Im Spiegel meiner Seele. Christina Enders. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christina Enders
Издательство: Bookwire
Серия: New Yorker Upperclass
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753195124
Скачать книгу
Sie war von ihrem Fahrrad abgestiegen und lief langsam zu den Gräbern. Als sie vor den beiden Gräbern stand, wo ihr Mann und ihr Sohn vor etwas mehr als einer Woche beerdigt wurden, zog sich alles in ihr zusammen, die Trauer in ihrem Herzen wollte sie zerreißen. Es hatte aber auch etwas Tröstliches hier zu sein, ganz nah bei ihren Lieben. Tief durchatmend stellte sie ihr Fahrrad ab und räumte zunächst alle verblühten Blumenkränze und Gestecke weg und pflanzte anschließend die Rosen, den Efeu und die Glockenblumen ein. Gab allen etwas Wasser und schaute mit einem Kloß im Hals auf die Grabstätten. Sie sahen anders, wie die Gräber neben an aus, aber für sie waren sie so genau richtig.

      Sie atmete tief. Bald sind wir wieder vereint, dachte sie mit einem Hauch Wehmut.

      Sie wollte gerade den Rückzug antreten, da trat ihre Nachbarin an sie heran. Ihre Nachbarin, die sie schon kannte, als sie noch ein Kind war. Immer wenn ihre Mutter wieder mal anderes zu tun hatte, saß sie an ihren Küchentisch und aß ihren Auflauf aus Hühnchen und Kartoffelbrei.

      «Sjena geht es Ihnen gut? Ich wollte Sie schon gestern ansprechen, doch Sie waren so schnell zurück im Haus verschwunden.»

      Sjena schaute auf und lächelte «Oh, Mrs Grandel.»

      «Ich habe Sie hier pflanzen sehen und ich dachte mir, vielleicht haben Sie ja Lust mal zu mir zum Essen zu kommen, ich machen einen Auflauf, wenn Sie den noch mögen, …»

      «Das haben Sie nicht vergessen …,» lächelte Sjena etwas.

      «Nein, Ihre Mutter hat sie oft allein gelassen …»

      «Ich weiß, ist eine Menge Zeit seitdem vergangen. Meine Grandma ist verstorben und wir sind dann irgendwann weggezogen und das Haus stand sehr lange leer. Aber ich wusste immer, dass ich hierher zurückkommen würde. Meine Mom konnte das irgendwie nie verstehen, hätte den alten Kasten lieber verkauft, doch das konnte sie nicht, weil, meine Großmutter mir das Haus überschrieben hatte, einem Kind, das hat sie glaube ich nie verwunden. Deswegen sind wir auch von hier weg. Sie hat den Schlüssel herumgedreht und das Haus hat sie danach nicht mehr interessiert. Also wartete es so lange auf mich, bis ich groß genug war, es zu beziehen.»

      «Ihre Grandma wusste wohl, dass das Haus ihr einziges Zuhause sein wird. Wir hatten immer ein gutes, freundschaftliches Verhältnis und ich weiß noch, dass sie sich oft über deine Mutter geärgert hat.»

      «Stimmt, ich kann mich nur vage daran erinnern, dass die beiden sich oft gestritten haben. Dann wurde sie krank und meine Mutter gab sie in ein Heim, wo sie dann gestorben ist. So viele Erinnerungen habe ich zwar nicht mehr daran, aber es stimmt auch, dass es sich wie ein Heimkommen angefühlt hat, als ich hier, mein erstes Bein über die Schwelle getreten habe. War aber auch ein hartes Stück Arbeit, es wieder instand zu setzen, es musste von Grund auf saniert werden. Der jahrelange Leerstand hatte grobe Spuren hinterlassen, doch es hat sich gelohnt, wir haben uns da immer sehr wohlgefühlt.»

      «Wenn man eine Familie hat, braucht man ein Nest zum Wohlfühlen.»

      «Ja, das stimmt, aber plötzlich ist nichts mehr, wie es einmal war.»

      «Der Schmerz sitzt noch sehr tief, das ist normal, als mein Mann vor 3 Jahren verstarb, konnte ich es auch lange nicht begreifen. Zumal auch er vital und gesund war. Wenn sie uns von heute auf morgen genommen werden, ist es besonders schwer. Ich war auch gerade bei ihm, habe darüber nachgedacht das Haus zu verkaufen und zu meinen Kindern zu ziehen. Doch hier bin ich nun mal zu Hause und meine Kinder haben eh keine Zeit für mich. Meine Enkel sind schon fast groß, doch wirklich kennen tu ich sie nicht. Was wirklich schade ist.»

      «Oh, das tut mir leid, ich … Sorry, ich war wohl auch immer zu beschäftigt, um mal über den Gartenzaun zu schauen.» Lächelte Sjena entschuldigend.

      «Nein, schon gut, ich bin es gewohnt, allein zu sein, aber vielleicht … als ich sie hier sah, vielleicht mögen sie ja mal zum Essen kommen …»

      «Hühnchen Auflauf mit Kartoffelbrei, wie früher?»

      «Wenn Sie den noch mögen?»

      Sjena atmete tief, gab sich einen Ruck und nickte. Sie sagte zu. Schwelgen wir ein wenig in alte Zeiten, dachte Sjena.

      Sie gingen gemeinsam nach Hause und verabredeten sich für den nächsten Tag. Mrs Grandel lächelte sie an. Es war ihr eine Freude.

      Sjena ging in ihr Haus, sie holte ihr Smartphone aus der Tasche und ging sich die Hände waschen. Als sie zurückkam, schaute sie auf ihrem Display und sah, dass Sebastian sie angerufen hatte. Sebastian Behrens war Bens Partner, gemeinsam führten sie ihr Kreativbüro. Er wollte sicherlich nur wissen, wie es jetzt, wo Ben nicht mehr da war, weiter ging. Sie wollte eigentlich nicht darüber nachdenken, doch für ihr Vorhaben sollte alles geregelt sein, also rief sie Sebastian zurück.

      «Sjena, wie geht es dir, schön, dass du gleich zurückgerufen hast.»

      «Ja, was gibt es denn so Dringendes?»

      «Weißt du schon, was du mit den Anteilen deines Mannes machen möchtest? Ich habe gehört, du hast deine Zusammenarbeit mit Leon aufgekündigt.»

      «Stimmt … Hast du Angst, ich könnte dir jetzt auf die Pelle rücken?»

      «Nein, du wärst sicherlich auch ein Gewinn für die Agentur.»

      «So findest du.»

      «Du nicht?»

      «Ich weiß nicht, ich bin kein Produkt-Designer.»

      «Vielleicht willst du nur stille Teilhaberin sein.»

      «Dann müsstest du mich nicht auf einmal auszahlen und ich könnte mich einfach zurücklehnen und der Dinge harren.»

      «Vielleicht sollten wir das bei einem angenehmen Essen klären. Was hältst du von Freitag 12 Uhr.»

      «Ja, natürlich, ich notiere es mir. Dann bis Freitag.» Sie legte auf und kam ins Studieren. Sebastian war im Grunde ein großes Schlitzohr, der bestimmt versuchen würde, sie zu übervorteilen. Ben hatte immer gesagt, er ist genial in seine Ideen und schätze seine Kreativität. Doch er war auch immer etwas verschlagen. Diese Verschlagenheit hatte ihn auch so manch Auftrag eingebracht, also sollte sie vorsichtig sein, wenn sie mit ihm redete.

      

      Mit einer Flasche guten Wein klingelte sie bei ihrer Nachbarin. Sie kam zur Tür und freute sich ehrlich, sie zu sehen. Sie wurde durch den Flur geleitet, direkt in den Speiseraum. «Setzen Sie sich, ich bin gleich fertig. »

      Sjena schaute sich bei der alten Dame um und sie hatte tatsächlich das Gefühl noch einmal Kind zu sein, denn viel hatte sich hier nicht geändert.

      Da kam sie auch schon zurück und stellte den Auflauf auf den Tisch.

      Sjena zeigte auf ihre Flasche Wein. «Der soll gut zu Hühnchen zu kombinieren sein.»

      «Oh, das wäre nicht nötig gewesen.»

      «Doch das macht man so, ich bin ja kein kleines Kind mehr.»

      «Dann hole ich uns noch zwei Gläser.»

      Sjena nickte, schraubte den Wein auf, da heutzutage fast alle Weine, auch die guten, mit einem Schraubverschluss versehen waren.

      Ihre Nachbarin machte ihren Teller ordentlich voll. «Sie sind so dünn geworden, Sie sollten wirklich mehr essen, aber ich weiß, wie es ist, wenn man plötzlich allein in der Küche steht und alles keinen Sinn zu machen scheint.»

      Sjena nickte nur und nahm den ersten Bissen, der wie ihre Kindheit schmeckte. «Es ist wirklich noch genauso gut, wie ich ihn in Erinnerung habe.»

      «Das können wir ja öfters machen, ich meine Sie sind allein, ich bin es …»

      «Ja, sicher, aber ich glaube, ich werde nicht mehr lange genug hier sein.»

      «Sie