie würde sich einfach in einen Zug setzen, den Zug die Richtung bestimmen lassen und abwarten. Was für eine verrückte Idee, aber eine, die ihr das Lächeln zurückbrachte. Ihr den Mut gaben, sich aufzuraffen, um ihr Leben wieder anzupacken.

      Als Erstes fuhr sie zur Gärtnerei, kaufte zwei schöne Rosenstöcke. Ihre Wahl war auf eine weiße, klein blühende und eine gelbe, schön duftende Rose gefallen. Zusätzlich kaufte sie noch einen weiß grünen Efeu und kleine blaue Glockenblumen, die ein wunderschöner Bodendecker abgeben würde. Der Mann in der Gärtnerei hatte ihr garantiert, dass es alles langlebige und frostresistent Blumen waren, die wenig Pflege brauchten. Sie ließ alles ins Auto verladen, bezahlte und fuhr anschließend nach Hause, packte alles auf ihr Fahrrad um, holte noch eine Schaufel und Handschuhe aus dem Haus und fuhr zum Friedhof. Die Sonne, gab erste warme Sonnenstrahlen ab und verlieh so