So oder so ist es Mord. Anja Gust. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anja Gust
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753188300
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zeigte es Wirkung.

      „Hast du öfter mit solchen Typen zu tun?“, wollte Kathi jetzt wissen und lächelte ihn das erste Mal an. Dabei belebte sich ihr Gesicht recht angenehm und wurde überraschend ausdrucksvoll.

      Mit offenem Haar und ohne diese blöde Brille wärst du glatt ‘ne Granate, schoss es ihm spontan durch den Kopf und betäubte seinen Groll für einen Moment. „Ja natürlich, was denkst du denn?“ Souverän sah er sie an. „Dafür bin ich schließlich Spezialist – je gefährlicher, desto besser.“

      „Hast du denn keine Angst?“

      „Angst?“ Kurz lachte er auf. „Dann dürfte ich diesen Job nicht machen.“

      „Ich beneide dich.“

      „Worum?“

      „Um alles.“

      „Ach, so toll ist das gar nicht“, winkte er in aller Bescheidenheit ab. Dann nannte er sich bisweilen etwas träge, dafür aber solide und offenherzig, manchmal etwas vorschnell, im Grunde aber verträglich. Kurzum, jemand, mit dem man Pferde stehlen könne. Allerdings verstehe er keinen Spaß, was die Spielregeln betreffe.

      „Einer von den Guten also“, konnte Kathi sich nicht verkneifen.

      „Ja, spotte nur. Dafür weiß ich, wo ich stehe. Ich hoffe, du weißt das jetzt auch.“

      „Ich arbeite daran … Was meinst du, bekomme ich noch eine Chance?“

      „Schwer zu sagen“, erwiderte Alex, ohne sie anzusehen.

      „Wovon hängt das ab?“

      „Das musst du schon selbst herausfinden. Dafür gibt es kein Rezept.“

      „Wirklich nicht?“, fragte Kathi jetzt mit einem seltsamen Augenaufschlag.

      Das machte seine Verwirrung komplett. „Na, sag mal? Was soll das denn jetzt werden?“

      Kathi schwieg und schien seine Reaktion zu erwarten. Als nichts geschah, flüsterte sie ihm zu, da noch etwas anderes zu wissen.

      „Wie jetzt? Das ist doch nicht dein Ernst, oder?“

      „Wer weiß?“

      Alex war plötzlich wie vor den Kopf geschlagen. Hatte er richtig verstanden? Sein Herz raste und die Gedanken schlugen Kapriolen. Als dann auch noch ihre Finger über seine Wange glitten, bekam er Gänsehaut.

      Ungläubig sah er sie an, sodass er für einen Moment das Gas- mit dem Bremspedal verwechselte. Dann aber brachte er die Kiste abrupt zum Stehen.

      Draußen hatte es zu regnen begonnen und die Tropfen prasselten aufs Dach. Und da er den Scheibenwischer ausstellte, war von draußen nichts mehr zu erkennen. Darüber hinaus beschlugen die Scheiben von innen.

      Irgendwie glaubte er sich im falschen Film. Für einen Moment huschten seine glänzenden Augen über ihren Hals und blieben in ihrem Ausschnitt haften. Aber nein, das war nicht wirklich. Sie spielte mit ihm.

      Und tatsächlich. Plötzlich straffte sich ihre Haltung und verhärteten sich ihre Züge. Nun betrachtete sie ihn überaus kalt und wechselte die Tonlage. „Hör zu, Alex. Ich würde dir empfehlen, meinen Fehltritt ganz schnell zu vergessen. Anderenfalls werde ich unseren Oberrat Dr. Stedekinn über den kleinen Zettel informieren, den ich gestern in deinem Rollschrank gefunden habe.“

      Alex durchfuhr ein Ruck. „Welchen Zettel?“

      „Worauf dir unser werter Herr Doktor einige Empfehlungen gegeben hat, wie weit du in der Sache gehen sollst und was unbedingt zu vermeiden ist. Unter anderem auch einige Verbote, die im Gegensatz zur Diversität und Unvoreingenommenheit einer Untersuchung stehen. Weißt du, wie man so etwas nennt? Aktenmanipulation, Urkundenunterdrückung und Prozessbetrug, strafbar nach § 274 Absatz 1, zweite Alternative de jure, nachzulesen im StGB!“

      Für einen Moment war ihm, als schlüge ihm jemand auf den Kopf. „Du spinnst doch!“, entfuhr es ihm spontan.

      „Was wird er wohl sagen, wenn er erfährt, wie leichtfertig du mit einem solch vertraulichen Hinweis umgehst?“, fuhr sie unbeeindruckt fort.

      „Er wird sagen, dass du nicht ganz bei Trost bist.“

      „Ach, wirklich? Ich habe es leider fotografiert und sogar abgespeichert. Nur weiß ich jetzt nicht mehr, wo! Ich hoffe nicht in einem öffentlichen Ordner, den morgen jeder lesen kann.“

      Allmählich begann er zu begreifen. „Du verdammtes Luder! Meinst du wirklich, du kommst damit durch? Stedekinn wird behaupten, es sei eine unverbindliche Empfehlung gewesen, eine Art Denkstütze. So etwas ist durchaus erlaubt.“

      „Aber nicht mit der Zielstellung, bestimmte Fakten zu unterdrücken.“

      „Blödsinn! Nichts als haltlose Unterstellungen! Das bildest du dir doch alles nur ein!“, protestierte Alex sofort.

      „Dann ist ja alles gut und wir können es riskieren“, entgegnete sie unbeeindruckt.

      „Wie willst du das beweisen? Einen solchen Zettel kann doch jeder geschrieben haben, womöglich gar du selbst, haha“, gab Alex zu bedenken und lächelte spitzfindig.

      „Wohl kaum, denn es handelt sich um einen offiziellen Kopfbogen. Außerdem gehe ich jede Wette ein, dass ein grafologisches Gutachten unzweifelhaft Stedekinns Schrift identifizieren würde.“

      Der Hauptkommissar bebte. Plötzlich steckte ihm ein riesiger Kloß im Rachen. Für einen Moment wog er seine Möglichkeiten ab und war sich nicht sicher, welche Gangart er wählen sollte. Aber wie er es auch drehte – er hätte niemals damit gerechnet, dass sie es wagte, in seinem Schrank herumzuschnüffeln. Wie konnte er nur so leichtsinnig sein!

      Aber noch weniger würde er dem Oberrat diese Peinlichkeit erklären können. Zu dumm aber auch, dass ihm so etwas ausgerechnet jetzt passieren musste, so kurz vor einer möglichen Beförderung. Zweifellos hatte er sie unterschätzt und er begann, seine Freimütigkeit zu bedauern, in welcher er ihr in seinem Überschwang so manches erzählt hatte, was er doch besser hätte lassen sollen.

      Falls ihre Behauptung zutraf und keineswegs eine leere Drohung war (leider hatte er die betreffende Rechtsnorm nicht im Kopf), könnte sein Schützling ihm tatsächlich ernsthaften Ärger machen. Zugegebenermaßen gab es in der Behörde so einen widerlichen Justiziar namens Oliver Knolle, der für das interne Controlling zuständig war. Und gerade dieser Stiesel war so ein krümelkackender Besserwisser und Paragrafenhengst, der sich in alles einmischte und gern mal für Aufsehen sorgte. Für den wäre das ein gefundenes Fressen, denn er kannte eine Menge Leute von der Presse. Alex wagte gar nicht erst, diese Gedanken durchzugehen. Stedekinn würde ihn zerreißen.

      „Eines muss ich dir lassen. Du hast ein verdammt dickes Fell! So etwas ist mir noch nicht passiert. Was soll jetzt werden?“, war das Einzige, was ihm daraufhin einfiel.

      „Das liegt ganz an dir.“

      „Verstehe. In Ordnung. Ich habe alles vergessen. Es ist nichts passiert. Zufrieden?“

      „Das wäre ja schon mal ein Anfang.“

      „Und welche Garantie habe ich, dass du diesen Zettel vergisst?“

      „Gar keine.“

      „Hey, das kannst du nicht machen! Damit ruinierst du uns beide!“

      „Wir werden sehen.“

      Auf dem ganzen Rückweg verloren beide kein weiteres Wort mehr und Alex wagte auch nicht, noch einmal daran anzuknüpfen. Er war noch immer wie vor den Kopf geschlagen und fürchtete bereits ernste Konsequenzen.

      Kathi hingegen zweifelte plötzlich, ob es nicht ein Fehler war, damit so unverblümt herauszukommen. Dabei hatte sie das gar nicht sagen wollen. Es war ihr mehr herausgerutscht, weil sie sich über seine blasierte Art maßlos geärgert hatte.

      Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war seine Feindschaft, zumal sie im Grunde gar nichts gegen ihn hatte. Er war nur das letzte Glied einer Kette, an deren